Die Kunst des einfachen Denkens

Wir mögen ja den Gedanken, dass wir heute allesamt intelligenter sind als zu irgendwelchen früheren Zeiten. Wir haben zu Allem eine Meinung und sprechen sie ungehindert aus. Schon auch deswegen, weil wir medial, da rede ich jetzt nicht von social media, sondern vom Film- und Fernsehgeschehen, immer wieder Menschen vorgeführt bekommen, die wahnsinnig klug sind: Den neuen Sherlock Holmes ("Elementary" ), die Knochenjägerin ("Bones" ) oder "Monk", die alle eben so klug sind, wie wir selbst uns wähnen.

In Wahrheit sind das natürlich, so man davon ausgeht, dass sie nicht vollends ausgedacht sind, wirkliche Ausnahmeerscheinungen, die am Rande der psychischen Erkrankung wandeln. Irgendwie haben sie alle so einen Hauch Asperger-Autismus. Sprich: Ihren hohen Intelligenzquotienten (150 und aufwärts) bezahlen sie mit der Unfähigkeit zum menschenlichen Zusammensein.

Sie wenden sich ihren Interessen ungehemmt zu und achten weder auf ihre Umwelt, noch sich selbst. Sie verstehen vieles an menschlicher Interaktion schlichtweg nicht und neigen dazu, alles Gesagte als das zu nehmen, was da gesagt wird. Obwohl doch jeder nicht ganz so begabte Mensch weiß, dass das menschliche Zusammensein sich oft auf Metaphern und kulturelle Hintergründe bezieht und auch nicht immer ganz so ehrlich ist, wie man das als Wissenschaftler zweifelsohne, aber als Mit-Mensch eben immer Mal klugerweise nicht sein sollte.

Dass der Mensch lügt, und zwar aus gutem Willen und mit wirklich positiven Motiven, erschließt sich diesen klugen Menschen nicht. Was den Kontakt mit ihnen oft so schwierig macht. Da überlegt sich Otto Normal, ob er lieber so klug und dabei schmerzhaft ehrlich oder aber eben nicht ganz so klug, aber ein bisschen taktvoller sein möchte.

Der Trend, auch in der realen Welt, geht dahin, dass man sich die durchaus beachtenswerten Talente dieser sozial so minderbegabten Menschen zu Nutze macht. Sie finden in digitalen Startups und anderen Nischenbranchen freudige Aufnahme, auch wenn man sich dort darüber im Klaren ist, dass sie im normalen Arbeitsalltag durchaus schwierig sein können. Solange sie keinen Kontakt mit Kunden haben, lassen sich die Probleme händeln. Und wenn sie Probleme miteinander haben (denn jede Eigenart ist anders, sonst hieße sie ja nicht so), findet sich bestimmt noch ein anderes Büro.

So weit, so gut. Denn schließlich wäre es bedauerlich, auf Ausnahmetalente zu verzichten, nur weil sie schwierig sind. (Das war Einstein vielleicht auch.)

Allerdings bedeutet Ausnahme eben auch, dass auf der anderen Seite die nicht Besonderen sind. (Ich sag jetzt nicht "Normale", weil das schon wieder diskriminierend klingen könnte.)

Soll heißen: Verständnis für jene zu haben, denen zwischenmenschliche Interaktion schwer fällt oder gar vollkommen fremd ist, ist nicht gleichbedeutend damit, dass jenen, die zwar fähig, aber nicht willens sind, das gleiche Verständnisprivileg einzuräumen ist.

Das eben macht den Unterschied aus: Ich kann niemandem abverlangen, wessen er nicht fähig ist, aber der Gleichheitsgrundsatz geht nicht so weit, die Fähigen den Unfähigen anzupassen, damit diese sich genauso ungehobelt benehmen dürfen wie ebenjene. Die immerhin durch andere Fähigkeiten glänzen.

Kurzum: Wer einfacher denkt (und ein insgesamt höherer Bildungsstandard ist nicht gleichbedeutend mit höherer Intelligenz), sollte sich seines gegebenen Spektrums nicht unter Berufung auf jene berauben, die nicht ganz so unkompliziert sind. Die Natur hat sich etwas dabei gedacht, dass sie uns höflich, freundlich, diplomatisch und gar altruistisch miteinander sein lässt. Nicht der Stärkere obsiegt im Kampf der Kreaturen, sondern der mit den besten Verbindungen zu seinesgleichen. Die Anderen jedoch, die das mit der Kontaktpflege nicht beherrschen, werden von jenen, die die Fähigkeit dazu haben, mit getragen.

Lasst uns dafür sorgen, dass wir uns dessen immer bewusst bleiben.

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