Warm ist es wie damals am Mittelmeer. Die Luft schien zu stehen und legte sich wie eine Last auf alles. Keine Bewegung von nichts und niemandem. Nur die Zikaden riefen gelegentlich klagend.

Die Zikaden (wenn da welche wären, aber natürlich sind hier keine) könnte ich nicht hören mit dem Kopfhörer auf den Ohren. In ein paar Stunden, ahne ich, werde ich ein weiteres Mal die Nachricht einer Freundin auf dem Anrufbeantworter vorfinden, die sich beklagt, dass ich nie zu erreichen sei. So nah und doch so fern.

Ich stehe vor der Staffelei, zu schlaff, um wie sonst nach den Klängen der Musik zu swingen, während der Pinsel über die Leinwand wedelt. Grundieren aus dem Schultergelenk heraus. Das ist Arbeit, nicht viel anders als Wände streichen. Und wirklich sehe ich, während ich durch den Flur zum PC gehe, um die Leinwand trocknen zu lassen, eine Frau im Muskelshirt, nicht viel anders als die Maler neulich draussen auf dem Gerüst. (Ahja, die waren jünger, muskulöser, brauner und Männer halt; am Ende bleibt als Gemeinsamkeit dann doch nur das Muskelshirt, praktisch, aber nicht straßenfähig für eine Frau meines Alters.)

Hier drin, in meiner Wohnung und in meinem Kopf, kann ich machen, was ich will. Ich lese ein Blog. Nicht meines. Natürlich. Meine kenne ich ja. Und fühle mich angerührt. Es scheint der richtige Moment für eine Weltansicht, die ich zu einer anderen Zeit für allzu melancholisch, allzu sentimental, allzu wasauchimmer abgetan haben würde.

Wieder zurück an der Staffelei swinge ich dann doch ein bisschen. So viel halt, wie es der genaue Pinselstrich der ersten Konturen zulässt. Die Musik im Ohr, das Sentiment des Blogs im Kopf. Und denke mir, dass es nicht wahr ist, was ich früher behauptete: Beim Malen denke ich nicht.

Natürlich denke ich. Der Mensch denkt schließlich immer. Irgendwas, so dumm es auch sei. Die Kunst ist, die guten Dinge zusammen zu führen. Malen, dabei Musik hören und gute Gedanken haben. Mit etwas Glück führt ein guter Input zum guten Output.

Ich denke, dass es keine Zikaden braucht, um glücklich zu sein

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