Mein Leben an der Seite eines psychisch Kranken (2)

Manche Menschen mit psychischen Störungen sind leicht zu erkennen. Sie sind seltsam gekleidet, murmeln etwas vor sich hin und wirken verwirrt. Der Klassiker, so stellt man sich das Ganze vor.

Aber so ist es nicht unbedingt. Viele leben scheinbar ein ganz normales Leben und fallen erst auf, wenn man näher mit ihnen zu tun hat.

Mein Mann war im Beruf sehr erfolgreich und eine Person des öffentlichen Lebens, als ich ihn kennenlernte. Zwar etwas angespannt, aber wer ist das nicht, wenn er in Arbeit untergeht? Und hartnäckig, er ließ einfach nicht locker und wollte sich unbedingt wieder mit mir treffen. Also stimmte ich zu, und so begann die ganze Geschichte.

Eigentlich wollte er mein Beschützer sein und immer für mich da. Einen Beschützer hatte ich zwar nicht gesucht, ich komme auch so ganz gut zurecht. Aber eine Schulter zum Anlehnen, wenn es einem einmal nicht so gut geht, das würde ich gerne annehmen.

Eines Tages war es so weit, ich fühlte mich elend und rief ihn in der Arbeit an. Ein paar aufheiternde Worte hatte ich mir erwartet, sonst nichts. Schließlich kann man solche Dinge nicht während der Arbeit lösen. Stattdessen kam ein äußerst ruppiges „Lass mich in Ruh, ich habe viel zu tun!“ und er legte auf. Ich war vor den Kopf gestoßen. Eine etwas freundlichere Formulierung hätte es auch getan.

Dann folgten die Aufträge „Du mußt ….“. Wieso mußte ich? Geschenke für seine Familienmitglieder kaufen, die ich nicht einmal kannte, Dinge in letzter Minute erledigen, die er vergessen hatte, Dinge für ihn kaufen, von denen er mir nicht genau erklären konnte/wollte, was es sein sollte und mit denen er dann immer unzufrieden war. Ich fühlte mich für all das nicht zuständig und ließ auch meinen Widerwillen erkennen, seine Aufträge auszuführen, was ihn wiederum völlig ungehalten machte. Er fuhr einfach verbal über mich drüber. Ich kam zu der Schlußfolgerung, dass Beziehung wohl völlige Hingabe sein müsse, aber es gefiel mir überhaupt nicht und ich fragte mich, ob das wohl das richtige für mich sei und ob ich den falschen geheiratet hätte.

Ich kam aus einer Familie, in der nicht gestritten wurde, in der man sich nicht anschrie, in der man dem anderen Respekt zollte, ihn um etwas bat und nicht einfach forderte. Einer ganz normalen Familie, so dachte ich. Es brauchte einige Zeit, bis ich begriff, dass es in vielen Familien ganz anders zugeht.

Ich arbeitete sehr viel und war am Wochenende dementsprechend erschöpft. Trotzdem erledigte ich gewissenhaft alles, was ihm wichtig war, denn ich wollte keine Diskussionen führen, warum gewisse Arbeiten im Haus nicht erledigt waren. Trotzdem kam er immer nach mir nach Hause, und als erstes wurde ich beschimpft „Liegst du schon wieder auf dem Sofa, du faules Schwein? Und ich muß mich immer um alles kümmern!“ Wie bitte? Was wollte er noch? Schön langsam dämmerte es mir, dass er nicht wußte, was und wie er es wollte. Es war immer falsch, so wie ich es machte. Ich fühlte mich bereits zusehends unwohl, versuchte aber noch immer, alles „richtig“ zu machen. So fingen sich bei mir die Gedanken im Kreis zu drehen an, was ich tun könnte, um mehr Freude in diese Beziehung zu bringen. Da wußte ich noch nicht, welches Karusell an negativen Gedanken in seinem Kopf war.

Nächstes Mal: Urlaubsreisen - null Erholung, totale Erschöpfung

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Herbert Erregger

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Grexi

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