2016 wird in Österreich das – theoretisch – wichtigste Amt des Staates gewählt: Der Bundespräsident. Und ja, obwohl der Kanzler die Regierungsgeschäfte leitet und der Präsident hierzulande den Rollenverzicht ausübt, halte ich das für eine äußerst wichtige Sache.

Mit Hundstorfer, Khol, Van der Bellen und Hofer stellen die vier größten Parlamentsparteien je einen Kandidaten – auch, wenn der grüne Van der Bellen offiziell „unabhängig“ ist. Zusätzlich ist mit Irmgard Griss eine nicht unbekannte Kandidatin im Rennen, die letztes Jahr mit dem „Griss-Bericht“ zur Hypo Alpe Adria viel positive Aufmerksamkeit erregen konnte. Fünf Kandidaten also, die man als halbwegs etabliert bezeichnen und denen man Chancen zutrauen kann.

Aber es wäre nicht Österreich, wäre das alles. Denn allen, die die Hoffnung auf einen Wahlkampf ohne Katastrophenkandidaten und Kasperltheater gehabt haben, macht der Multimillionär Richard „Mörtl“ Lugner einen Strich durch die Rechnung. Zusammen mit der 57 Jahre jüngeren „Cathy“ will er die Hofburg erobern – auch, wenn er vielleicht im Falle eines Wahlsieges in seiner Lugner City bleiben würde.

Gleich zu Beginn hat Lugner eine katastrophale Pressekonferenz gegeben. Und davor schon ein richtig amateurhaft gedrehtes Video gedreht, in dem Cathy und er ablesen und so ziemlich jeden Fehler machen, den man nur machen kann – „It’s a economy, stupid!“, meint Lugner da in misslungener Anlehnung an Bill Clinton. Sein „Positionspapier“ liest sich wie das Handout eines schlechten Schulreferates. Da bezeichnet sich der 145 Millionen schwere Richard Lugner allen Ernstes noch selbst als Kasperl. Bis jetzt war also alles, was er zu diesem Wahlkampf beigetragen hat, ein Witz.

Stefan Schett, Screenshot aus Lugners Presseunterlage http://images.derstandard.at/2016/02/11/Lugner-Presseunterlage.pdf

Und das wissen natürlich alle. Viele meinen, der millionenschwere Lugner will mit diesem Jux-Wahlkampf nur PR für seine Lugner City und sonst alles mit seiner Eigenmarke betreiben. Ob das stimmt oder nicht: Es wird auf jeden Fall Leute geben, die den selbstinszenierten Kasperl wählen. Und davon wird es wiederum ein paar geben, die das auch wirklich ernst meinen.

Das ist kein Problem. Eine Demokratie hält auch Spaßkandidaten aus. Siehe „die Partei“ in Deutschland oder das Team Stronach bei uns. Aber dass Lugner schon 1998 zehn Prozent der Stimmen auf sich versammelt hat – und erst recht, dass er sich das heute nochmal traut – sagt Einiges über den Zustand der Demokratie in diesem Land aus.

Und zwar, dass die Leute das System satthaben. Was immer das System auch ist. Das ist überall so. In Amerika rüttelt mit Donald Trump gerade ein durchgeknallter Lugner auf Koks die Politlandschaft auf und droht, die Parteistrukturen der Republikaner zu zerreißen. Ähnlich macht es dort Bernie Sanders, der die etablierte Hillary Clinton trotz ihres nie dagewesenen Vorsprungs bei einer Vorwahl besiegt hat – denn er fordert einen Rückzug von „Big Money“ aus der Politik.

Aber auch in Europa macht sich dieser Trend bemerkbar. In Griechenland sind die extrem Linken und Rechten in der Regierung, in Spanien sind gleich zwei neue Parteien wahnsinnig stark geworden. In Deutschland wächst mit der sogenannten „Alternative für Deutschland“ auch der Rechtspopulismus zu einer respektablen Größe heran, und in Großbritannien haben die dortigen Sozialdemokraten einen massiven Linksruck hinter sich, da die Mitte-Politik nichts gebracht hat. Die Ränder werden in fast allen europäischen Staaten immer stärker – und zwar vor allem, weil man die Parteien der Mitte nicht mehr voneinander unterscheiden kann.

Auch in Österreich ist das akut. Die Großparteien, die das Land nach dem Zweiten Weltkrieg stabilisiert und zuletzt einigermaßen gut durch die Wirtschaftskrise geführt haben, haben nichts mehr anzubieten. In der Flüchtlingskrise zeigen sich SPÖ und ÖVP schlicht überfordert, außenpolitisch hat sich Österreich längst abgemeldet. Die Menschen wollen neue Lösungen – und daher wählen sie Oppositionsparteien und unabhängige Kandidaten. Da verliert auch der Schrecken vor der FPÖ schnell seine Stärke, wenn es nur darum geht, den Etablierten eins auszuwischen.

Und genau diesen Nerv wird auch Richard Lugner treffen. Er ist ein Spaßkandidat, er kann kein Englisch, er führt sich peinlich auf und hat vermutlich keinen Plan von Politik. Aber: Er ist dagegen. Und dagegen sein ist gerade in. Die Leute wählen die FPÖ, die Grünen, die Neos, das Team Stronach und irgendwelche unabhängigen Kandidaten bei allen möglichen Wahlen – und zwar so lange, bis das rot-schwarze Establishment abdankt und sich verändert. Denn nicht nur in Österreich hat die etablierte Politik den Anspruch des besseren Lebens längst aufgegeben.

Aktuelle Umfragen sagen, dass der nächste Bundespräsident mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Unabhängiger sein wird – vielleicht sogar eine Unabhängige. Richard Lugner ist nur ein weiteres Symptom der Politikverdrossenheit, die die Menschen paradoxerweise wieder politisiert. Jede Stimme ist für Lugner ist ein Schlag ins Gesicht der etablierten Politik. Denn man wählt, um sie loszuwerden. Man wählt, um was zu ändern. Und da wählt man auch mal den Kasperl Lugner. Auch, wenn dieser Kasperl am Ende sicher nicht gewinnen wird.

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