Kopftuch Ja, Kreuz Nein - warum das vollkommen okay ist

Letzten Sommer wollte man noch wahlweise Burkas oder sogar „Burkinis“ verbieten, um die böse, böse, immer weiter voranschreitende Islamisierung zu stoppen.

Dieses Jahr geht es schon früher los mit der staatlich verordneten Befreiungsmission: Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz will das Kopftuch verbieten. Zuerst nur im öffentlichen Dienst, also vor allem an Schulen. Dort gelte es, „besonders neutral“ zu sein, immerhin sei die Schule ein „sensibler Raum“, sagt sein Parteigenosse Gernot Blümel. Hier müssten auch die Lehrer mit einem Vorbild vorangehen – und eben kein Kopftuch tragen. Das Kreuz in der Klasse müsse aber hängen bleiben, so Blümel, weil das sei schließlich „historisch gewachsen“. Nach dem Interview mit Blümel in der ZIB2 wurde fleißig diskutiert, ob man das Kreuz im Klassenzimmer wirklich mit dem Kopftuch gleichsetzen darf. Letzteres könne immerhin ein „gesellschaftliches oder politisches Symbol“ sein. Also: Darf man das?

Natürlich darf man! Und es gibt vielerlei Gründe, wieso man gegen das Kopftuchverbot sein kann, aber gleichzeitig das Ende des Kreuzes im Klassenzimmer fordert. Dafür muss man übrigens gar kein Muslim sein oder sonst irgendwie an der Islamisierung des Abendlandes interessiert sein. Aber lest selbst.

Beides sind religiöse Symbole

Und das ist irgendwie aufgelegt, oder? Das Kreuz in der Klasse erinnert an das Christentum, das halt „historisch gewachsen“ die dominante Religion in Österreich ist.

Aber da Österreich kein Gottesstaat ist und zumindest offiziell säkular ist, darf das eigentlich keine Rolle spielen. Und so hat man Symbole gleich zu behandeln – entweder man verbietet beide, oder man erlaubt beide. Soweit die Theorie, aber dazu kommt etwas Wichtiges:

Das Kreuz ist ziemlich egal

Und das können sicher viele Schüler bestätigen. Die meisten sind Christen, aber die wenigsten nehmen das mit der Religion noch wirklich ernst. Es ist halt so, dass einem von Geburt an der Fantasiefreund der Eltern mitgegeben wird, und den trägt man dann irgendwie als einen eher weniger wichtigen Teil seiner Identität mit. Es mag die Schüler geben, denen das Kreuz in der Klasse wichtig ist – aber zuerst mal ist es da. Muss es da sein. Das ist Zwang.

Glaubenssymbole basieren auf Freiwilligkeit, das Kreuz in der Klasse auf Zwang

Und da ist der Unterschied. Diskutiert wird nämlich ein Verbot. Um die Analogie zwischen Kreuz und Kopftuch komplett zu machen, müsste man auf der Gegenseite von einem Verbot dieser schicken Jesus-Halsketten ausgehen, wenn er den Kindern so wichtig wäre.

Auf der einen Seite zwingt man Kindern – wie schon seit ihrer Geburt, quasi – einen Gott auf, den sie selbst vermutlich noch gar nicht so richtig gewählt haben. Auf der anderen Seite streicht man den anderen das Recht, ihren selbst gewählten Glauben auch zeigen zu können. Seht ihr langsam, warum das nicht dasselbe ist?

Säkularität bedeutet, neutral zu sein

Außerdem ist interessant, warum Kurz und Blümel trotzdem so auf das Kopftuchverbot beharren: Lehrpersonen müssten doch Vorbilder für die Kinder sein. Impliziter Nebensatz: Und das sind Muslime halt nicht. Muslime ist gleich Islamismus ist gleich Terror, so kommt es mir vor. Das Christentum beobachtet man bei der ÖVP allerdings nicht so skeptisch: Das ist immerhin gut, und war schon immer so, Kreuzzüge und Inquisition aside.

Die Aufgabe eines Staates ist es nicht, zu entscheiden, welche Religion gut und welche böse ist, oder welche man bevorzugen darf. Das machen Gottesstaaten so. Und dieses dunkle Zeitalter haben wir hoffentlich hinter uns gelassen.

Pixabay/Makunin

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