Manderl, Weiberl, Pograpscher - auch das geht vorbei

Wenn ihr euch das nächste Mal über Gabalier und Co. aufregt, denkt daran – das geht vorbei. Eine Gesellschaft wird nämlich klüger.

Es ist fast schon symptomatisch. Während in Kenia mehr als 100 Menschen einem Anschlag der al-Shabaab sterben mussten, diskutiert man in Österreich über Gabalier, Pograpsch-Paragraphen und Jesus-Witze zu Ostern. Wie in meinem letzten Blogbeitrag schon erwähnt spreche ich niemandem ab, sich für andere Themen zu interessieren. Aber bei Diskussionen darüber, wieso ich mich gerade mit Kenia beschäftige und nicht mit Reichsrockern, bin ich zu einer erstaunlich positiven Aussicht gelangt.

Ein kurzer Exkurs, um die einzelnen Debatten zu verstehen.

  • Andreas Gabalier, der „Volks Rock-n-Roller“, hat mal wieder mit fragwürdigen Aussagen auf sich aufmerksam gemacht. Nachdem er schon mehrere Male sein etwas konservatives Weltbild preisgab – er ist halt ein „Bergbua“ –, behauptete er bei der Verleihung des Amadeus Awards, es sei nicht leicht, wenn man „als Manderl auf ein Weiberl“ stehe. Im „Krone“-Interview meinte er dann apologetisch, er habe nichts gegen Schwule. Er kenne sogar drei. Im selben Interview bezeichnete er Conchita Wurst als „Wesen“. Auch bezeichnend.
  • Der Nationalratsabgeordnete Marcus Franz vom Team Stronach regte mit Aussagen rund um den „Pograpsch-Paragraphen“ auf. Pograpscher hätten schon zur Hochzeit geführt – bei ihm zum Beispiel. „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun gestraft“ twittert Franz weiter. Hintergrund ist übrigens ein Gesetz, das einerseits sexueller Belästigung einen Riegel vorschieben soll, andererseits (so die Kritiker) einen Pauschalverdacht gegen Männer schüren würde.
  • Selbiger war auch involviert in eine Debatte über social media, ausgelöst durch einen eher geschmacklosen Jesus-Witz zu Ostern. In weiterer Folge ging es darum, ob man überhaupt solche Witze zu Ostern machen dürfe – man könne sie nämlich laut § 188 StGB („Herabwürdigung religiöser Lehren“) klagen. Auch hier war u. a. Franz wieder involviert und stellte die Frage, warum Atheisten überhaupt zu Ostern frei hätten. Meine Lieblingsantwort war „weil Sonntag ist?

Solche Dinge interessieren die Leute um mich herum, während ich nach Kenia schaue. Kenia hat zusammen mit einigen anderen Staaten militärisch in Somalia eingegriffen, nachdem dieser failed state die Kontrolle über die al-Shabaab-Miliz verloren hat. Diese sind im selben Lager einzuordnen wie der IS, Al Qaida und Boko Haram – sie töten mit demselben ideologischen Hintergrund wie die Attentäter von Charlie Hebdo. Aber hier ging es scheinbar nicht um Meinungsfreiheit, sondern „nur“ um irgendwelche Studenten in Kenia. An Schrecken steht das Attentat auf eine Universität in Kenia Paris jedoch in nichts nach.

Warum ich nun vorhin über die Dinge geschrieben habe, die mir weniger wichtig als Kenia sind? Erstens scheint es euch zu interessieren. Und zweitens möchte ich sie streifen, um einen gewissen Punkt zu machen: Das ist alles nur ein kurzer Moment in der Gesellschaft.

Marcus Franz und Andreas Gabalier mögen konservative Ansichten haben. Die gefallen nicht jedem – mir auch nicht. Oft kommt der Einwand: „Wer Toleranz predigt, muss eben auch sowas tolerieren“. Das heißt aber nicht, dass wir alles gut finden müssen. Kritik über innenpolitische Aufreger – auch, wenn sie von Sängern kommen – ist selten fehl am Platz. Aber wieso müssen wir uns über Sänger aufregen?

Wichtig ist, sich dabei vor Augen zu halten, dass sich eine Gesellschaft ändert.

Ich weiß noch, als ich klein war und gehört habe, was im Zweiten Weltkrieg abgelaufen war. Für mich war es surreal zu hören, dass vor nicht allzu langer Zeit Menschen in Europa wegen ihrer Religion ermordet wurden. Später wurde mir klar, dass auch mein eigener Opa ein Nazi war – nicht im Krieg, wohlgemerkt, aber mit gleichem Gedankengut. Gut, dass davon nichts auf mich und meine Familie übergegangen ist. Die Gesellschaft hat sich einfach verändert.

Und genauso wird das mit den Ansichten von Gabalier und Franz passieren.

Ich freue mich auf die Zeit, wo meine Kinder mich ungläubig anschauen werden, wenn ich ihnen erzähle, dass es in meiner Jugend immer noch Menschen gab, die Frauen in der Küche sehen wollten. Meinen Kindern wird es nicht in den Sinn kommen, im Berufsalltag zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden. Es wird ihnen absurd vorkommen, welche Geschlechterrollen heutzutage immer noch teilweise akzeptiert sind und gepflegt werden.

Ich spreche niemandem seine Meinung ab. Aber manche halte ich einfach für veraltet. Das sehen viele so, aber längst noch nicht alle. Nicht nur traditionelle Geschlechtsvorstellungen – auch die allgegenwärtige Hetze gegen Migranten und Bettler (ich bin gerade in Salzburg und habe eine beliebte Tageszeitung vor mir – das ist unpackbar) wird irgendwann genau im selben gesellschaftlichen Eck landen wie Antisemitismus. Der gesellschaftliche Fortschritt ist nicht aufzuhalten.

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Silvia Jelincic

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