Lieber Opi,

neulich beim Aufräumen habe ich einen Brief gefunden, den du an mich, den Wikingerhäuptling geschrieben hast. Wir hatten Spielzeug bei euch in Frankfurt/Oder vergessen. Das war für dich ein toller Anlass deine Phantasie auszulassen.

Denn leider waren die Flusselfen durch unsere Schusseligkeit nicht mehr in der Lage am Staudamm weiter zu bauen und auch die Oderfeen waren nicht begeistert. Glücklicherweise hast du uns die fehlenden Teile schnell zugeschickt. So konnten alle wieder dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.

Ich habe deinen Brief gleich mehrmals gelesen und mich an all die schönen Erlebnisse mit dir erinnert. Du warst schon ein lieber Kerl, mit vielen Ideen, Phantasie, einer enormen Allgemeinbildung und einer ordentlichen Portion Humor.

Immer wenn ich mit Kuscheltieren Blödsinn mache, sie synchronisiere oder mit Pia (das ist deine Enkelin, du konntest sie leider nicht mehr kennenlernen) spiele, dann denke ich an Springi und Schrecki. Die beiden, Hase und Igel, haben uns in den Ferien durch dein Puppentheater jeden Abend in die Nacht begleitet. Inzwischen liegen sie in Omis Wohnung den ganzen Tag in der Ecke. Mit dem Erlöschen deines Lebens sind auch ihre Leben eingefroren und warten darauf wieder neu belebt zu werden.

Manchmal wünsche ich mir, dass du für einen oder ach, am besten gleich mehrere Tage zurückkommen könntest. Obwohl dein natürlicher Tod nun schon über 14 Jahre her ist, gibt es noch so viele Dinge, die ich dich fragen wollte. Ach Mensch, wir waren doch noch so klein, als du für immer gegangen bist.

Ich würde dir gerne so vieles zeigen wollen. Papa und Kevin haben inzwischen eine eigene Autowerkstatt und schrauben dort den ganzen Tag gemeinsam. Durch ihre ehrliche und sympathische Art könnte die Auftragslage kaum besser sein. Es macht ihnen richtig Spaß, das merkt man. Aber manchmal übernehmen sie sich auch ein bisschen. Da wäre es gut, wenn du da wärst und sie etwas runterholen könntest.

Mama macht an Weihnachten inzwischen immer herrliche Dips, die wohl selbst deine Kreationen übertreffen würden. Aber du hattest ja auch keine Zeit mehr deine Rezepte im Kochduell zu verteidigen. Dein drittes Enkelkind kann ganz wunderbar Klavier spielen, verschlingt mit nur 10 Jahren ein Buch nach dem anderen und ist wohl ehrgeiziger als jeder in der Familie. Nur verlieren kann sie nicht. Das müsstest du mal sehen. Aber da nehmen Pia und ich uns nicht viel.

Ich war in diesem Jahr viele Monate auf Reisen und konnte mit einigen Projekten den Menschen auch etwas zurückgeben. Das hat mich glücklich gemacht, würde mich aber noch glücklicher machen, wenn ich dir davon persönlich erzählen könnte. Und ich bin mir sicher, dass du auch den einen oder anderen wertvollen Tipp für mich parat hättest.

Ach ja und auch sonst ist viel passiert in unserer Welt. Dein kleines Taschenradio nutzt Omi zwar immer noch aber inzwischen kann man mit dem Mobiltelefon über das Internet alle Radiosender der Welt empfangen. Die verdammt kleinen Telefone leisten inzwischen mehr als ein Computer, der im Jahr 2000 noch ein halbes Zimmer gefüllt hat und lassen sich direkt über das Farbdisplay steuern. Außerdem kann ich mir Hilfe einer kleinen Chipkarte eines von tausenden Fahrzeugen in deutschen Großstädten minutenweise leihen. Ein eigenes Auto wird damit immer mehr überflüssig. Spätestens jetzt wärst du also in der Lage gewesen ein Mal im Leben einen BMW zu fahren. Aber diesen Traum konntest du dir ja Gott sei Dank auch damals schon erfüllen. Wo wir gerade beim Thema Autos sind: Papas Auto parkt von ganz alleine auch in den kleinsten Parklücken ein. Echt beeindruckend. Das müsstest du mal sehen.

Mal abgesehen von den technischen Innovationen des 21. Jahrhunderts, bin ich mir manchmal nicht sicher, ob die Menschen weiter zusammenrücken oder sich weiter voneinander entfernen. Krieg, Terror und Schrecken gibt es nach wie vor. Aber wir glauben weiterhin an das Gute im Menschen. Das hast du uns ja gelehrt.

Und wenn ich jetzt diese Zeilen runterschreibe, dann bin ich mir sogar richtig sicher, dass du näher bei uns bist, als ich bis eben noch dachte und ich dir gar nicht weiter erzählen muss, dass wir an Weihnachten Kumquats zu deinem Gedenken gegessen haben.

Mach´s gut da oben und schick bei Gelegenheit mal wieder ein paar Erinnerungen runter.

Dein Steven

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Petra vom Frankenwald

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