Man ist sich einig darüber, dass viel Porzellan zerbrochen wurde und dass Jahrzehnte der Integrationsarbeit des DFB ohne ein Wimperzucken zunichte gemacht wurden. Soviel ist klar: Irgendjemand trägt die 100 %ige Schuld dafür. Nur wer - das ist eine Frage des Standpunktes. Für die Einen ist es Özil, unterstützt und beklatscht von Erdogan und der türkischen Regierung, für die Anderen das angeblich rassistische Deutschland.

Özil hat unzweifelhaft großes Talent. Doch was war neben Talent, Fleiß und Verzicht auf Vieles außerdem nötig, diese Karriere hinzulegen und Multimillionär zu werden? Waren für diesen Erfolgsweg nicht auch die richtigen Bedingungen nötig, die ihm Deutschland geboten hat? Etwa sein Schulbesuch, sein Verein, seine Sponsoren und seine deutschen Fans?

Eine respektlosere Aussage als die Erklärung Özils habe ich noch nie gehört. Seinen Rücktritt mit Rassismus und Respektlosigkeit zu begründen, das nenne ich zutiefst undankbar und maßlos unfair! Das ist ein Schlag ins Gesicht eines weltoffenen Deutschland, in dem Millionen Türken und andere Migranten leben, und eine Ohrfeige für ein Land, das hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat.

Wenn aber Deutschland wirklich so rassistisch wäre, wie von Özil, vielen Anderen und der Türkei behauptet wird, hätte er diese Karriere niemals machen können. Fällt dieser Widerspruch denn niemandem auf?

Özil soll nachdenken, was er Deutschland zu verdanken hat!

Die Linke stimmt leider reflexartig in das Gejammer und Geheul von gescheiteter Integration mit ein und sieht den Grund dafür vor allem darin, dass die meisten Deutschen unwillig, fremdenfeindlich und rassistisch sind. Und das einstimmig im Chor mit Erdoğan, der hinter Özils Entscheidung steht und sie begrüßt. Die türkische Regierung hatte bereits zuvor den Rücktritt Özils gelobt - der Justizminister Abdulhamit Gül gar mit den Worten: Özil habe mit seinem Ausstieg ein „wunderschönes Tor gegen das Virus des Faschismus“ geschossen. Der Sportminister Mehmet Kasapoglu erklärte, die Regierung unterstütze „aufrichtig die ehrenhafte Haltung, die unser Bruder Özil gezeigt hat“. Die regierende AKP wertete den Umgang mit Özil als Zeichen für Rassismus in Europa.

Deutschland soll nachdenken, was es Özil angetan hat!

Wenn nun nicht einmal einer wie Özil, dem alles in Deutschland geboten und dem diese Karriere ermöglicht wurde, nichts mehr mit Deutschland zu tun haben will und sich beleidigt zurückzieht, dann ziehe ich, ehrlich gesagt, daraus folgenden Schluss:

Das Zusammenleben so verschiedener Kulturen funktioniert sehr oft wirklich nicht, nicht einmal in 3. Generation.

Man hat in dieser Angelegenheit von deutscher Seite nämlich vergessen, dass türkischstämmige Menschen nicht die allerleiseste Kritik vertragen. Und nun wurde die Regel Nummer 1 verletzt: Özil wurde kritisiert! Wegen der Hymne, die er nicht mitsingen wollte, wegen eines Fotos mit seinem Präsidenten im türkischen Wahlkampf und zuletzt wegen seiner vielleicht weniger umwerfenden Leistungen. Das war zu viel für den Türken in Özil und er schlussfolgerte: Kritik ist Beleidigung und Beleidigung ist Rassismus. Der (zu schwache?) Deutsche in ihm sagte ihm leider nicht, dass Kritik keine Beleidigung und Beleidigung nicht unbedingt Rassismus ist und widersprach nicht.

Fussball interessiert mich nicht und darum sollte es hier im Blogbeitrag nicht gehen. Aber Migration, Zuwanderung und all die Probleme, die sich im Zusammenhang mit kulturellen Unterschieden ergeben, interessieren mich seit langem. Leider ist mein Glaube an ein friedliches und buntes Zusammenleben mittlerweile sehr gedämpft. Wie dieser Fall, der inzwischen fast zu einer Staatskrise auszuarten droht, einmal mehr zeigt, prallen immer wieder völlig unterschiedliche Auffassungen und fremde Welten aufeinander. Dass nun Erdoğan und die türkische Regierung ihrem "Bruder" beistehen und zusätzlich Öl ins Feuer gießen, ist verständlich, aber für das friedliche Miteinander in Deutschland kontraproduktiv.

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