Heil Afri! Die deutsche Alternative

Afri-Cola gibt es seit den frühen dreißiger Jahren. Vom Marken-Image her war es ursprünglich eine biedere Hausmacher-Cola, billiger als Coca- oder Pepsi-Cola, aber ohne Pep. In den Sechziger machte sich dann der deutsche Kult-Werbephotograph Charles Wilp an den Trunk und verpaßte ihm ein Trendy-Hippie-Image: "Power-Flower-Pop-Op-Cola - alles ist in Afri-Cola". In den frühen Achtzigern brach dann die Neue Deutsche Welle herein. Afri-Cola hat damals auf merkwürdige Art und Weise drauf reagiert.

Ein Volk, ein Reich, ein Cola

Früher - Sie kennen das vieltausendjährige Sprich- und Scherzwort vermutlich - früher also, sagt man, war die Welt noch in Ordnung. Früher gab's noch das Wahre, Echte und Gute. Früher gab's noch keine Bogenschützen - sagten die ganz alten Altgriechen - da wurden die Speere noch von Hand geschleudert; da gab's noch eine echte Beziehung von Werfer und Beworfenem. Früher - meinten die Uraltägypter - zog der Bauer seinen Pflug noch selber über's Feld, ließ sich nicht von seinem Ochsen von der eigenen Scholle entfremden. Etc. pp.

Ja, früher...

Früher war alles einfach

Früher waren Deutschnationale noch mit wenigen Klischees leidlich treffend zu umschreiben:

1. Stiernackige Reitstiefelknechte (SS)

2. Schnarrende Monokelgutsherren (Reichswehr)

3. In den Staatsdienst übernommene Zuhälter (SA)

4. Von Siegfried träumende Registraturschreiber (NSDAP)

Früher waren die Argumente der Konsumwerbung noch in wenige Kategorien zu fassen:

1. Das Zeug ist einfach gut, es schmeckt, es funktioniert.

2. Man wird dich damit bewundern.

3. Dein Nachbar wird grün/blau/schwarz vor Neid werden

4. Die Weiber/Kerle werden nur so auf dich fliegen

Diese ebenso liebgewonnene wie treffende Erkenntnis wird man seit den früher achtziger Jahren um ein Wesentliches erweitern müssen; seit nämlich die Nju Wejf zur NEUEN DEUTSCHEN WELLE sich gemausert hat, den echt deutschen Kraut-Punk gekreiert hat.

Seit der Afri-Cola-Anzeige im SPIEGEL vom 16.05.1983 nämlich muß sowohl der Deutschnationalen-Katalog um

5. Susanne Sommer, 17

als auch die Liste der Werbebotschaften um

5. Das Zeug ist deutsch

erweitert werden.

Heute haben wir Afri-Cola

Besagte Susanne Sommer mit vorschriftsmäßig verwuseltem Haar blickt Dich aus großen, runden Augen an und meint:

"Ich, Susanne Sommer, 17, Steh' nun mal auf Made in Germany!"

Schief und mit labberrandiger Balkenschrift - wie es der Gute Neue-Deutsche-Welle-Ton dem artig Aufsässigen vorschreibt - springt der Spruch in Dein echt deutsches (hast' den Arier-Nachweis von Vater noch?) Konsumentenhirn.

Susanne Sommer fährt - mit gleichem Schiefe-Winkel - fort:

Gut, New York ist toll,

aber ich finde München besser.

Ich treffe mich lieber mit Fritz

in einer Schwabinger Kneipe als mit

irgendeinem Bob in einer Snack-Bar.

Bummle lieber über den Flohmarkt

als durch ein Shopping-Center.

Esse lieber Leberkäs

als Hamburgers und Hot-Dogs.

Und überhaupt: was sind schon Chips

gegen die Bratkartoffeln meiner Mutter!

Und was ist schon irgendeine Cola

gegen unser Afri.

Made in Germany

Im rechten unteren Anzeigenviertel dann - neben dem Bild einer fröhlich ejakulierenden Afri-Cola-Flasche - der markige Kern- und Schlußsatz dieser Werbebotschaft:

"Afri-Cola - die deutsche Alternative"

Was an dieser Anzeige auffällt ist das, was fehlt: die Produktpreisung. Mit keinem Wort, keiner Anspielung auch nur, behaupten die Anzeigengestalter, daß Afri-Cola irgendwie gut sei, geschweige: besonders toll den Rachen runterlaufe. Du wirst nicht sexy davon, ob Du's nun säufst oder Dir in's Haar schmierst, kein Schwein wird dich beneiden, wenn es Dich mit Afri am Hals ertappt. Nichts wird dir verheißen, außer:

Diese Botschaft aber wird vermittelt auf raffinierte Weise, in wohldosierter Steigerung. Der Textblock beginnt mit einer Preisung ausländischer - hier immer: US-amerikanischer - Lebensart: "New York ist toll"; die folgende Höherschätzung heimischen Way of Life's ist absolut fair. Daß sie lieber Leberkäs frißt als Hamburgers ist ihre freie Konsumentscheidung. Schon der Fritz aber ist nicht dem Bob positiv gegenübergestellt, sondern irgendeinem Bob. Der liebevoll handgefickte Fritz gegen die Massenvögelware Bob. Die Abgrenzung steigert sich noch durch die Formulierung "was ist schon...". Da ist nix mehr von wegen Höherschätzen des Besseren im Vergleich zum Guten. Da wird der Vergleichsgegenstand schon zur Grauselware. Und steigert sich nochmal zum letzten, entscheidenden Show-Down: "Was ist schon... irgendeine... gegen unsere..."

Als hätten es irgendwelche wilden Völker gewagt, das urdeutsche Nationalgetränk "Cola" zu entarisieren. Viele Nachkriegsjahrzehnte lang haben wir ahnungslosen, umerzogenen Yankee-Germanen dann irgendein Coca/Pepsi-Cola geschlürft, haben den nationalen Erlösungssaft Afri-Cola auch bloß gesoffen, wenn der Wirt wirklich nichts anderes da hatte. In nationalmasochistischer Manier haben wir Hot-Dogs gefuttert, statt uns einen deftig-teutonischen Wotan-Burger reinzuschieben.

Es ist dies eine Geschichte, wie sie sich der wirrste, verwegenste Fantasy-Schreiber nicht auszudenken wagt. Da entwerfen Werbeleute, die nicht nur ihre gesamte Fachsprache, sondern auch die Sache "Werbung" selbst vollständig aus den USA übernommen haben, eine Anzeige, in welcher das Symbol des american way of life überhaupt, zum urgermanischen Über-Saft ausgerufen werden soll.

Ich jedenfalls werde bei passender Gegebenheit im nächstgelegenen Shopping-Center die Snack-Bar aufsuchen und mir dort einen Solidaritäts-Hamburger einziehen, kräftig mit COKE nachspülen.

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Iris123

Iris123 bewertete diesen Eintrag 29.01.2018 09:12:07

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