Das Existenzrecht Deutschlands oder Welcher Antisemitismus solls denn diesmal sein?

Vor Synagogen wurden Israelflaggen verbrannt, Steine geworfen, antisemitische Parolen gebrüllt und beinahe wäre es angesichts dieses sich manifestierenden Antisemitismus‘ zu einer massiven Verunsicherung gekommen, hätte es nicht Berichte gegeben, die Antisemiten würden „arabisch aussehen“, wären also Menschen gewesen, von denen man mit einiger Berechtigung hoffen durfte, sie seien nicht Teil dessen, was sich hierzulande als „Mehrheitsgesellschaft“ begreift und eben alles andere als „arabisch“ aussieht. Das deutsche Lügenmärchen, dass Antisemitismus etwas sei, das spätestens ab 1945 nur noch von außen komme, konnte also weitererzählt werden, und die Schüsse, die ein nicht unbedingt arabisch aussehender Unbekannter vor ein paar Wochen auf die Synagoge in Bochum abgab, blieben diesmal unerwähnt. Im neurechten Blog „Achse des Guten“ verwies dann auch ein Autor auf diese Ausschreitungen, um gleichzeitig den Vertreter der AfD in der CDU, Hans-Georg Maaßen, gegen den Vorwurf in Schutz zu nehmen, er verbreite antisemitische Inhalte, so als würden jene die permanenten Entgleisungen des ehemaligen Chefs des Inlandsgeheimdienstes, der es sich nicht nehmen lässt, von „Globalisten“ zu raunen, irgendwie besser machen. Und während die Springer-Presse, der publizistische Arm der antisemitischen Querdenkerszene, mit voller Berechtigung die Leistungen der israelischen Armee lobt, die das macht, wozu eine Armee da sein sollte, nämlich das Leben der Bevölkerung gegen terroristische Gewalt zu schützen, werden die Leser der Rubrik „Geschichte“ in Nazi-Sprache mit einem Artikel über den „berüchtigten Morgenthau-Plan“ gelockt, dessen einziger Mangel darin besteht, dass er nicht weiter verfolgt wurde. Mit großer Emphase warf man sich zudem auf einen dämlichen Tweet der sich offenbar langweilenden Greta Thunberg, in der stillen Hoffnung, man erledige damit das ganze Klimagedöns gleich mit und könne dann sein Restleben lang den SUV durch die Gegend fahren.

Fehlt noch was? Ach ja, relativ neu ist der Impfgegner-Antisemitismus, der den Verdacht hegt, bei den großen Erfolgen des kleinen Landes gegen Corona könne es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, ich zitiere aus einem Leserkommentar zu einem Artikel des in Israel lebenden Autors Chaim Noll: „Was haben Sie mit Ihrer „Freiwilligkeit“ zu einer Genmanipulation namens Impfung den(n) selbst beigetragen? Sie haben eine Massenbewegung unterstützt, die sich jetzt den Kindern zuwendet. (…) Vor unseren Augen werden Menschen in potenzielle Lebensgefahr gespritzt, FÜR EINE ERKÄLTUNGSKRANKHEIT (…). Diese Kinder verbrennen nicht sofort, werden auch nicht vor unseren Augen abgeschlachtet. (…) Zahlenmäßig sind diese Grausamkeiten im Unterschied zu den „vergangenen Zeiten“ auch nicht kleiner.“ Juden als Kindermörder, Relativierung des deutschen Menschheitsverbrechens – der Eindruck, dass sich das, was einmal „Gesellschaft“ hieß, auflöst in eine Vielzahl gnadenlos irrer Monaden, verstärkt sich.

Was also tun? „Antisemitische, gewaltbereite Ausländer/Migranten konsequent abschieben“, wie ich in dutzenden Kommentaren las? Gerne, nur sollte man „Ausländer/Migranten“ streichen. Für das Existenzrecht Israels eintreten? Selbstverständlich. Über das Existenzrecht Deutschlands dagegen lasse ich gerne mit mir verhandeln.

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Charley

Charley bewertete diesen Eintrag 13.05.2021 14:20:11

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