Am Freitag ist sie das Opfer einer Kampagne geworden, einer Kampagne katholischer Klerikalfaschos („Lebensschützer“), an deren Spitze sich Julian Reichelt, dessen eigenwillige Interpretation des Rechts junger Frauen auf sexuelle Selbstbestimmung zu seinem Rauswurf bei Bild geführt haben soll, setzte: Frauke Brosius-Gersdorf, eine Juristin, die sich mit differenzierten, aber nie verfassungsfeindlichen Äußerungen zu juristischen Fragestellungen einen Namen gemacht hat. Da sie allerdings eine Reform des Abtreibungsrechts befürwortet, ist sie ins Visier religiöser Extremisten geraten, die Frauen immer noch verbieten wollen, über ihren Körper zu verfügen. Neben der unvermeidlichen Beatrix von Storch, die das ungeborene Leben schützen, auf das geborene aber, wenn es in Gestalt von Geflüchteten an der Grenze auftaucht, schießen lassen will, tat sich auch der kölner Kardinal Woelki hervor, den „welt.de“ zitierte: Er forderte „ein unmissverständliches Bekenntnis zur unverlierbaren und unter allen Umständen zu schützenden Würde jedes Menschen“ – ein starkes Statement Woelkis, der sich ansonsten dadurch hervortut, dass er die Würde katholischer Priester, die sich Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt sehen, sehr hoch einschätzt, höher sogar als die ihrer Opfer. So richtig drive kam aber erst in die Sache, als der schmuddelige Reichelt auf den Plan trat und von einer „Richterin des Grauens“ schrieb, die einen „linken, lebensfeindlichen Todeskult“ betreibe. Ein Link führte zu einer Lebensschützerseite, die dazu aufforderte, den örtlichen CDU-Bundestagskandidaten anzuschreiben. Stolz berichtete die Seite dann von über 38.000 Mails, die geschickt worden seien. Nius legte nach und berichtete von Kritik an Merz aus dessen sauerländer Homebase: Nicht nur gebe es kritische Stimmen aus den Weltstädten Schmallenberg und Bödefeld, auch ein Mönch einer Abtei in Meschede halte die Entscheidung, die Wahl von Brosius-Gersdorf zu unterstützen, für falsch. Jürgen Elsässers immer noch nicht verbotenes Magazin„compact“ stieg ein und brandmarkte das Vorhaben von Merz mit einem Epitheton, das in diesen Kreisen normalerweise dem finsteren jüdischen Strippenzieher Soros vorbehalten bleibt: „Satanisch“. Auch die AfD, deren Verbot Brosius-Gersdorf durchaus für möglich und machbar hält, schrieb von einer „linken Ideologin“ und einem „eklatanten Skandal“, und der Komiker Achim Winter, der es bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zu Prominenz und Reichtum gebracht hat, nannte im „Alternativmedium“ „Kontrafunk“ die Juristin eine „Kampfhenne mit Doppelnamen“.

Diese nur unvollständig aufgeführte Sammlung unappetitlicher rechter Pöbeleien könnte man eigentlich ignorieren, hätte sie nicht den Effekt gehabt, dass Abgeordnete der CDU-Fraktion, deren Vertreter im Wahlausschuss noch für die insgesamt drei Neubesetzungen gestimmt hatten, in der Bundestagssitzung von der Fraktionslinie abwichen und im Verbund mit der AfD gegen sie stimmten, was wiederum bewies, dass Jens Spahn als Fraktionsvorsitzender noch viel lernen muss, ein Eindruck, an dem auch ein ebenso plump wie verspätet lancierter Plagiatsvorwurf wenig änderte.

Weitaus fataler ist, dass die Abgeordneten sich dem Druck der „Alternativmedien“ (wobei es sich meist um von rechten Oligarchen finanzierte Propagandaportale handelt) beugten, weshalb der Nius-Redakteur Karon vom „Triumph der digitalen Gegenöffentlichkeit“ schwärmte. Doch auch aus den Redaktionsstuben der traditionellen Qualitätsmedien vernahm man Stimmen, die den Fall mit jener unsachlichen Dämonisierung behandelten, die man eher von „Nius“ gewohnt ist: Ulf Poschardt schrieb in der „Welt“, Frau Brosius-Gersdorf wirke „fast wie eine Karikatur“ einer „linksaktivistischen Funktionärskaste“, Jan Fleischhauer befand im „focus“, sie erfülle „jedes Klischee der Aktivistin (...), bis hin zum SPD-Doppelnamen.“ Den Herren ist anscheinend nichts zu peinlich, vor allem nicht das Nachplappern der Phrasen von Reichelt und Winter. Die Bereitwilligkeit der vermeintlich Konservativen, die fragilen Reste der Brandmauer einzureißen, wird einmal mehr erkennbar, als sei die AfD nicht der parlamentarische Arm Schnellrodas, sondern eine konservative Partei wie andere auch. Es ist an der Zeit, den überall plärrenden Faschos und ihren pöbelnden „Alternativmedien“ aufzuzeigen, dass sie nur ein Fünftel der Wählerschaft vertreten. Und die CDU sollte man daran erinnern, dass der konservative Koalitionspartner der Nazis ein halbes Jahr, nachdem Hitler Kanzler geworden war, nicht mehr existierte.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 13.07.2025 23:41:55

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