Deutschland hat die Energiewende erfunden, folglich zahlt Deutschland auch dafür. Österreich profitiert davon, doch manche Stromlieferanten suggerieren hierzulande immer noch, Strom habe kein Mascherl. Ganz im Gegenteil.
Wenige Tage nach Fukushima hat Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel die Wende der Wende vollzogen. Während die Ostdeutschen Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg mit dem Ende der DDR abgeschaltet wurden, dauerte es in Westdeutschland bis 2003, bis der erste Atomreaktor in Stade vom Netz genommen wurde. Im Atomkonsens vom Juni 2000 setzte die Rot-Grüne Regierung erstmals Ablaufdaten für die bestehenden Atommeiler fest. Am 28. Oktober 2010 durften die Atomlobbyisten feiern: der Bundestag beschloss eine Laufzeitverlängerung um acht bis zehn Jahre. Doch genau drei Tage nach Fukushima, am 14. März 2011, beschloss das Kabinett Merkel den vorzeitigen Ausstieg. Noch im selben Jahr wurden acht Meiler heruntergefahren, im Juni dieses Jahres sang und klanglos ein weiterer. Bis 2022 werden die verbliebenen acht Reaktoren abgedreht. Der Kanzlerin hat´s nicht geschadet, aber das ist eine andere Geschichte.
Atomstromfinale 2022
Deutschland ist 2022 endlich so weit wie Österreich schon seit 1978 – in Bezug auf Atomstrom. In Bezug auf die Energiewende sind die Österreicher Trittbrettfahrer der Deutschen meint der Ökostrompionier und Energieberater Ulfert Höhne: „Alle Stromverbraucher in Österreich profitieren wesentlich von den EEG-induzierten geringen Preisen der Strombörse, sind also geradezu unverschämte Trittbrettfahrer der deutschen Endverbraucher, die mit der EEG-Umlage das Börsepreis-Delta zahlen.“ Die Polemik in Zahlen gefasst: 2013 betrug der Ökostromzuschlag für einen durchschnittlichen österreichischen Haushalt 83 Euro, in Deutschland 260 Euro. Das Erneuerbare Energie Gesetz (EEG) garantiert den Wind-, Biogas- und Sonnenstromproduzenten Deutschlands langfristige Garantiepreise. Aufgrund der aktuellen Überkapazitäten exportiert Deutschland über die Strombörse zu niedrigen Preisen, die Differenz zum Garantiepreis zahlt jeder deutsche Haushalt mit seinem Ökostromzuschlag, der in Deutschland EEG-Umlage heißt.
Kontraproduktion Kohle
Weit weg von der digitalen Zukunft und noch weiter weg von der Energiewende sind die Kohlekraftwerke, die immer noch knapp 50 Prozent von Deutschlands Stromproduktion ausmachen. Und dabei auch noch hoch subventioniert werden. 1,22 Milliarden Euro an Subventionen fließen in den Steinkohlebergbau, bis 2018 hat die EU diese Geldflüsse genehmigt. Natürlich sieht sich die Gewerkschaft berufen, Arbeitsplätze zu retten. Dabei geht es gerade mal um 25.000 Bergleute in fünf Zechen im Ruhrgebiet. Angesichts der aktuell niedrigsten Arbeitslosigkeit in Deutschland wäre ein schnellerer Ausstieg wohl verkraftbar.
Die Betreiber von Braunkohlekraftwerken haben lange den Mythos gepredigt ohne Subventionen auszukommen. Namhafte Vertreter konzedieren aber mittlerweile, dass sie zumindest indirekt durch die Befreiung von der EEG-Umlage subventioniert werden. Erst kürzlich schrieb „Die Zeit“ unter dem Titel „Deutschland baut sich ab“ eine „Chronik der Verwüstung“, die der Braunkohlebergbau in Deutschland immer noch hinterlässt. Über 2.400 km², das entspricht der vierfachen Fläche des Bodensees, sind von Braunkohletagebauten betroffen. „Wo die Bagger sich in die Flöze fressen, müssen die Menschen weichen. 313 Siedlungen sind seit 1924 in Ost- und Westdeutschland weggebaggert worden. ... 2017 soll der Dom von Immerath, ein Meisterwerk der rheinischen Neuromanik, in die Luft gejagt werden“, berichtet „Die Zeit“.
Die Gewerkschaft kämpft um 16.000 Beschäftigte im Braunkohleabbau. Zusammen mit den Steinkohle-Kumpels würden bei Einstellung der Kohleförderung in Deutschland weniger Arbeitsplätze verloren gehen, als die monatlichen Schwankungen der Arbeitslosenquote. Die liegt derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 24 Jahren. Für die 2,71 Millionen Betroffenen, die einen Job suchen, wohl nur ein schwacher Trost. Für die möglichen Verluste von Bergwerksjobs aber zumindest ein Hoffnungsschimmer.
Mehr dazu und die Moral von der Geschichte siehe: http://thurnhofer.cc/communication/usp/wirtschaftsethik/463-strom-hat-viele-mascherl