Ich hatte einen Traum: ich träumte, alle Tiere hätten Rechte, alle Tiere wären schützenswert. Kein Artensterben, keine Schlachthofmassaker, keine Massentierhaltung, keine Tiertransporte quer durch die Welt. Ich träumte von geschlossenen Todeszwingern und von arbeitslosen Tierschützern. Von harten Strafen gegen Tierquälerei, Zoophilie und Tiermessies, von einem weltweiten Verbot der Großtierjagd, der Gatterjagd, der Abschaffung der Tierversuche und dem Verbot der Käfighaltung, der Zwangsstände, der Mastbetriebe sowie der Befreiung aller Tiere, die in Zoos oder Tierhandlungen vor sich hin vegetieren. Von einem Verbot des Hundewelpenhandels, von der Abschaffung diverser TV-Tierserien, wo Hundeflüsterer und selbsternannte Wunderheiler Quälereien verbreiten und von einem verpflichteten Hundeführerschein für alle Menschen, die sich erst als geeignet für die Haltung eines Hundes zeigen müssten. Von einer parteiunabhängigen Tierschutzpolizei, einem weltweit gleichen Tierschutzgesetz und von einer heilen schönen Welt, auf der es alle Lebewesen gut haben. Von guten Menschen, einer heilen Welt, von Frieden und Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung aller Lebewesen auf dieser Erde. Von Mutter Erde, einem Garten Eden gleich, wie Atlantis, ein Planet des Friedens.

Dann bin ich aufgewacht.

Ich fand mich wieder, müde von all dem Elend ringsherum, im 21. Jahrhundert, das mehr denn je Rückschritt statt Fortschritt bedeutet. Ich fand mich zwischen Blutlachen geschächteter Tiere mitten in Österreich, zwischen verendeten Tieropfern und kalten, profitgierigen Menschen. Menschen, denen alles egal ist, nur ihr eigenes Wohl nicht. Tiere sind weltweit weniger wert als je zuvor, sie sind Massenware, manchmal zählt nur der Kilopreis, den sie lebend oder tot wiegen oder sie sind völlig wertlos, wenn sie beispielsweise vor dem Schächten betäubt wurden.

Wir leben in einer Zeit, in der Tiere uns nie zufriedenstellen können, egal was sie tun, in der man für Hunde und Katzen nicht mal mehr das Auto bremst, in der uns Tonnen von Fleisch nie satt genug machen und die Gier nach mehr, egal wovon und egal um welchen Preis, überwiegt.

Dass es anscheinend schon immer so war, zeigt uns ein Zeitsprung in die Vergangenheit, wo wir einen der ersten Tierschützer in der Geschichte überhaupt treffen: Franz von Assisi, der die Gleichheit von Mensch und Tier erwähnte. Sein Statement war im 12. Jahrhundert mehr als ketzerisch, denn Kirche und Tierschutz waren damals schlichtweg unvereinbar.

Als Franziskus sprach "Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir, alle Geschöpfe streben nach Glück wie wir. Alle Geschöpfe der Erde lieben, leiden und sterben wie wir, also sind sie uns gleich gestellte Werke des allmächtigen Schöpfers - unsere Brüder.", kam dies damals fast einem Todesurteil auf dem Scheiterhaufen gleich, sah doch die Kirche solch frevelnde Worte gar nicht als harmlos an. Im Namen der Kirche dürfe man Tieren »nicht die Liebe zuwenden, die einzig Menschen gebührt«. Man ließ ihn dennoch am Leben und Franziskus starb friedlich am Abend des 3. Oktober 1226, darum feiert die Welt am 4. Oktober ihm zu Ehren den Welttierschutztag. Letztendlich wurde er sogar 1228 durch Papst Gregor IX heiliggesprochen.

Ein Widerspruch? Denn der katholischen Kirche gefiel es anno dazumal gar nicht, dass man für Tiere eintrat. Es gab Berufsverbot für vegetarische Priester, schon 314 wurde per Dekret erlassen »dass die, die in der Geistlichkeit Priester und Diakonen waren und sich des Fleisches enthielten, es kosten sollten und so, wenn sie wollten, sich selbst besiegten, wenn sie aber Abscheu zeigten, nicht einmal das mit Fleisch vermischte Gemüse zu essen, sie aus dem Amte zu entfernen« wären. Und dann spricht man den Ketzer Franziskus von damals auch noch heilig.

Papst Johannes Paul II. rechtfertigte in seiner Amtszeit Tierversuche damit, dass „Tiere ja zum Zweck für Menschen erschaffen wurden.“

Das neue Oberhaupt der Katholiken, Jorge Kardinal Bergoglio, nannte sich 2013 Franziskus und will getreu seinem Vorbild mit so wenig Luxus und Geld leben wie möglich. Und die Tiere?

Der Welttierschutztag bietet sich an, Bilanz zu ziehen, was bisher geschah für die Schwächsten auf diesem Planeten.

Nichts geschah. Immer noch 12. Jahrhundert. Nur dass wir uns nicht in die Zukunft bewegen, sondern zurück in die Steinzeit. Aug um Aug, Zahn um Zahn, Mammut und Keule schwingen, Tiere tot machen, egal wie, Menschen auch. Nur die Waffen haben sich geändert: Atombombe und Gewehr statt Stein, Stecken und Faust. Die Mentalität ist gleich geblieben, der Respekt vor der Natur und den Mitgeschöpfen hingegen gesunken. Ein Leben ist nichts wert. Ist schon ein Menschenleben nichts wert, ist ein Tierleben erst recht nichts wert. Wo führt das hin? Vernichten wir uns gerade selbst? Die Polkappen schmelzen, die Eisbären verhungern, die wenigen, die nicht verhungern, werden abgeschossen.

Nicht einmal in dem kleinen Österreich, wo man seit einem halben Jahr vergeblich versucht einen Bundespräsidenten zu wählen, ist es möglich, ein einheitliches Tierschutzgesetz zu erlassen, das Tiere wirklich schützt und ihnen Rechte einräumt. Oder ihnen wenigstens zugesteht wie fühlende Lebewesen behandelt zu werden, nicht wie Küchengeräte oder Handtaschen. Ihnen Schmerzen zugesteht und Leidensfähigkeit, wenigstens das. Ein Paragraph, der wenigstens für einen schmerzlosen Abgang sorgt, oder für artgerechte Haltung, das richtige Futter und eine paar Schritte Bewegungsfreiheit oder Sonnenlicht oder das Kastrieren der Ferkel mit Betäubung. Keine Anbindehaltung, keine Legebatterien, keine Kastenstände der Sauen, kein Trennen der Kälber von ihren Müttern. Kein Cesar Millan für die Hunde.

Aber nein.

Im Oktober des Jahres 2016 befinden wir uns immer noch meilenweit von alldem entfernt davon. Der Name „Nutztiere“ spricht für sich: Tiere sind auch 2016 dazu da um benutzt zu werden. Wenn man sie nicht mehr braucht, wenn man sie ausgebeutet und missbraucht hat, werden sie als überzüchtete, mit Antibiotika oder Kortison vollgepumpte, versklavte, mit Säure enthornte, kastrierte oder als Gebär-, Fleisch- oder Milchproduzenten ausgediente zwangsbesamte Wegwerfprodukte entsorgt und kommen in den Müll. Fiaker fahren mitten im Hochsommer in der Stadt? Kein Thema in Wien. Schächten, Zirkustiere, Ponyreiten und Hundeausstellungen? Kein Problem.

Was sagt die Kirche dazu, die doch die Natur und die Tiere dem fortan „Heiligen“ Franziskus als Schirmherrn unterstellte?

Kirche und Tierschutz waren und sind weiterhin Gegensätze. Da wären noch andere fromme heilige Verbündete, beispielsweise der heilige Hubertus. Pfarrer segnen in Hubertusmessen frohgemut im Namen des Herrn tote Tiere und deren Mörder; und das obwohl Hubertus eigentlich der Patron des Wildes und nicht der Jäger ist. Priester und Pfarrer segnen Jäger, Jagd und die »Strecke« der getöteten Tiere, obwohl der heilige Hubertus der Jagd entsagte. Noch ein Widerspruch?

Die Kirche rechtfertigt bis heute Massentierhaltung, Tiertransporte, Schlachthöfe, Tierversuche und Jagd. Bis heute spricht man Tieren die unsterbliche Seele ab; die Kirche ist weiterhin gegen Tiere, obwohl der junge freundliche Mann mit dem Kreuz aus Nazareth die Tiere liebte und die damaligen Christen Vegetarier waren. Papst Franziskus jedoch nicht.

Katholische Tieropfer wohin das Auge blickt: zu Weihnachten sind es die Enten und Karpfen, zu Ostern die Lämmer, an Sankt Marin die Gänse.

Auch der heilige Martin musste dran glauben, dass die Gänse in seinem Namen hingerichtet werden, obwohl er bloß seinen Wollmantel teilte um einem Bettler zu helfen. Die Gänse schnatterten, um ihn vor Eindringlingen zu warnen, die Martin suchten, weil sie den Mönch zum Bischof machen wollten, was ihm gar nicht recht war. Martin ist Schutzpatron vieler Handwerksberufe, der Bettler, der Soldaten und der Haustiere. Leidtragende in der Geschichte sind die Gänse, die ihm zu Ehren gemästet, gestopft und geschlachtet werden. Um einem Patron der Haustiere zu huldigen?

Von September bis Jänner wird munter gejagt und gesegnet sowieso; als deutsche Jägerinnen und Jäger zum damaligen amtierenden Papst Benedikt nach Rom pilgerten, flötete er quer über den Petersplatz von der „Naturverbundenheit der Jäger im Dienst an der wunderbaren Schöpfung Gottes“. Im Ernst? Lobhudelei des Heiligen Stuhls an Tiermördern im Namen des Herrn?

Dazu ein Gott, der die Tiere angeblich unter die Herrschaft des Menschen gestellt hat, nachdem er sie für vogelfrei erklärte? Um sie „dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen.“? Der es gleichzeitig für unwürdig erklärte, für sie Geld auszugeben, das in erster Linie menschliche Not lindern sollte?

Ein Papst, der sich Franziskus nennt, müsste demnach nicht nur gesamten vatikanischen Reichtum verschenken, die Pforten der Gotteshäuser öffnen nicht um siebzehn Uhr ängstlich verschließen, er müsste Obdachlose, Flüchtlinge, Arme und Aussätzige aufnehmen, Tierfabriken und Todeszwinger sperren und nicht selbst frohgemut von silbernen Tellern gebratene Gänse schlemmen, während die halbe Welt verhungert und der Rest sich den Bauch vollschlägt und trotzdem nie genug bekommt.

Franz von Assisi war ein Freund der Tiere und der Natur. Und Papst Franziskus?

Im Juni 2016 schrieb der neue Papst "Laudato si", die erste Umweltenzyklika der Kirchengeschichte, in der er sich auch zum Umgang mit den Tieren äußerte. Nun, das war’s dann auch schon, noch schnell ein Foto für die Presse mit einem Lämmchen auf den Schultern des lächelnden Heiligen Vaters, und danach?

Nun könne man die Frage „Kommen die Tiere in den Himmel?“ eindeutig mit „Ja!“ beantworten hieß es aus dem Vatikan. Hallelujah.

Und weiter?

Was haben die Tiere davon, wenn sie nach irgendwelchen menschlichen Massakern in den Himmel kommen? Nichts! Gar nichts! Kämen sie ohnehin! Tiere sind immer unschuldig! Hier und jetzt muss sich was ändern, nicht nur fromme Sprüche abgelassen werden, die gar niemand etwas nützen, am wenigsten den Betroffenen. Fein, dass der neue Papst den Tieren ein Wohnrecht im Himmel verspricht. Nur leider nutzlos auf Erden, wo man sie weiter quält, weiter ausbeutet und weiter abknallt.

Das Oberhaupt der Katholischen Kirche verurteilt im Juni 2016 ganz klar unsere Wegwerfkultur. „Wir sollen einfacher leben und eine neue Wertschätzung entwickeln.“ Der Papst wird mit seinen Worten genau so wenig bewirken wie ein neuer Bundespräsident. Bewirken kann es jeder einzelne, indem dem er seine Lebensweise überdenkt. Was genau liegt in meiner Macht, um die Welt für Tiere besser zu machen? Was kann ich bewirken? Konsumenten haben die Macht zur Veränderung. Was niemand kauft, wird nicht mehr tonnenweise produziert und verschwindet vom Markt.

Denn Staatsoberhäupter und Kirchenoberhäupter wären zwar mächtig genug um Hilfe einzuläuten Allein sie denken nicht daran. Sie haben besseres zu tun; sie müssen repräsentativ durch die Weltgeschichte reisen und in Kameras lächeln, milde über Kinderköpfe streicheln und Flüchtlinge umarmen oder deren Füsse waschen, anschließend verschwinden sie wieder in Reichtum und Selbstherrlichkeit oder sie beten irgendwo für irgendwen bis zum Ende ihrer Tage oder bis zu ihrer Heiligsprechung. Vielleicht beten sie auch für die hungernden Kinder in Afrika oder sonst wo. Davon wurden die jedoch noch nie satt.

Franz von Assisi war ein Freund der Tiere und der Natur, „Dass mir mein Hund das Liebste sei, sagst du, oh Mensch, sei Sünde, doch mein Hund bleibt mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde.“ lässt sich heute mehr denn je nachvollziehen. Wenn ich mich so umschau auf der Welt kann ich diesen Worten getrost zustimmen.

Oder, um es mit Francis Worten zu sagen: „Herr, gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, das Unabänderliche zu ertragen und die Weisheit, zwischen diesen beiden Dingen die rechte Unterscheidung zu treffen.“

Und ein bisschen mehr Klugheit allerorts wäre auch ganz nennt, beispielsweise sind weder der Papst noch Gott schuld, wenn dumme Menschen ihren Hunden die Zunge piercen lassen, sie tätowieren oder ihnen Lammfelle zum Fressen geben. Wenn Menschen sich selbst verstümmeln wollen, bitte sehr, Menschen sollen tun, was sie nicht lassen können. Wenn sie gerne aussehen möchten wie Ochsen mit einem Ring in der Nase, nur zu! Unschuldige Tiere dürfen aber nicht unter tierquälerischen Modetrends leiden.

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Oder, mit den Worten von St. Francis gesagt: „Ein Sonnenstrahl reicht hin, um viel Dunkel zu erhellen.“

Es gibt Licht. Da sind auch viele Menschen da draußen, die etwas ändern wollen und all diese Dinge nicht mehr einfach so hinnehmen, und es werden immer mehr. Menschen, die nicht auf Engelsrufer, Gaukler, Jäger und Sammler sowie selbsternannte Flüsterer, Heiler, Pfarrer oder Politikerwahlversprechen hören, die sich Gedanken machen, was sie essen, wo sie einkaufen, wem sie trauen. Menschen die Tiere retten, sie aus Heimen holen, sie von Ketten befreien, sie vor Gatterjägern bewahren, die für das Ende des Stierkampfs, des Walfangs, der Robbenjagd oder der Großwildjagd und für die Schließung jeder Stierkampfarena auf die Straßen gehen, die Hunde vor chinesischen Kochtöpfen freikaufen, Tieren ihre Stimme geben und dafür kämpfen, dass sie auch einmal Rechte bekommen. Irgendwann, irgendwo.

Jeder einzelne kann dazu beitragen, kann Hunde adoptieren, anstatt sie zu kaufen, kann einmal pro Woche Fleisch vom Biobauern anstatt dreimal täglich kiloweise vom Diskonter essen und den Rest einfach wegzuwerfen, kann hinterfragen, warum ein halber Liter stilles Wasser mehr kostet als ein Liter Milch, oder weshalb Echtpelz billiger ist als Kunstpelz, warum immer die Gier überwiegt und niemals die Freude über das, was man gerade hat. Jeder kann Spenden, helfen, teilen, posten, bloggen und für den Tierschutz auf die Straße gehen. Jeder kann hinschauen statt wegschauen und aktiv werden. Reden alleine hilft nicht. Wichtig ist, dass man etwas unternimmt, jeder Mensch kann etwas beitragen und sei es nur in ganz kleinem Rahmen seiner Möglichkeiten. Nichts bleibt nichts, aber aus klein kann groß werden. Machen wir uns groß und stark für unsere Mitgeschöpfe!

Machen wir es bald, bevor wir uns selbst vernichtet haben mit unserer großartigen weltenumfassenden menschlichen Selbstherrlichkeit, am besten fangen wir gleich damit an. Nicht nur am Welttierschutztag.

Jeder Tag ist Welttierschutztag.

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Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com/

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