Ich bin ein angry white man. Wie konnte es nur so weit kommen?

Ich schließe die Tür zu meiner Wohnung auf und merke, es sind ein paar Leute da. Ich erkenne meinen Vater. Er legt die Hand auf meine Schulter und lächelt mich beruhigend an: «Mein Sohn, ich weiß, dass Du stark bist und wir werden dir helfen.» Ein unangenehmes Gefühl kommt in mir hoch, aber da ist schon meine Mutter: «Mein Junge, Du bist hier in einem geschützten Raum, Du bist hier sicher.» Sie führen mich ins Wohnzimmer, dort warten meine Freundin und zwei Freunde. Meine Freundin liest von einem Blatt ab: «Uepsi, noch bis Du der Mann, den ich lieben gelernt habe. Aber das wütende weißende Männertum verändert dich, und das erschreckt mich.» Ich bin kurz davor loszuheulen: «Aber, aber... Eltern-Kind-Entfremdung, Staatssexismus... Obdachlose, aber...und...» stottere ich. Meine Mutter redet beschwichtigend auf mich ein: «Mein Junge, alles wird gut, Du bist in guten Händen.» Zwei Pfleger in weiß kommen vom Flur hinein: «So Herr Lonniks, Zeit zu gehen.» Ich denke an Flucht und suche nach einem Rettungsausgang. Durchs Fenster? Zu hoch. Schon packen mich die Pfleger und führen mich mit sanften Nachdruck hinaus...

Der wütende Mann... nein, nicht der schwarze, der ist zurecht wütend, also: Der wütende weiße Mann ist ein Archetyp unserer Zeit. Ein fähiger Professor der Soziologie hat sich mit ihm auseinandergesetzt und erforscht und ist zu dem Ergebnis bekommen, dass dieser Man nicht damit klarkäme, dass man ihm – ganz zurecht natürlich – seine Privilegien entziehen würde, denn der Müllwerker ist gegenüber seiner Frau privilegiert – muss man wissen. Nehmen wir als weiteres Beispiel den Trennungsvater: Der muss oft erleben, dass seine Kinder zum Hass gegen ihn erzogen werden, während er diese Restfamilie, die voller Feindseligkeit für ihn ist, mit seiner Maloche zu finanzieren hat, er also ein Unterhaltssklave ist; die Selbstmordrate unter Trennungsvätern liegt beim sechsfachen der der Männer, die sich sowieso schon häufiger umbringen als Frauen – so läuft das im Patriarchat. Unser fähiger Professor aber weiß: Das ist kein Nachteil, das ist nur der Entzug eines Privilegs, denn das Patriarchat hat ja Frauen jahrtausendelang von ihren Kindern ferngehalten und ihnen das Recht vorenthalten, sie zu lieben und von ihnen geliebt zu werden.

Die Nachteile, über die weiße wütende Männer zetern, sind also schlicht keine. So wie zum Beispiel Gewalt. Die behaupten tatsächlich, häusliche Gewalt wäre zwischen Mann und Frau gleichverteilt. Unser fähiger Professor findet solche Behauptungen lächerlich und will sich ansehen, was davon übrig bleibt, wenn man sich diese lächerlichen Belege mal näher ansieht... was er dann aber nicht macht. Ein kleiner Schönheitsfehler in dem sonst makellosen Werk über wütende weiße Männer. Aber die Belege finden sich nicht in einer, nicht in fünf, nicht in zehn Studien, nein: Es sind Hunderte von Untersuchungen, die zum Ergebnis kommen, dass Frauen genauso gewalttätig sind; und Frauengewalt ist auch nicht harmlos, was allerdings allgemein angenommen wird. Das wissen auch Frauen: Sie wissen, dass sie zuschlagen dürfen, der Satz: «Ruf doch die Polizei, die glauben dir eh nicht!» fällt oft aus weiblichen Mund. So sagte auch Amber Heard zu Johnny Depp, dass er doch damit an die Öffentlichkeit gehen sollte, sie habe ihn geschlagen, um dann zu sehen, wer ihm Glauben schenken würde. Und tatsächlich: Wäre das und mehr nicht auf Band gewesen, und hätte sich Depp kein Team aus Spitzenanwälten leisten können, er wäre wie viele andere Männer einfach nur ein widerlicher Frauenschläger.

Oder Gewalt gegen Kinder. Feministen wissen, dass Gewalt gegen Kinder häufiger von Frauen ausgeübt wird. Wie gehen sie damit um? Sie präzisieren das Gesetz, zum Beispiel das Gewaltschutzgesetz, in die Richtung, dass es nicht gegen Frauen, die ihre Kinder misshandeln, angewandt werden kann – so machtlos sind sie im Patriarchat. Wenn ein Kind eines gewaltsamen Todes stirbt, ist sein Mörder in der Regel die eigene Mutter. Das ist für Bundesministerien aber kein Grund, Kampagnen gegen Frauen zu fahren. Keine Plakate, auf denen verängstigte Kinder vor düster bedrohlichen Frauengestalten zu sehen sind; keine Propaganda, wonach der gefährlichste Ort für ein Kind bei seiner Mutter ist. Sowas bleibt für Männer reserviert.

Warum eigentlich? Fragen wir unseren Professor, was er zu Mord unter Erwachsenen zu sagen hat:

„Frauen töten ihren Mann, wenn sie um ihr Leben und das ihrer Kinder fürchten; Männer töten ihre Frau, wenn sie das Gefühl haben, dass sie nicht bekommen, was ihnen zusteht und dass sie ihre Macht verlieren.“

Wer sowas über Weiße und Schwarze sagen würde, wäre nichts anderes als ein elendiger Rassist mit solch bösartiger Hassrede. So aber wird es vom Bundesministerium für politische Bildung vertrieben, was für Qualität steht. Schon vor Jahrzehnten merkte eine Feminismuskritikerin an: Keine andere Gruppe von Menschen außer Männern kann man auf solche Weise niedermachen, ohne dass es zu einem gesellschaftlichen Aufschrei kommt. Also gut: Mann tötet – Verbrechen. Frau tötet – Notwehr. So denken viele - auch in Justiz, Medien und Mainstream, und um dies zu verdeutlichen ein Langzitat:

Die Kanadierin Karla Homolka setzte ihre 15 Jahre alte Schwester unter Drogen und stellte sie ihrem Freund Paul Bernardo für eine Vergewaltigung zur Verfügung. Das Mädchen kam dabei ums Leben. Karla erklärte ihren Eltern, ihre Schwester habe zuviel getrunken und sei an ihrem Erbrochenen erstickt. Nach ihrer Heirat mit Bernardo entführte das junge Paar weitere Mädchen, hielt sie als Sex-Sklavinnen tagelang gefangen, vergewaltigte sie mehrfach, brachte sie um. Nach einer dieser Entführungen berichteten Zeugen, »zwei Männer« als Täter wahrgenommen zu haben. Die Polizei kam dem Paar auf die Spur, aber auch die Beamten waren sich sicher, dass eine weibliche Täterin in jedem Fall unter dem Einfluss eines gewalttätigen Mannes stehen musste: »Wir sind nicht hier, um Sie zu kriegen. Wir wollen ihn kriegen. Sie sind das Opfer.« Karla erkannte ihre Chance, behauptete, eine verprügelte Frau zu sein und handelte eine Höchststrafe von sechs Jahren und Immunität für alle weiteren möglichen Anschuldigungen aus. Die Medien erfuhren nicht einmal, dass sie zu den Tatverdächtigen gehörte. Der erste Bruch in ihrer Geschichte tauchte auf, als Psychologen, die sich mit ihr unterhalten hatten, keinerlei Angstzustände aufgrund von Misshandlungen erkennen konnten. Im Gegenteil, Homolka wirkte überaus dominant. Keiner dieser Experten wurde vor Gericht geladen, um seine Aussage zu machen. Karla selbst hatte die Literatur über häusliche Gewalt offenbar gelesen, zitierte sie vor Gericht, gab sich als Opfer. Dann tauchten Videos auf, die Karla und Paul zeigten, wie sie sich mit ihren »Sexsklavinnen« die Zeit vertrieben. Karla war meistens heiter und gut gelaunt, gab den Mädchen ebenso Anweisungen, was sie tun sollten, wie ihrem Freund. Das einzige Aggressive, was er auf diesen Videos zu ihr sagte, war ein genervtes »Halt die Klappe!« Es war diese Bemerkung, die in den Zeitungsschlagzeilen auftauchte, um das Klischee vom männlichen Haupttäter zu erfüllen. Karla behauptete vor Gericht, sie habe ihrem Freund bei diesen Taten geholfen, weil er sie immer wieder dazu gedrängt habe. Na dann. Ein weiteres Video ließ allerdings andere Töne hören: »Ich habe es geliebt, wie du meine Schwester gefickt hast. Ich möchte, dass du das noch einmal tust.« Ihre Schwester war zu diesem Zeitpunkt längst tot, Karla sprach von anderen Mädchen. »Glaubst du, wir können das tun? Willst du es noch fünfzigmal tun? Jede Woche vielleicht?« Auf Unstimmigkeiten zwischen ihrer Aussage und den Videos hingewiesen, behauptete Karla, sich an alles nur noch verschwommen erinnern zu können, so wie in einem Traum. Zwischen den Morden verreiste sie mit ihrem Partner nach Disneyworld oder an den Strand von Maui. Auch dort, behauptete sie, sei sie von ihm fürchterlich zusammengeschlagen worden. Im Kreuzverhör reduzierte sie diesen Vorwurf auf einen Klaps auf den Hintern – ihren einzigen Körperteil, der auf den Urlaubsaufnahmen nicht deutlich zu erkennen war. Im Herbst 1995 nahm einer der Gerichtsmediziner, der die Autopsien an den getöteten Mädchen vorgenommen hatte, mit der Presse Kontakt auf. Für die Gerichtsverhandlung gegen Bernardo hatte er seine Berichte noch einmal analysieren müssen und dabei festgestellt, dass Homolkas Aussagen definitiv falsch sein mussten. Es war eindeutig: Sie hatte die Mädchen umgebracht, nicht ihr Partner. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich, seine Aussage vor Gericht zuzulassen, weil sie ihre eigene Ansicht widerlegte: dass er, der Mann, der Haupttäter sein musste. Der Fall ging quer durch Kanadas Presse, stand aber international im Schatten vom gleichzeitigen Verfahren gegen O. J. Simpson. Über dreitausend Unterschriften wurden in Kanada gesammelt und an Politiker verschickt, gekoppelt an die Bitte, Karla Homolkas Straffreiheit aufzuheben. Ein Senator versuchte, ein Gesetz einzubringen, das es erlaubt hätte, Karla Homolka hinter Gittern zu lassen. Es war zu spät, die Abmachung galt. Seit 1997 ist die mehrfache Entführerin, Vergewaltigerin und Mörderin Karla Homolka wieder eine freie Frau. (Arne Hoffmann - «Sind Frauen bessere Menschen?»)

Frauengewalt wird einfach nicht sanktioniert, die dürfen das. Und weil das so ist, müssen Väter oft in unerträglichen Ehen aushalten, weil sie dort als lebende Schutzschilde für ihre Kinder herhalten müssen, denn keiner – auch kein Familienrichter – glaubt, dass die Mutter und nicht der Vater der Gewalttäter ist. Eine Schilderung ging mir dabei besonders nah: Ein Vater verließ so eine Hölle schließlich und ließ damit seine Tochter im Stich. Diese sagte ihm bei einem Umgangstermin:

«Was Mama früher mit dir gemacht hat, macht sie jetzt mit mir.»

Aber für solche Menschen gibt es keine Hilfe, weil Feministen, die im Namen der Frau sprechen, die institutionelle Macht innehaben – aber das ist schon in Ordnung, denn: «Feminismus ist für alle da!»

Gibt es eigentlich eine Grenze der Akzeptanz von Frauengewalt? Sagt man irgendwann: «Das ist Gewalt, die ohne wenn und aber, ohne Entschuldigungen, verurteilt gehört.»? Um diese Frage zu klären, möchte ich ihnen eine Serienmörderin vorstellen, die als "Blutgräfin" berüchtigt gewordene ungarische Adelige Erzsébet Báthory , Zitat:

«Kleinste Vergehen wurden aufs grausamste bestraft. Aus den Prozessakten geht hervor, dass sich ihr Sadismus dabei ausschließlich gegen Mädchen oder junge Frauen in ihrer näheren Umgebung richtete. So liebte sie es, ihre Opfer zu fesseln und ihnen mit den Zähnen das Fleisch von den Knochen zu reißen. Sie steckte ihren Dienerinnen Nadeln in den Körper, legte ihnen rot glühende Münzen in die Hand oder nähte ihnen den Mund zu. Auch ließ sie im Winter Mädchen in den Schnee werfen und mit kaltem Wasser übergießen, bis sie erfroren. Zwischen 50 und 650 Mädchen soll die Blutgräfin zwischen 1604 und 1610 auf diese Weise ermordet haben. Ob sie dabei die Macht über Leben und Tod genoss, sexuelle Befriedigung suchte oder gar durch Blutbäder ihre Jugend erhalten wollte, ist historisch nicht überliefert, auch wenn einige Vampirlegenden auf Erzsébet zurückgehen.»

Ihr Leben wurde verfilmt und die Schauspielerin, die sie verkörperte, gab zu Protokoll, Zitat:

"Ich kann diese Frau sehr gut verstehen. Wir haben viel gemeinsam", sagte die 39-Jährige in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des STERN über die Schauergestalt Erzsébét Báthory. (…) "Ich habe mich gefragt: Aus welchen Gründen würde ich selbst so grausam und wahnsinnig werden?", so Delpy im Gespräch mit dem STERN. "Die Antwort war klar: aus unerwiderter Liebe. Nichts hat mich je so um den Verstand gebracht. Das ist Borderline. Ganz nah am Wahnsinn." Die Motive ihrer Filmgestalt kann Delpy aber noch aus anderen Gründen verstehen. "Diese Frau tötet, weil sie das Frausein hasst", sagte Delpy. "Ich kenne das Gefühl von Ohmacht und Wut demgegenüber, als Frau anders beurteilt zu werden als Männer. Was bei einer Frau als zickig und hysterisch gilt, ist bei einem Mann ein Zeichen von Genialität." So sei "Die Gräfin" zwar als Kostümfilm inszeniert, beschreibe aber doch ein modernes Frauenschicksal. Delpy im STERN: "Eine sehr starke Frau wird durch einen schwachen Mann zerstört. Das ist die Tragödie vieler Frauen."

Hach ja.

Aktuell gibt es ein Gesetzesinitiative des Bundesjustizministeriums, die Gewalt von den minderwertigen und bösen Menschen gegen die höherwertigen und guten Menschen besonders hart bestrafen will.

All diese Zeilen schreibe ich auf Klopapier in meiner Gummizelle. Mit welchen schlauen Argumenten werden meine Ärzte mich vom Wahn des wütenden weißen Mannes kurieren? Werden die Elektroschocks wirken?

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Nonplusultra

Nonplusultra bewertete diesen Eintrag 13.10.2022 21:49:32

Zaungast_01

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