Westy´s Special Olympics Biographie - Teil 7

mein erster Verein (oder: MHSC Wien, Talenteschmiede)

Wie ich bereits erzählt habe, startete ich nun endlich meine richtige Fußballerkarriere. Da ich durch Schwerhörigkeit gehandicapt bin, war der Gedanke bei einem „normalen“ Verein durchzustarten, unzumutbar. Denn wenn es regnet, muss ich mir mein Hörgerät rausnehmen, da es sonst kaputt werden könnte und ein neues (welches damals mindestens 3000 Euro kostete) wäre nicht leistbar (darum verstehe ich auch die Zweifel meiner Mutter, als ich als kleiner Junge zum SV Schwechat gehen wollte, sie hatte einfach Angst um mich und um horrende Nebenkosten). Somit machte ich mich auf die Suche nach einem Verein, der mich eventuell mit anderen Invaliden spielen lassen würde.

So gern ich mich daran erinnern würde, wer mich eigentlich zum ersten Training der Mannschaft MHSC Wien (Mental Handicap Sport Club Wien) mitgeschleift hat, ich weiß es leider nicht mehr, aber ich glaube es war ein Bruder einer damaligen Freundin, die gleichzeitig meine Arbeitskollegin war.

Jedenfalls war der damalige Trainer von meinem Talent wirklich beeindruckt und er bot mir an, mit dem Verein weiterhin zu trainieren. Vielleicht, wenn ich wirklich gut bin, darf ich auch zu Turnieren mitfahren.

Wenn ich mich heute an meine Anfangszeit beim MHSC zurückerinnere, sehe ich, dass nur mehr 2 oder 3 Spieler von damals immer noch dort spielen. Manche erfolgreich, manche weniger. Fakt ist: in der gesamten Zeit, wo ich für diesen Verein gespielt habe, sind wir niemals erster in einem Turnier geworden, immer nur zweiter oder dritter, zum Schluss gar nur mehr vierter. Ich hatte lange gehofft, dass irgendwann mal ein Turniersieg für uns herausschaut, jedoch war das niemals der Fall, was mich – natürlich auch mit anderen Begründungen, dazu mehr im nächsten Kapitel – zum Vereinswechsel anspornte. Je länger der Sieg ausblieb, desto mehr wollte ich den Verein verlassen, jedoch waren mir die Spieler und die Trainer mittlerweile sehr ans Herz gewachsen und der gemeinsame Glaube an den ersten Sieg (seit über 10 Jahren!) schweißte diese Mannschaft zusammen, auch wenn uns unsere besten Spieler immer wieder verließen oder in Stich gelassen hatten.

Fakt ist auch: die ersten beiden Jahre hatte ich dort 2001/2002 gespielt und war sogar bei einem Hallenturnier in Schärding mit dabei. Dort war mein allererster Einsatz gefragt, allerdings (noch heute bin ich sauer über diese Entscheidung) als Verteidiger. Die erste Begegnung mit dem Erzfeind, der Linzer Auswahl, endete im Desaster. Hoher Ball zur eigenen Strafraumgrenze, jemand köpfelt den Ball zu mir, ich will einen Befreiungsschlag ansetzen, treffe den Ball aber dermaßen blöd, dass es aussah, als würde ich einen Volleyhammer ins eigene Tor fetzen. Unser Tormann, Berti (der heute noch in der 2er Mannschaft dort kickt mit seinen 50 Jahren – Respekt) war chancenlos und spricht heute noch von einem Traumtor, das er in so einer Form vorher und nachher nicht mehr erlebt hatte. Mein erstes Tor war also kurioserweise ein Eigentor.

Damals war ich natürlich am Boden zerstört, die Hallenschuhe flogen nach dem Match mit hohen Bogen in die Spielerkabine. Dort konnte ich nicht fassen, was mir soeben passiert war. Lange Minuten setzte ich mich hin und dachte nach, wie ich das wieder gutmachen konnte. Viele Spieler haben mich damals getröstet und gemeint, dass das nun mal jeden passieren kann. Der Trainer selbst sagte gar nichts dazu. Jedenfalls war ich nun bereit, mich zu beweisen, schlimmer hätte mein Karriereeinstand nun wirklich nicht beginnen können, es konnte daher nur noch bergauf gehen.

Als hätte der Trainer nichts daraus gelernt, setzte er mich beim zweiten Turnier in Linz (diesmal sogar am Großfeld, also 11 gegen 11) wieder als Verteidiger ein und wieder hatte ich gegen die herannahenden Linzer Stürmer Null Chancen. Ich war dazu trainiert (auch im vereinsinternen Training) zu stürmen oder offensiv zu spielen. Hinten stehen und auf die Gegner warten, das war für jemanden wie mich eine herbe Enttäuschung und ich wusste, dass das Ganze so nichts bringen wird. Aber ich respektierte die Entscheidungen des Trainers, er musste schließlich von selbst draufkommen, wo mein Talent eigentlich begraben liegt.

Wie auch immer, nachdem ich einen Job annahm, der Schichtarbeit beinhaltete, musste ich vorerst meine Fußballschuhe an den Nagel hängen. Es fehlte ganz einfach die Zeit dazu.

Im Jahre 2004 lernte ich damals ein Mädchen in der Arbeit kennen, bei der ich in der ersten Nacht in einer Wohngemeinschaft übernachtete, wo sie wohnte (in der übrigens auch der Roman wohnte, der Jahre später unser Kapitän im Verein wurde und sich für diesen beherzt einsetzte). Beim gemeinsamen Frühstück am nächsten Tag kam mir im Flur schon der Heinz entgegen, welcher damals ein Spieler vom MHSC war. Groß war die Freude über das Wiedersehen und ich beschloss, wieder spielen zu gehen. Wir hatten auch einen neuen Trainer, welcher mich aber erst gar nicht mitnahm auf irgendein Turnier – und das, obwohl ich gerade in meiner besten Zeit als Kicker war, sowohl technisch als auch konditionell.

Somit war das Chaos vorprogrammiert, als ich wiederum aufgrund eines Schichtjobs aufhörte, zum Training zu gehen.

Während dieser Pause lernte ich von ebendieser Exfreundin den Schwager kennen, der bei „Special Olympics Österreich“ (das war die eigentliche Nationalmannschaft der Special Olympics) spielte und kurz vor der Reise zu den olympischen Spielen nach Peking war. Ich fragte natürlich nach, ob noch Spieler in seinem Verein gebraucht werden. Leider war dem nicht so.

Anfang 2010, nach der Trennung von meiner nächsten Exfreundin (zu den Frauen gibt es ein eigenes Kapitel) hatte ich wieder begonnen, zu kicken und siehe da, wir hatten beim MHSC abermals einen neuen Trainer. Das war der Michi, der, wie ich, bis Sommer 2012 durchgehalten hatte und mit dem ich mich auf Anhieb verstand, ich durfte als Mittelfeldspieler mitfahren nach Wattens. Dieses Turnier werde ich niemals in meinem Leben vergessen, wir hatten oft genug im Training Freistöße versucht und als ich am Turnier die Möglichkeit bekam, schoss ich aus einer Distanz von ca. 20 Metern einen direkten Treffer über die Mauer ins gegnerische Tor des späteren Turniersiegers – wie kann es anders sein: Linz. Michi war auch derjenige, der das Potential in mir erkannte und mich fortan als Stürmer einsetzte, was sich als wahrer Segen für die Mannschaft herausstellte. Roman war mittlerweile auch Kapitän geworden und hat mich in einem speziellen MHSC – Rap auch als Stürmer erwähnt.

Beim nächsten Freundschaftsspiel gegen eine U-16 Mädchenauswahl aus dem Burgenland, das in Eisenstadt über die Bühne ging, (hey, die Mädchen spielen nicht schlecht) hatte ich erstmals national zeigen können, was als Stürmer in mir steckt. Ich bekam den Ball an der Mittellinie, stürmte der letzten Verteidigerin entgegen, machte einen Westy-Haken (wer den gesehen hat, weiß, was ich damit meine) und drosch den Ball ins Tor (Erinnerungen an Alban wurden sogleich in mir wach). Blöd war nur, dass der Schiedsrichter erst nach dem Tor auf Abseits entschied, wobei sich alle sicher waren (ja, sogar das Mädchen, das ich ausgespielt hatte, gab zu, dass ich niemals im Abseits war. Ein Mädchen das sich auskennt, ach wär sie nur 10 Jahre älter gewesen, da waren einige fesche Haserln mit dabei), dass es keines war und das Tor zur Marke Weltklasse gehörte. Noch heute habe ich die Schimpfwörter meines Trainers in Richtung Schiedsrichter (die übrigens Freunde waren) im Kopf.

Dann folgte das sagenhafte Turnier in Pichling bei Linz, wo wir mit 0:17 Toren in 3 Partien untergingen. Wir hatten nicht einmal den Hauch einer Torchance, ich denke, in diesem Turnier hatten wir gelernt, dass wahrer Siegeswille immer von tief drinnen kommen muss, das hatte sich sogar bereits im Behindertensport herumgesprochen. Die Busfahrt Richtung Wien nach dem Turnier werde ich nie vergessen. Ich musste erfahren, wie es ist, wenn 20 Leute nicht in der Lage sind, Stunden miteinander zu sprechen. Ich versprach dem Trainer beim ersten Training danach, dass uns so etwas auf diese Art niemals wieder passieren würde und ich behielt Recht. Bei diesem Turnier war übrigens auch „Team Wien“ am Start gegangen in der 2. Division, die sie souverän ohne Gegentreffer gewann und daher aufstieg. Ein noch stärkerer Gegner als alles bisher Dagewesene erwartete uns nun, wir mussten daher unser Trainingsprogramm komplett auf den Kopf stellen.

Dort spielte auch immer noch Louis, mein Exschwager, der auch in Peking war. In Pichling sah ich ihn allerdings zum letzten Mal, er hatte seine Karriere bereits beendet, was ich sehr schade finde, denn ich wollte immer schon mit ihm zusammen spielen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass sich in meiner Karriere irgendetwas verändern muss. Als unser ehemaliger MHSC - Kapitän Andy Fuler dann auch noch zum „Team Wien Special Olympics Österreich“ wechselte (der übrigens mit dem Team WAT Wien gegen uns kickte und in der letzten Spielminute das 0:1 erzielte), wusste ich, was zu tun war, wenn sich nicht schleunigst irgendetwas im Verein ändert.

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Bernhard Juranek

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Silvia Jelincic

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