Plan B für die Zukunft

Das strategische Umfeld verschlechtert sich zusehends. Die USA halten sich an Artikel 5 des Nato-Vertrags, Mitgliedern im Ernstfall beizustehen, nicht mehr vollumfänglich. „America First“ ist die sicherheitspolitische Doktrin, gleich welcher Präsident im White House sitzt. Europa, auch geschwächt durch den Brexit, hat noch immer nicht militärisch (Hard und Soft Power) zu einer Stimme und Stärke gefunden. Die Wertegemeinschaft wird durch „illiberale Demokratien“ wie in Polen und Ungarn infrage gestellt. Aber auch durch Pleitegeier in Italien, Frankreich und Länder des Südens der Union. Dort werden auch in Zukunft wohl nur Budgetlöcher gestopft, statt strukturelle Reformen angegangen. Es gibt aber eigentlich nirgends mehr etwas zu verteilen – der finanzielle Spielraum existiert nur mehr im Computer, nicht in der Realität (Bargeld).

Die neuen Player

Während die Marine in China jedes Jahr um das Äquivalent der französischen Flotte wächst, hadert Europa mit einer einheitlichen Außenpolitik. Nationale und religiöse Identitäten werden durch massive Eingriffe in Freiheitsrechte via digitaler Überwachung unterdrückt, Hongkong, Taiwan und die Süd-Ostchinesisches See spätestens zur Hundertjahrfeier der Volksrepublik 2049 total einverleibt. Die Seidenstraße legt offen die Grundlagen für eine quasikoloniale Präsenz, insbesondere in den Rohstoffreichen Gegenden der Erde.

Auch Russland erzwingt massiv neue wirtschaftliche, politische und militärische Mittel. Die Annexion der Krim, die Patronage von Lukaschenko und Terraingewinne strategischer Natur im Nahen und Mittleren Osten sowie in Libyen sind ein Vorgeschmack, den vor allem die baltischen Länder und Polen mit Sorge sehen. Russische Minderheiten die durch Putin bei Bedarf aufgewiegelt werden könnten wären dort keine Seltenheit.

Hinzu kommt, dass sich die Menschheit in den letzten 100 Jahren mehr als vervierfacht hat. Das hat klimatische, migrantische aber auch arbeitsmarktpolitische Herausforderungen – da wie dort. In Afrika wird die Bevölkerung bis 2100 – wenn die Entwicklung so weiter geht – von 1,2 auf 4,4 Milliarden anwachsen. Da reicht das derzeitige Migrationspolitische Wirrwarr in Europa nicht aus – kaum brennt wo ein Flüchtlingsheim, schreit man nach Aufnahme. Da wird man sich mehr überlegen müssen und sich aktiv im Ausland für Frieden und Wohlstand einsetzen müssen, mit Soft Power, aber bei Bedarf eben auch mit Hard Power.

Wärmer anziehen und zufriedener werden

Bis dato ist unsere Zeit eingehaust von Ritualen - von Silvester über Ostern hin zum Shoppen bis zu Weihnachten - von denen wir uns nicht verabschieden wollen, oder es uns einfach nicht vorstellen können oder auch weil der soziale Druck zu hoch scheint. Jetzt, wenn im Herbst die Blätter an der Sollbruchstelle geordnet von den Bäumen fallen, kann man bemerken, dass Abschied und Aufbruch, sowie Aufbruch und Festhalten oft nah beieinander liegen. Genauso wie man sich verliebt, und dann der Alltag die Liebe auf die Probe stellt. Nicht gleich beim ersten Disput wird man das Handtuch werfen, aber wenn es über Jahre hinweg nicht klappt, sollten die Sollbruchstellen auch in unserem Leben aktiviert werden. Wenn das Bild aber über Menschen oder Dinge immer offen bleibt und nie geschlossen wird, man sich also kein Bildnis macht, dann sind Veränderungen und Feinjustierungen stets möglich. Wenn man aber immer an allem krampfhaft fest hält, und sich nicht ändern will, kann die Zukunft ohne diesem Plan B schwierig werden. Und die Zeit derzeit lädt noch ein, sich Gefahren auszudenken, da es uns derzeit noch gut geht und sie meistens noch fern sind, oder scheinen (Klimawandel). Erst im Ernstfall werden wir still. Das Gefahrenausdenken ist aber nicht das Problem, trägt eher zum Verständnis bei. Es ist vor allem die oftmals hysterische Anteilnahme an Dingen, die wir konkret überhaupt nicht beeinflussen können. Dieser unnötige emotionale Ballast verstellt uns den Blick auf das, was in der Nähe zu tun wäre. Das bedeutet nicht, dass man sich über die Zeilen zu Beginn des Artikels keine Gedanken machen soll. Ganz im Gegenteil, das große Ganze zu sehen und es einordnen zu können ist wesentlich. Doch die Emotion und das Moralisieren von jeder Kleinigkeit sollte man weglassen – zu viel hat man bei sich selbst oder in seiner Umgebung zu tun, als dass man mit „Herzblut“ immer gleich die Welt retten müsste. Das könnte auch zu mehr Zufriedenheit führen, wenn man lernt, sich wieder mehr mit sich selbst auseinanderzusetzen. Der Lockdown schmiss uns ja massiv auf uns zurück, oftmals ungewollt. Da dachte man ein Leben lang, dass man eigentlich alles hat, und dann stellt sich plötzlich doch heraus, dass da einiges fehlt. Das Glück ist dann das, das vor uns liegen könnte, also was nach Abzug des Aufwands übrigbleibt. Diesen Aufwand muss man sich oftmals erst antrainieren. Die Spesen sind aber heute geringer als früher. Das Risiko gering – man muss nur mal ab und zu die Einhausung der Zeit verlassen, andere Wege gehen und dann vielleicht sogar mit weniger zufriedener werden. Denn bei diesem Lebenswandel und der strategischen Vorausschau ist das Zeitalter der Shopping-Malls und des Massenkonsums flankiert von viel „Spaß“ irgendwann vorbei. Auf das sollte man sich vorbereiten und einen persönlichen Plan B entwickeln. Corona war punktgenau da, Klimawandel gleicht aber eher einer Lawine die längst rollt, Hackerangriffe auf Energienetze sind jederzeit möglich. Angst braucht man dabei nicht haben, aber das Verständnis, dass Änderungen anstehen und manche Wege verlassen oder neu gedacht werden müssen schon.

Wolfgang Glass ist promovierter Politologe in Wien, war jahrelang in diversen FP-7 Projekten beschäftigt und später im sozialökonomischen Bereich als Personalberater und Arbeitsbegleiter.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Mehr von WoGl