Politisches Networking ist keine Verschwörungstheorie

Manchmal kann man über die scheinbar willentliche Ausblendung logischen Räsonnements unserer Mitmenschen nur staunen. War es einstmals eine relevante Wertvorstellung, dass man den Erfolg durch harte und hochwertige Arbeit erreichen sollte, anstatt durch Schleimerei und Opportunismus, und dass Freundschaften aufrecht sein sollten und nicht Nutzniessung; so bildete sich alsbald die Idee, dass das sog. „Networking“, was ja im Grunde nichts anderes ist als eben Schleimerei, Opportunismus und Nutzniessung, eine hochlobenswerte Eigenschaft sei. Damit aber nicht genug der ideellen Gegensätze, die unter einem gemeinsamen geistigen Dach Platz finden, wurde die höchste Absurdität mit dem Gedanken erreicht, dass dieses „Networking“ im Feld der hohen Politik, den kolossalen Interessen die dort herrschen zum trotz, natürlich keinesfalls stattfinden würde, und dass diese werten Herrschaften hingegen, ganz anders als bei den normalsterblichen Networkenden, der streng traditionellen Wertvorstellung von harter Arbeit und Ehrlichkeit nachgehen. Das Niveau der gleichzeitig akzeptierten Gegensätzlichkeiten ist inzwischen ein solches, dass man sich allen ernstes fragen muss, ob die Leute, die das ohne weiteres akzeptieren, einfach nur mit ausgeschaltetem Hirn, sozusagen auf Autopilot, durchs Leben gehen. Aber das ist dann wieder ein Thema für ein Andermal.

Warum, also, wenn dieses Networking im Berufsleben so bedeutsam und prävalent geworden ist, dass es unerlässlicher Teil einer erfolgreichen Karriere, die über ein einfaches Arbeiterdasein hinaus geht, sein müsse, sollte es denn bitteschön in der Politik kein Networking geben? Die Idee ist abstrus, und doch wird jede solche Insinuation mit rapider Vehemenz mit dem Modewort Verschwörungstheorie etikettiert und abgewiesen. Als Beilage kommt vielleicht noch einer dieser hochintellektuellen Manichäismen, man wolle doch nicht etwa meinen, da versammelt sich eine Gruppe finsterer Gestalten in einem düsteren Zimmer um das Schicksal der Welt zu erdenken. Nein, natürlich nicht, die Politik ist die höchste Meritokratie, welche Leute mit einem IQ von mindestens 150 verlangt, welche in selbstlosem Edelmut für das Wohl ihrer Wähler kämpfen, 14 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, als aufrichtige Vertreter der Interessen ihrer Wählerschaft. Man beachte, Manichäismus funktioniert in beide Richtungen.

Selbstverständlich geht es nicht darum, dass eine geheime Elite sich in einem düsteren Zimmer versammelt und die Entscheidungen über die Menschheit trifft (oder vielleicht schon, wer weiss, aber darum geht es hier nicht), sondern ganz einfach, dass die selben Ansätze, die im normalen Berufsleben gelten, doch ganz bestimmt auch für die hohe Politik gelten, und wahrscheinlich mehr noch, da dort viel schwerwiegendere Interessen agieren als vielleicht in der Bohrmaschinenbranche oder bei Big Knäckebrot. Warum sollte es eine Verschwörungstheorie sein, dass in der Politik, auf nationaler wie auf internationaler Ebene, Vertreter überlappender Interessen sich vernetzen, sich gegenseitig unterstützen, und sich schliesslich ein Gefolge um gewisse Machtpole bildet? Genau so funktioniert doch Networking: Den kenne ich, den stelle ich als Manager ein, und nicht den anderen, der zwar mehr Erfahrung hat, aber zu einer anderen Clique gehört. Wer hat es denn nicht schon mal gekannt, selber oder über Bekanntschaften, dass in einer Firma Leute Karriere machen, die vielleicht weniger geeignet sind als andere, aber eine bessere persönliche Beziehung zu den hohen Tieren haben? In der Politik wird es also auch nicht sehr anders sein. Es bilden sich Cliquen, diese verhelfen den von ihnen erwählten Neulingen zu besseren Aufstiegschancen als bei Aussenseitern, haben auch Zugang zu mehr Finanzierung ihrer Kampagnen und womöglich auch bessere Beziehungen zu den Medien. Die Idee, dass dies nicht so sein sollte, ist im Grunde bei weitem verschwörerischer und lächerlicher, als es diese Vorstellung selber ist.

Wenn man dann an solche Veranstaltungen denkt, wie die des WEF, dann sind das, so gesehen, doch nichts anderes als sog. „Networking Events“, bei denen natürlich viele Politiker gerne dabei sein wollen, um neue Kontakte zu knüpfen und sich bekannt zu machen, und natürlich um in die Gunst anderer zu kommen. Kurz gesagt, um Teil einer solchen Clique zu werden. Wenn man das erst mal so betrachtet, dann ist folglich auch die Vorstellung, dass dieses Networking-System Figuren begünstigt, die natürlich eine ähnliche Ideologie hegen, eine logische Folgerung. Es ist also nicht so, dass hier die Elite im düsteren Zimmer entscheidet, dass diese oder jene Person jetzt als Präsident oder Premierminister von diesem oder jenem Land eingesetzt wird, sondern dass durch ganz einfache darwinsche Selektion von allen möglichen Kandidaten die die besten Chancen haben, die von der grösseren Clique aufgenommen, unterstützt und gefördert werden. Darum ist es wohl kein Zufall und keine Verschwörung, wenn man Figuren wie Jacinda Ardern, Justin Trudeau, Emmanuel Macron, Sanna Marin oder Jens Spahn auf der Community-Sektion der WEF-Seite wiederfindet. Ebensowenig ist es unbedeutend: Sie sind Teil einer Clique die weitreichend vernetzt ist und sich gegenseitig unterstützt, ähnlich wie bei einer Studentenverbindung. Die gesellschaftliche Apathie und die Einseitigkeit der Berichterstattung sind so weit fortgeschritten, dass man bereit ist, diese vollkommen offensichtliche Erkenntnis solcher politischer Vernetzung, welche bereits im Widerspruch zur Demokratie und der folglichen Interessenvertretung des Wahlvolkes steht, als weitgehend bedeutungslos abzutun. Obgleich die Sache der Berichterstattung natürlich bedeutsam ist: Die Medien, welche logischerweise auch Verbindung zu dieser Gruppe suchen, werden diese wohl eher nicht kritisch betrachten, sondern eher die Bedeutung solcher Beziehungen herunterspielen. Zu betonen, dass die Medien seit eh und je von fundamentaler Bedeutung in der Politik sind, erübrigt sich.

Der peinliche Auftritt vor einigen Wochen der finnischen Premierministerin Sanna Marin, welcher auch ausschlaggebend für diesen Text war, offenbart viel mehr, als nur dass die Politikerin, welche jüngst ein dreiviertel Jahrhundert der finnischen Neutralität durch ihren NATO-Beitritt beendete, eher den Eindruck einer verzogenen Göre statt einer klugen, besonnenen Staatsfrau macht; es zeigt auch, dass das ganze Networking- und Cliquensystem vor allem darauf aus ist, Wert zu legen auf extrovertierte Eigenschaften, Charisma, gutes Aussehen, Wortgewandtheit, also kurz gesagt alles was oberflächlich ist, anstatt auf politisches Verständnis, Empathie mit der Bürgerschaft, Standhaftigkeit oder die Kapazität, die Interessen der Volkes entgegen anderer Interessen vorherrschen zu lassen. Denn es zeigt, dass all das Letztere, nicht (mehr?) nötig ist, um eine erfolgreiche Politische Karriere zu führen. Wenn die eigene Clique so weit verbreitet und vernetzt ist, muss man es lediglich mit dieser gut halten, damit jeder, wie ein Zahnrad in einer Maschinerie, seinen Teil erledigt, während man nach aussen hin eine nette Fassade präsentiert, die sich gut vermarkten lässt. Form über Funktion, sozusagen.

Das Endresultat dieser leider logischen Entwicklung veranschaulicht (u.a.) die Europäische Politik, welche grösstenteils nur noch von uninspirierten Karrieristen und Opportunisten geführt wird, die scheinbar nicht die leiseste Ahnung über Funktionsgrundlagen der Wirtschaft haben, oder einfach unfähig oder unwillig sind, sich dem Druck fremder Interessen zu widersetzen. Gleichzeitig werden sie gestützt von einem immensen Medienapparat, der all ihre Handlungen angemessen abbildet und kontextualisiert, als wären diese Leute selbstlose Helden, die wie David gegen einen Goliath von Problemen und Gefahren kämpfen, und deren dürftige Resultate eigentlich schon eine lobenswerte Errungenschaft sind. Trotz des möglichen Misstrauens gegenüber den Medien, sofern es schlussendlich kein wirkliches Mass bezüglich der Portraitierung des politischen Handelns gibt, sind die allermeisten Menschen zu träge, um selbständig eine Abschätzung vorzunehmen, über was die Schwierigkeiten und die tatsächlichen Möglichkeiten wären, und was die letztendlichen Resultate sind. Auch, weil dies voraussetzt, sich wider dem öffentlichen Diskurs zu stellen, was bereits für eine demoralisierte Bevölkerung, der der Mut fehlt, eine abweichende Ansicht zu hegen und lieber in die Trägheit des Mitläufertums verfällt, undenkbar ist.

Hat also dieses politische Networking ein bestimmtes Ausmass erreicht, so kann es sich im Grunde ohne die reelle Möglichkeit eines bürgerlichen Widerstands durchsetzen, wie ein politisches Monopol, welches keine Konkurrenz mehr besitzt. Im Moment stehen wir vor einem Kollaps der Industrie, Ungewissheit bezüglich der Stromversorgung, einer unvermeidbaren Rezession und im Falle von Deutschland auch noch vor den hirnverbranntesten Pandemiemassnahmen für eine Pandemie die grösstenteils schon abgeschrieben ist. Eine Kursänderung ist trotzdem nicht in Sicht.

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Claudia56

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