Erdogan-Pascha: Austro- und Deutschtürken stehen hinter ihm!

Knapp, aber doch, hat sich Recep Tayyip Erdogan zum Sultan der Türkei wählen lassen. Der künftige Kurs der Macht am Bosporus ist vorprogrammiert: Das offizielle Ende von Meinungsfreiheit und Menschenrechten und die Hinwendung zum Neo-Busenfreund Putin. Die Türken lieben ihn offensichtlich dafür, dass er Europa den Mittelfinger frech ins Gesicht streckt. Sie lieben ihn dafür, dass er die Todesstrafe fordert, dass er Gegner brutal ausschaltet und von der Demokratie wenig hält. Erschreckend hoch ist die Begeisterung der Austro- und Deutschtürken. Erste Schätzungen gehen von mindestens 50 Prozent Befürwortern aus. Ja, was hat dieser Mann, was den Europäern fehlt? Eier?

Kurz, das Ergebnis ist zu akzeptieren – das wird die wohl resignierende Botschaft von Politikern der EU sein, wenn sie den Ausgang des türkischen Referendums kommentieren müssen.

Das grundlegende „Problem“ an Erdogan ist, dass er sich selbst zum Despoten empor gearbeitet hat. Vom Seemannsohn zum Istanbuler Oberbürgermeister zum Präsidenten der Republik. Und jetzt zum Erdogan-Pascha. Unter seiner Herrschaft, während der er sich noch nie an westlich-demokratische Spielregeln gehalten hatte, blühte die Türkei wirtschaftlich auf. Deshalb ist es mehr als der Hälfe der 55+ Millionen Türken ziemlich egal, was Intellektuelle, Oppositionelle und Journalisten am Führungsstil von Heilsbringer Erdogan zu meckern haben. Die Gewinner des Wirtschaftswunders haben ihrem Recep die Stange gehalten.

Für die tiefe Krise, in der die Türkei seit einigen Jahren steckt, ist keinesfalls der heilige Recep verantwortlich. Während man rebellierende und bombende Kurden gewohnt war, trieb der böse IS Touristen aus und Intimfeind Basher Al-Assad Flüchtlingsströme ins Land. Am gescheiterten Putsch – wenn er denn nicht doch von Erdogan selbst inszeniert wurde – ist der Erzfeind Fethullah Gülen schuld. Und natürlich sind da noch die Nazi-Merkel und ihre EU-Komplizen, die nicht nur zu Wenig Cash für Refugees schicken, sondern mehr und mehr der Türkei die Tür zur Mitgliedschaft in der EU zugedrückt haben.

Rückwirkend wirkt es wie ein Masterplan, den Erdogan ausgeheckt und durchgezogen hat. Jeder seiner Provokationen folgte die berechenbare Reaktion einer zahmen EU, seine Repliken wurden schärfer, die Mittel härter. Vom Aussperren deutscher Politiker vom NATO-Stützpunkt bis zur Verhaftung eines deutsch-türkischen Journalisten. Die Ego-Spirale drehte sich erfolgreich weiter. Wenn sich die EU schon nicht erpressen lässt, dann schlägt ihr Erdogan die Tür vor der Nase zu. Ein Schritt, für den die Brüsselianer immer zu feig waren.

Der de facto Absage an die EU-Mitgliedschaft musste, als logische Alternative, der Weg zur Alleinherrschaft führen.

Nun müssen die leeren Strände gefüllt und der gesamte Tourismus muss vollkommen neu aufgebaut und werden. Bereits vor einigen Jahren hatte Wladimir Putin sämtliche russischen Tourismusagenden vom „unsicheren“ Ägypten nach Istanbul verlegen lassen. Eine neue Prime Destination für russische Sonnenanbeter liegt auf der Hand...

Durch die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland konnte sich die Türkei über ein Florieren des Handels mit Putins Reich freuen.

In der jüngeren Vergangenheit hat Erdogan auch der NATO bzw. NATO-Partner wie Deutschland den Hintern ins Gesicht gestreckt – rückblickend ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Logisch wäre, dass sich Erdogan mit seiner Türkei nun dem Westen gänzlich abwendet. Eine Intensivierung der Bromance mit Wladimir wäre eine Win-Win-Situation: Recep bekäme seine, schon bald überlebenswichtigen besseren Wirtschaftsdaten, die seinen Machtanspruch noch mehr untermauern. Herr Putin könnte, im schlimmsten Fall, mit einem militärischen Partner Türkei auf die bisher so wichtigen russischen Basen in Syrien pfeifen.

Problematisch könnte, und das liegt viel näher, ein ausbrechender Konflikt von Erdogan-Fans und -Gegner unter den Türken in der EU sein. Zudem hat der Pascha vom Bosporus von einem "türkischen Europa" fantasiert. Möglich ist das allemal.

shutterstock / kafeinkolik

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