Speisewagen sind ein besonderer Ort

Seit meinem 15. Lebensjahr fahre ich regelmäßig mit der Bahn. Manchmal in der ersten Klasse, manchmal in der zweiten Klasse. Bei Nostalgiezügen gerne auch mal in der vierten Klasse. Am liebsten fahre ich aber im Speisewagen.

Das Fahren im Speisewagen vereint zwei sinnliche Wahrnehmungen. Zum einen genießt das Auge die Landschaft, zum anderen verwöhnt man den Gaumen mit einem schmackhaften Essen oder einem guten Wein. Nun, beides ist aber nicht selbstverständlich, darum folgt ein kleiner Abriss über die Erfahrungen mit Speisewägen verschiedener Nationen.

Als ich noch mit dem Triebwagenzug 4010 der österreichischen Bundesbahnen fuhr (das war jener Zug, wo man die Polstersitze in den Abteilen zu einer tollen Liegelandschaft zusammenstellen konnte) war die Auswahl im Speisewagen sehr einfach. Auf der Hinfahrt bestellte ich einen Toast, auf der Rückfahrt genehmigte ich mir ein Paar Frankfurter mit Senf und Kren. An Feiertagen wählte ich die umgekehrte Reihenfolge.

Erst später mit den großen Speisewägen in den langen Reisezügen wurde auch die Auswahl größer. Es gab richtige Hauptspeisen zur Auswahl. Und wenn die KellnerInnen clever waren, boten sie auch Kürbiskernöl zum Salat an, auch wenn das so gar nicht auf der Speisekarte stand. Das Angebot auf der Speisekarte blieb aber für längere Zeit gleich, nur zwischen den Zügen gab es leichte Unterschiede. Mit der Zeit lernte ich, dass es das Schnitzel nur auf jenen Garnituren gab, wo zwei Stewards im Speisewagen werkelten.

Schnitzel! Hier fällt mir immer wieder der inzwischen abgeschaffte kroatische Speisewagen ein, der mich einmal die Woche von Graz nach Wien brachte. Ein Kellner, der mich stark an Omar Sharif erinnerte, nahm meine Bestellung auf – z.B. Pariser Schnitzel – und bald darauf ertönte aus dem kombüsenartigen Verschlag im hinteren Teil des Speisewagens ein energisches Klopfen! Hier wurde das Schnitzel noch frisch zubereitet. So frisch, das es nach dem Servieren noch leichte Blasen bildete.

Auf der Westbahn freute ich mich dafür immer wieder auf die aus Budapest kommenden Züge, die einen ungarischen Speisewagen mit sich führten. Hier bestellte ich verschiedene Hauptspeisen, immer dabei war aber der ungarische Krautsalat, den ich nur von diesem Speisenwagenbetreiber angeboten bekam.

Eine Zeit lang fuhr ein Zug von Slowenien kommend über Graz – Selzthal – Linz nach Prag. Dieser Zug führte einen tschechischen Speisewagen mit. In diesem Speisewagen liebte ich vor allem zwei Dinge: Zum Einen die auffallende Mischung an internationalen Fahrgästen, der Zug wurde offensichtlich gerne von InterRail’ern benutzt. Und ich schätzte auch das Nationale an diesem Zug. Damit meinte ich das tschechische Bier. Budweiser! Besonders gern genossen zu einer Portion svíčková na smetaně, ein Lungenbraten mit sämiger Sahnesauce und böhmischen Knödeln.

Was haben die Deutschen zu bieten? Im ICE gucke ich immer nach, was der Koch des Monats so empfiehlt. Die Idee mit der monatlich wechselnden Speisekarte schätze ich als Vielreisender sehr. Durch die ständig wechselnden Gerichte erfährt man auch viel mehr über das gerade bereiste Land. Zugegeben, es schmeckt nicht alles gleich gut. Aus einem Magazinbericht entnahm ich auch den Grund: Die Rezepte müssen für die Zubereitungsart Mikrowelle extra adaptiert werden. Bei manchen Gerichten geht das einfach leichter als bei anderen. Eintopf schmeckt mir übrigens auf einem deutschen Speisewagen immer.

Ab und zu fahre ich auch mit einem Schweizer Speisewagen. Obwohl ich die Anordnung der Tisch in diesen Speisewagen sehr schätze – man kann dort als kleine Gruppe auch an einem halbrunden Tisch sitzen – sind die Preise schon unglaublich hoch. Deshalb nutze ich die Speisewagen der SBB nur alles sechs Jahre. Wenn mein Bausparvertrag ausgezahlt wird :)

Aber abseits vom Essen und Trinken und den etwas hohen Preisen, sind Speisewagen trotzdem ein besonderer Ort. Sie geben einem die Chance bemerkenswerte Menschen kennen zu lernen. Noch immer denke ich gerne an jenes Gespräch mit einem Ingenieur zurück, der mir erzählte, dass er in Sibirien vom Bahnhof immer mit der Planierraupe zu seinen Einsatzorten fuhr. Weil die Straße bei dieser Gelegenheit erst wieder in Ordnung gebracht werden musste.

Oder ich erinnere mich an jenen Zeitnehmer für internationale Skirennen, der stolz seine Geräte zeigte, die auch bei tiefen Wintertemperaturen die Zeit noch auf 1/100 genau anzeigen. Geräte, die er zuvor aus einem Kästchen hervor holte, das mich entfernt an einen Zauberkasten erinnerte.

Manchmal sind es aber auch ganz einfache Begegnungen, zum Beispiel wenn eine junge Mutter ihr kleines Mädchen mit dem Löffel füttert und liebevoll beobachtet, ob wohl alles dem Nachwuchs gut bekommt. Oder die resolute Dame, die mich einfach aufforderte, ihr beim Verpacken der Weihnachtsgeschenke zu helfen.

Leider ist mit den modernen Speisewagen im Railjet vieles von diesem alten Flair verloren gegangen. Das verweilen im Speisewagen ist nicht mehr so entspannend, wie es früher einmal war. Und so halte ich nach alten Speisewagen Ausschau. Seit ihr in der letzten Zeit mal mit einem solchen gefahren? Gab es mal ein besonders anregendes Gespräch mit einem zunächst fremden Tischnachbarn? Oder habt ihr mal in einem Speisewagen ein bemerkenswert interessantes Gericht entdeckt? Auf eure Kommentare bin ich schon gespannt.

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Bernhard Juranek

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Judith Innreither

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