60 Jahre Römische Verträge - Zeit für den Blick nach vorne

An diesem Wochenende feiern wir in Rom die Unterzeichnung der sogenannten „Römischen Verträge“, die 1957 den Grundstein für die heutige Europäische Union gelegt haben.

Die Bedeutung dieses Jubiläums für das „Friedensprojekt Europa“ wird in vielen Reden und hoffentlich auch Zeitungskommentaren in den nächsten Tagen beschrieben werden, sodass ich dem nicht viel hinzufügen möchte.

Für mich ist es aber auch ein Zeitpunkt, nicht nur auf die Errungenschaften, sondern auch in die Zukunft unserer EU zu blicken. Vielfach wird (und wurde ja speziell zu Jahresbeginn) mit den 2017 stattfindenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland von einem Schicksalsjahr gesprochen und der Zusammenbruch der Staatengemeinschaft prophezeit.

Ich bin davon überzeugt, dass dies nicht der Fall sein wird und nach den Niederlanden vor einer Woche auch Frankreich und Deutschland den europäischen Weg weitergehen werden und so 2017 sogar neuen Schwung bringen wird. Also lohnt sich meiner Meinung nach ein Blick auf das Gesamtwerk bzw. viel mehr noch auf die Zukunft:

Der Kern unserer EU als Friedensprojekt wird für mich immer bleiben, auch wenn er manchen in der Zwischenzeit als selbstverständlich gilt. Die großartige politische Kulturleistung, dass sich hier erstmals und einzigartig auf der Welt, unabhängige Staaten freiwillig auf Vertragsbasis zusammengefunden haben, um gemeinsam in an einer besseren Zukunft für alle zu arbeiten, sollten wir einfach nie vergessen.

Um allerdings zu sehen, wie schnell die „Selbstverständlichkeit“ Frieden vorbei sein kann, muss man nicht das Beispiel Ex-Jugoslawiens aus den 90er-Jahren („lange her“) oder den aktuellen Krieg in Syrien („weit weg“ bemühen, sondern nur in die Ukraine blicken (aktuell und von Wien ist das Land genau so weit entfernt wie Bregenz).

Es geht auch nicht darum, dass Politiker_innen, die der EU ihren Job verdanken, sich selbst und das eigene Luftschloss loben. Man muss auch nicht Schwarz-Weiß-malend entweder alles toll oder alles schlecht finden.

Für mich steht fest: Für die EU als Projekt gibt es keinen gleichwertigen Ersatz. Die Union als Ausdruck unterschiedlicher Länder, gemeinsam die Zukunft zu gestalten, werde ich nie in Frage stellen, sondern immer unterstützen. Ich sehe daher Österreich immer als Teil dieser Union und möchte mit dem Gedanken eines Austritts nicht spielen bzw. ihn in der politischen Diskussion als Lösung verkaufen.

Wenn wir aber in Europa auch zukünftig Sicherheit, Wohlstand und Lebensqualität haben wollen, brauchen wir proaktive, gemeinsame Strategien in Antwort auf die vielen Krisenherde vor unserer Haustüre. Die Außen- und Sicherheitspolitik soll „vergemeinschaftet“ und proaktiv ausgerichtet werden. Derzeit ist sie zögerlich und stets „too little, too late“, während vor unserer Tür die heißen und kalten Konflikte zunehmen (von Nordafrika über Syrien bis Ukraine). Wichtig für eine europäische Sicherheitsarchitektur ist der schrittweise Aufbau einer europäischen Armee, die auf Beschluss des Europäischen Parlaments für friedenssichernde – in Einklang mit einem UNO-Mandat auch für friedensschaffende – Einsätze zur Verfügung steht.

Bei den aktuellen Regierungschefs der Mitgliedsstaaten ist von diesem visionären Denken nicht viel zu sehen. Die Konsequenz daraus: Die Union ist für die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar und damit ein leichtes Ziel national-populistischer Verleumdung. Neo-nationalistische Lösungsansätze der Regierungen verdrängen europäische Visionen und Handlungen.

Wir müssen daran arbeiten, aus einem Zusammenschluss von Nationalstaaten eine Republik der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu machen. Nicht Stacheldraht rund um 28 nationale Inseln wird uns auf diesem Kontinent stark machen, sondern das gemeinsame Kultivieren von vorwärts gerichteten Antworten auf die Phänomene unserer Zeit wie Globalisierung und Digitalisierung – mit europäischen Parteien, einem Europäischen Parlament und einer europäischen Regierung. Wir brauchen die „Europäische Republik“!

Um diese Idee schrittweise zu verwirklichen, muss Europa in seinen Strukturen neu gestaltet werden. Die Europäische Union muss dabei nicht nur in den Köpfen, sondern auch in den Herzen der Bürger_innen verankert werden – und das geht nur, indem die Europäer_innen eine Chance bekommen, die Zukunft Europas mitzugestalten. Die Zukunft eines gemeinsamen Europas muss grenzüberschreitend erarbeitet werden – europäische Zukunft entsteht nicht in nationalen Köpfen.

Für ein Europa der Bürger_innen braucht es eine große Institutionenreform basierend auf Transparenz und Mitbestimmung:

1.Das Projekt einer gemeinsamen europäischen Verfassung braucht eine entschlossene Neu-Initiative. Ein europäischer Verfassungskonvent soll unter Beteiligung der europäischen Bürger_innen einen Vorschlag erarbeiten.

2.Rat und Parlament als zwei gesetzgebende Kammern müssen neu gedacht werden. Das Parlament braucht mehr Rechte und soll die Unionsbürger_innen repräsentieren. Der Rat als zweite gesetzgebende Kammer soll durch direkt gewählte Mandar_innen die Mitgliedsstaaten repräsentieren.

3.Die Kommission soll zu einer echten EU-Regierung werden, deren Präsident ebenfalls direkt gewählt wird.

4.Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik braucht eine eigene Architektur und klare Verantwortlichkeiten und entsprechende Ressourcen für eine europäische Armee.

All das wird nicht von heute auf morgen und auch nicht unbedingt einfach umzusetzen sein, da der politische Gegenwind und/oder die Motivation dafür woh lvor jeder nationalen Wahl irgendwo zunehmen wird. Wenn wir aber den Schwung aus 2017 mitnehmen und diese Forderungen mit konkreten Umsetzungsschritten vorantreiben, dann können wir unsere Europäische Union für die nächsten 60 Jahre auf moderne Fundamente stellen und in einigen Jahrzehnten auch darauf stolz zurückblicken. Ich werde meinen Teil dazu tun, dass Österreich hier eine gestaltende Rolle übernimmt!

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