Die Unterfraktionen von Gruppen, denen man sich nicht zugehörig fühlt, sind für uns unsichtbar und da ich mich nicht als Patriot sehe, war für mich „Patriotismus“ eigentlich immer ein heterogener Block von Typen die einer Grenze auf einer Karte eine überhöhte Bedeutung zusprachen. Die Schlussfolgerung ist nicht völlig falsch, übersieht aber ein interessantes Detail, das wir gemeinsam erkunden wollen.
In einer Debatte rund um die im Moment im rechten Spektrum erstarkende Fraktion der Buchanisten (Also Rechte die sich auf Pat Buchanan, Enoch Powell, Roger Scruton und so weiter beziehen) wurde eingeworfen, dass Enoch Powell, zum großen Unbehagen von Margaret Thatcher, meinte dass er das Land auch unterstützen würde, wenn es kommunistisch ist.
Das Zitat traf mich wie ein Hammer, weil es so überraschend aber in sich betrachtet, völlig logisch ist.
Der Patriot liebt sein Land und das Land ist in erster Linie die Beziehungen zwischen den Menschen in dem Land. Aus diesen Beziehungen leiten sich Regeln, Gesetz und Kulturen ab und bilden damit eine Identität, die aber eben emergent aus den Leuten im Land entsteht.
Für den Patrioten zählt nicht, wie ich ihm unterstellt habe, eine Linie auf einer Karte, was für ihn zählt ist die Erkenntnis, dass Gruppen die historisch irgendwie zu einem Konsens gefunden haben und nun Nationen bilden, wichtig sind, weil besagter Konsens distinkt, einzigartig und deswegen wichtig ist.
Die Buchanisten verstehen sich in diesem Zusammenhang und stehen damit im Gegensatz zur (neo-)liberalen Rechten für die im Wesentlichen zählt, ob die wirtschaftliche Bilanz stimmt (Je nach Unterfraktion sind es nur unterschiedliche Bilanzen).
Und natürlich der Linken, für die wieder eine andere Bilanz wichtig ist (zwischen "bekommt jeder das Gleiche" und "bekommt jeder was ihm zusteht", der Linke denkt aber typischerweise auch eher wirtschaftlich). Beide rezente Fraktionen, Links und Rechts, argumentieren rund um Bilanzen. Der Buchanist aber nicht.
Ich selber sehe mich im rechtsliberalen Spektrum, meine Priorität ist Effizienz und „ob es sich auszahlt“, daraus leiten sich Prinzipien ab wie etwa dass ich, wenn ich die gleiche Dienstleistung von jemandem bekomme der aussieht wie ich, aber billiger von einem Migranten, ich sie vom Migranten kaufe und ich Rassismus entsprechend als eine Praxis verstehe die Kosten verursacht und daher immer argumentiert habe, dass besagter Gewinndrang den Rassismus tausend mal besser ausrotten kann als all die schönen Worte der Linken.
Die Krux an der Sache ist, dass es kein per se patriotisches Prinzip gibt das meiner Schlussfolgerung widerspricht oder sie bestätigt. Patrioten tun „Was gut fürs Land ist“ und für einen Patrioten, liberaler Ausrichtung (für den wirtschaftliche Faktoren wichtig sind) ist etwa Globalisierung gut fürs Land. So ironisch das klingen mag. Was aber wenn andere Dinge zählen, wie die eigene Kultur zu erhalten oder aber im Falle der Ethnonationalisten (siehe China) die ethnische Homogenität.
Der aktuelle Wirtschaftskrieg den die Trump Administration führt, ist das sichtbarste Beispiel dieses Konflikts. Der liberale Teil des rechten Spektrums, wie etwa Thomas Sowell, argumentiert dass diese Aktionen wirtschaftlich keinen Sinn ergeben, aber der Buchanist hält dem entgegen, dass es „gut für Amerika ist“ weil Amerika eben nicht nur eine Wirtschaftszone ist, sondern zur amerikanischen Identität andere Elemente gehören.
Zieht man die Definition des Patrioten noch weiter, sind auch Menschen die für „no nations, no borders“, also für eine „vereinte Welt“ argumentieren im weitest möglichen Sinn, Patrioten einer Weltnation. Aus genau dem Grund kritisiert die Neoliberale Rechte die Buchanisten als „Woke Right“.
Ich finde die Debatte interessant und finde es bedauerlich, dass der Mitteleuropäer davon nichts mitbekommt, weil für uns all diese Begrifflichkeiten völlig Tabu geworden sind. Ich denke aber wir sehen einen potentiellen paradigmatischen Wechsel weg von der neoliberalen Rechten und hin zu einer buchanistischen Rechten, die historisch und geographisch betrachtet, eigentlich eher das abbildet was Menschen als „normal“ betrachten.
Auch der Kommunist kann ein Patriot sein und die Wahrheit ist, dass die meisten Kommunisten patriotischer sind als Neoliberale. Und das ist für das etablierte (neo)liberale Weltbild ein Problem, denn wenn der Patriot beschließt, dass Sozialismus „Gut fürs Land ist“ dann ist er ein Sozialist. Diese Flexibilität macht ihn verhältnismäßig unberechenbar. Aber eben flexibel und anpassungsfähiger als sowohl die rezente Mainstream Linke wie auch die rezente Mainstream Rechte.
Die Phase in der die Wirtschaft die Welt vereinen hätte können und lästige Dinge wie Rassismus ausrotten hätte können ist wohl am Ausklingen und wir kehren in einen Tribalismus zurück der eigentlich überall anders auf der Welt und immer in der Geschichte die Normalität dargestellt hat.
Der Patriotismus kommt, eventuell mit anderem Namen, zurück und uns in Europa könnte, weil wir willentlich blind für die Entwicklung sind, diese philosophische Revolution eiskalt erwischen.
Entsprechend macht es Sinn sich diese Entwicklung anzusehen und den Patriotismus, den wir nicht mehr verstehen, genau unter die Lupe zu nehmen um zu kapieren wie und warum das Ding im Aufwind ist.
Denn eine Flut könnte kommen. Weder Wegschauen noch Gesetze könnten das verhindern.