LARP steht für „Live Action Role Playing“, also Live-Rollenspiel. In so einem Spiel treffen sich, zumeist verkleidete, Menschen und spielen dann dass sie etwas sind was sie nicht sind. Man trifft sich in schickem Gewand und tut so als sei man die High Society zu viktorianischen Zeit, man trifft sich und spielt man sei ein Elfenzauberer oder aber eine Gruppe Astronauten im Weltall. Und manche Menschen treffen sich und spielen Revolutionäre in einem fiktiven Krieg.

Üblicherweise hast das LARP einen fixen Ort und eine fixe Zeit. Zwischen dem 17. Und 19. 09. 2021 etwa ist der Campingplatz Gut Kalberschnacle in Nordrhein-Westfalen von Elfen und Orks, Zauberern und Kriegerprinzessinen besiedelt. Jene die dort ansässig sind wird das aber nicht wundern. Das Event ist angemeldet und der Platz gemietet und wenn etwas zu Schaden kommt dann ist klar wer zur Rechenschaft gezogen werden muss.

Warum aber treffen sich Menschen in albernen Kostümen und verbringen ihr Wochenende auf diese Art und Weise? Als jemand der dafür weniger empfänglich ist bleiben nur die Beobachtungen an anderen und deren Aussagen und diese Aussagen überschneiden sich in einem Bereich: man flüchtet vor der Realität und verbringt seine Zeit mit Gleichgesinnten um eine Realität zu schaffen die netter ist als die echte Realität.

Das LARP ist dabei eine Möglichkeit besonders tief in so eine erfundene Realität einzudringen, ähnlich verhält es sich mit dem Phänomen der Mittelalterevents und den heute eher aus der Mode gekommenen Wilder Westen Veranstaltungen. Alle Teilnehmer solcher Veranstaltungen genießen es, wenigstens für eine gewisse Zeit, die Realität hinter sich zu lassen und so zu tun als wäre die Welt anders, dabei ist es egal ob man sich in eine Welt träumt in der Raumschiffe von Dampf angetrieben werden, Orks mit Roboterarmen auf Hoverbikes durch die Straße düsen oder Zauberei Teil des Alltags wäre.

Hauptsache man ist nicht mehr Anna die kleine Beamtin mit der fürchterlichen Chefin sondern wenigstens für 2 Tage Zora, Herrin des Chaos und Gebieterin über das Echsenvolk.

Es geht immer darum für eine Zeit die echte Welt zu verlassen und möglichst tief in eine Phantasiewelt einzutauchen die „besser“ ist als die wahre Welt, weil die wahre Welt sich langsam aber sicher immer unerträglicher anfühlt.

Endet das Event folgt dem Hoch aber oftmals ein Tief und man fiebert dem nächsten Event zu. Es wäre falsch von Sucht zu sprechen, korrekter wäre von einer tiefen Sehnsucht auszugehen die bis zu einem gewissen Grad die Realität beeinflusst.

Viele Menschen leben in der realen Welt nur um zum nächsten Event zu gelangen und ihre Persona dort ist für viele „echter“ als das was sie in Wirklichkeit sind. Anna hat das Gefühl dass sie Anna nur spielt aber „in Wirklichkeit“ fühlt sie sich mehr wie Prinzessin Zora.

Von allen Möglichkeiten in eine Phantasiewelt einzutauchen, von Büchern über Brettspielen, über Rollenspiele ist das LARP eine Möglichkeit besonders tief einzutauchen.

Es gibt im Grunde nur noch eine Möglichkeit (neben der Religion) noch tiefer in so eine Phantasie einzutauchen und das ist das politische LARP. Die Ähnlichkeiten sind hierbei bestechend, man denkt sich wieder eine Rolle aus die man dann erfüllt. Revolutionär, Verteidiger der Enterbten, Kämpfer für den wahren Glauben, Vernichter der Nazis, und so weiter. Man lässt aber die örtliche und zeitliche Limitierung ziehen.

Man trifft sich zwar zu Gruppenevents, zB sogenannten „Demonstrationen“ und simuliert damit das Gefühl auf- oder einzumarschieren aber wenn das Event vorbei ist dann geht man nicht nachhause und ist wieder Anna die Beamtin sondern man bleibt Zora, die Revolutionärin und die Welt bleibt das Spielfeld.

Die fiktive Persona wird zur eigentlichen Identität. Vor allem im Internet ermöglicht es diese Transformation von Anna zu Zora rascher zu vollziehen. Die Medien sprechen von „Radikalisierung“, tatsächlich ist es aber eine Transformation <von der Person die die Welt geprägt hat> und die ist wie sie ist weil die Welt so ist wie sie ist hin zu <der Person die sie gern wäre> in einer Welt die so ist wie sie sie gern hätte.

Das wirft die Frage auf ob wir als Gesellschaft zunehmend verrückter werden und die Antwort ist vermutlich "eher nein".

Menschen sind schon immer vor der Realität geflüchtet. Schon in der Steinzeit erzählte man am Abend Phantasiegeschichten und flüchtete so vor dem Alltag und auf Papier haben wir sehr viel mehr Phantasie als Fakten niedergeschrieben.

Schon immer flüchteten wir uns in Traumwelten. Und immer schon gab es Menschen die die Traumwelt als „wahrer“ verstanden haben als die wahre Welt. Klassisch sprach man von den „Religiösen“ denn für die religiöse Person ist Himmel und Hölle wahrer als die echte Welt.

Im Westen ist die Religion diskreditiert aber der religiöse Menschenschlag, also jene für die Märchen wichtiger sind als die wahre Welt, die einen ewigen Kampf zwischen dem absolut Guten und absolut Bösen als „die wahre Herausforderung“ sehen, ist noch da.

Und genau diese Menschen können nicht mehr an Gott glauben, denn wer an Gott glaubt ist eben in den Augen der weiteren Gesellschaft ein Dumpfbeutel. Also glaubt man nun an andere Dinge und flüchtet sich in andere Märchen, hofft auf ein "reales Paradies"

Die Ansicht dass ein erheblicher Teil der Politik heute defakto religiösen Charakter hat wird langsam mehrheitsfähig, schlicht weil es so offensichtlich wird.

Damit wird aber auch klar dass viele Menschen mit ihrem Aktionismus einfach nur versuchen der realen Welt zu entfliehen und sich auf dieser Flucht so verlaufen haben dass der Weg zurück in unsere profane, langweilige, unfaire aber reale Welt fast schon unmöglich ist.

Diese Menschen werden zu den Phantasiewesen die sie gern wären mit Kräften die sich aber eben nicht manifestieren und genau in aus dieser Impotenz entsteht Frustration und Wut die sich dann in Nihilismus und Zerstörungswut manifestiert, genau wie bei den religiösen Fanatikern in der echten Geschichte.

Gibt es dazu eine Lösung? Vermutlich nicht. Es gilt zu akzeptieren dass ein wesentlicher Teil der Bevölkerung nicht in der realen Welt leben möchte und in ihr eher schlecht als recht überlebt. Das wirft aber die Frage auf ob man solchen Leuten wirklich das Steuer in die Hand geben sollte.

W N G https://wng.org/articles/a-year-of-riots-1622151377

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