Alle Ideologien haben fundamental eines gemeinsam: sie sehen ihre eigenen Kernwerte als universal an und die Werte anderer Ideologien als spezifisch und einer Gruppe zugehörig.
Was bedeutet das?
Es bedeutet, dass jede Ideologie deklariert, dass sie, essenziell, die korrekte Blaupause des Zusammenlebens darstellt, und zwar nicht nur für die Gruppe, die sie erfunden hat sondern für jeden Menschen auf der ganzen Welt. Typischerweise wird angenommen, dass es eine universale Lösung gibt und konkurrierende Wertesysteme werden als „die alten Wege“ verstanden die der universalen Lösung im Weg stehen.
Da die Anhänger der universellen Wahrheit natürlich den moralischen Highground haben ist es völlig legitim die „alten Wege“ zu beseitigen, wenn möglich natürlich mit Gewalt.
Wenn der Idealist dann dabei ist seine Mitmenschen, die nicht glauben was er glaubt, öffentlich zu erniedrigen oder hinzurichten wundert er sich über den Pushback und die Anmaßung der „Anhänger der alten Wege“ ihm Widerstand zu leisten, ihm: den Kämpfer für Wahrheit und Gerechtigkeit, Harmonie, Liebe und mordender Straßenmobs.
Gibt es universelle Werte?
Ich denke nicht.
Ich denke keine unserer Ideologien ist universal. Weder die weltlichen Flügel der Religionen noch die Politik oder sonst etwas.
Die Ideologie, der wir uns verschreiben ist eine Idealisierung unseres Strebens mit unserem Potential die Welt besser zu machen. Wer gut trösten kann, sieht das Trösten als Kernwert, weil das die Sache ist, mit der er jeden Tag die Welt besser macht. Die Wahrheit ist aber eben offensichtlich: Wenn wir alle trösten, verhungern wir.
Wir brauchen auch jene die nach Effizienz streben, jene die uns am Boden halten und jene die uns Visionen für die Zukunft geben, die Weltlichen und die Spirituellen, Ratioalen und Spinner.
Es gibt keine universellen Werte, es gibt nur Millionen von Menschen die denken dass ihre Werte universelle sind oder sein sollten.
Wir leben in einem Paradigma in dem wir uns im Westen dazu verleiten haben lassen zu glauben dass Konzepte wie die Menschenrechte so fundamental richtig sind, dass jeder der in ein Land kommt das sich von allen seinen alten Wegen (wie etwa dem Christentum) getrennt hat und jetzt auf Basis der Menschenrechte existiert, sofort von diesem Konzept überzeugt sein wird und damit beweist: ja, wir haben die Lösung, die Menschenrechte sind universal und bald wird die ganze Welt harmonisch nach diesen Regeln leben.
Also haben wir die Grenzen geöffnet und die Multikultur deklariert, in dem Glauben dass die Multikultur zu einer Kultur der Menschenrechte wird, die alle anderen alten Wege hinter sich lässt.
Das ist nicht passiert.
Was passiert ist, ist wir jetzt einen Haufen konkurrierender Wertsysteme haben die sich voneinander abschotten.
Das ist nicht was passieren hätte sollen.
Was passieren hätte sollen ist aber nicht passiert, weil die Grundannahme, also dass die Menschenrechte universal sind und den idealen kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen, offensichtlich falsch ist: nicht jeder akzeptiert sie oder sieht sie als „seinen alten Werten“ überlegen an.
Also zwingen wir, nötigen, fördern wir.
Eine universale Idee aber braucht keine Förderung, keinen Zwang, keinen Druck, keine Nötigung, sie überzeugt aus sich heraus und der Umstand dass wir nach 5000 Jahren Zivilisation und Handel zwischen den Kulturen noch immer unterschiedliche Kulturen haben, hat uns zur korrekten Schlussfolgerung gebracht, die wir in den letzten 50 Jahren vergessen haben: Werte sind nicht universal und die beste Möglichkeit des Zusammenlebens ist zwischen Menschen mit unterschiedlichen Werten Zäune zu spannen und zu sagen „hier gelten andere Regeln“.
Das haben die Menschen vor 50 Jahren vergessen und das lernen wir jetzt wieder.
Wir mögen Grenzen nicht weil wir denken, dass jeder ein Recht auf unsere Werte hat aber weil das alle glauben, brauchen wir besagte Grenzen.
Ob wir wollen oder nicht.
Der Grund dafür ist einfach: Es gibt keine universalen Werte, nur der Glaube dass die eigenen Werte universal sind, ist universal.