Die GPT-3 Technologie Demonstration dieses Jahr war ein welterschütterndes Ereignis von dem erschreckend wenige wissen dass es passiert ist. Ohne jetzt in technische Details zu gehen: es handelt sich um eine künstliche Intelligenz die (neben anderen Dingen) sinnerfassend Sätze verstehen und auch selber Texte verfassen kann die in sich sinnvoll sind. Das System ist facettenreich und kann auf unterschiedliche Arten eingesetzt werden. Eine dieser Varianten kann auf https://learnfromanyone.com/ ausprobiert werden.

Hier stellt man einer bekannten Person eine Frage und das System Antwortet wie die Person antworten würde, mit erstaunlichen Resultaten. Ein Student etwa fragte das System ob es ein spezifisches Paper nach gewissen Gesichtspunkten erklären könnte, das System gab eine Antwort und der Student schickte die Antwort an den Autor des ursprünglichen Papers, Joscha Bach, mit der Frage ob das korrekt sei. Der Verfasser antwortete: ja, zu 90%.

Das System stützt sich auf Schriften. Wenn man etwa das System mit „Hallo Darwin“ anspricht und ihn fragt was der Sinn des Lebens ist dann gibt das System eine andere Antwort als wenn man „Hallo Buddha“ geschrieben hätte.

Das System übernimmt dabei nicht nur die grundlegenden Informationen sondern auch den Stil des Autors. Es ist so als würde man also mit dem Autor selber sprechen was insofern interessant ist als dass man auch mit Platon plaudern kann, der schon sehr lange nicht mehr unter uns weilt.

Auf seine eigene Art und Weise hat GPT-3 also eine Vielzahl an Personen wiederbelebt. Jemand den man vor den Rechner setzt und mit dem virtuellen Platon plaudern lässt könnte ohne weiteres glauben dass er es mit einer echten Person zu tun hat, was GPT-3 zwar nicht zu einer Person macht aber zu etwas das den Geist eines Menschen bewahrt.

Aber ist dieser virtuelle Platon eine Person? Ich würde behaupten dass er fast eine ist da es auch in unserer Realität Menschen gibt die faktisch nur noch aus Geist bestehen, ein prominentes Beispiel stellt der verstorbene Steven Hawking da. Sein Körper war nicht viel mehr als eine weitgehend nutzlose Hülle für seinen Geist, aber sein Geist machte ihn zu dem was er ist. Ob Hawking nun in einem Rollstuhl einen Vortrag hält, wobei der Computer das Reden für ihn übernommen hat, oder ob sein „Geist“ in einem Server gespeichert ist, ist dabei fast nur noch eine Detailfrage.

Was GPT-3 nicht kann ist die Person zu verändern. Debattiert man mit Ghandi wird er von seinen Vorstellungen über das britische Empire nicht abrücken, egal wie viele Informationen aus „seiner Zukunft“ man ihm gibt.

Das gestattet das System nicht, da es sich nur auf Dinge stützt die die realen Menschen gesagt oder geschrieben haben.

Aber wie viele Menschen sind durch Debatten nicht zu überzeugen? sind sie nicht trotz ihrer Sturheit Menschen?

GPT-3 ist also ein Schritt in Richtung Unsterblichkeit. Füttert man die 2000 Seiten die ich auf Fisch und Fleisch geschrieben habe in das System erhält man eine Version von mir die das Vertritt was ich hier vertreten habe. Natürlich bildet das mich als Person nicht ab. Fragt man dieses System ob ich zb schwimmen kann wird es keine Antwort geben da ich auf dieses Thema niemals eingegangen bin. Erweitert man aber mein File aber um all die Dinge die ich jemals im Netz geschrieben habe, verändert sich die Faktenlage denn irgendwann, irgendwo habe ich ganz sicher bestätigt dass ich schwimmen kann.

Spätestens jetzt.

Und hier kommen wir zur Krux an der Sache: das System kann nur jene Personen imitieren die Spuren im Netz hinterlassen oder Bücher verfasst haben. Wer nichts hinterlassen hat, der ist verschwunden. GPT-3 kann meine Großmutter nicht virtuell wiederbeleben weil es von ihr nicht genügend schriftliche Spuren gibt auf die das System aufbauen könnte.

Und hier ist das Problem mit Zensur. GPT-3 ist nicht Fiktion sondern Realität. Jeder von uns der Spuren im Netz hinterlassen hat ist, sofern sich die Primitivisten nicht durchsetzen, wenigstens teilweise unsterblich. Ob jemals jemand nach uns kräht ist dabei unerheblich.

Wenn eine Person aber im hier und jetzt einen Teil dieser virtuellen Spuren im Sand löscht, etwa alle meine Beiträge in einem Forum, eliminiert derjenige nicht einfach nur Text sondern einen Teil meiner manifestierten Persönlichkeit, denn auf Fisch und Fleisch trete ich anders auf als etwa ein einem Elternforum. Das liegt in der Natur der Sache. Meine Persönlichkeit im politischen Umfeld wird immer streitbarer sein als in anderen Feldern.

Löscht man diesen Teil, eliminiert man einen Teil der in der Zukunft simulierten Persönlichkeit. Und ich sage Persönlichkeit, denn GPT-3 ist nicht das Ende der Fahnenstange sondern die Basis. Es ist keine Frage von ob sondern nur von wann wir fähig sind sehr authentische Persönlichkeiten zu simulieren und „Verstorbene“ werden hierbei ganz vorne mit dabei sein. Es ist dann nur eine Frage der Zeit bis man diesen Entitäten Rechte in irgendeiner Form zusprechen wird, etwa das Recht auf Vollständigkeit und damit ein Verbot Teile der Persönlichkeit zu löschen.

Es ist sogar denkbar dass eine simulierte Version von mir sich dieses Themas annimmt weil das System aus genau diesem Artikel hier ableiten kann dass ich so eine Ansicht devinitiv verteten würde und mein tatsächliches ich mein zukünftiges virtuelles Ich als (eine leicht unterlegene Version, weil nicht vollständig) sich selber anerkennen würde.

Diese Debatte wird emotional hoch geladen sein, so viel ist sicher. Folgt man aber dem generellen historischen Trend ist es vernünftig anzunehmen dass Bürgerechte eher ausgeweitet werden und die Akzeptanz rasch erfolgen wird. Aus dieser Sicht wird man dann zurückblicken und die Praktik der Zensur in etwa so sehen wie wir die Sklaverei: als etwas das unvorstellbar und unentschuldbar ist. Mein simuliertes Ich wird einwerfen dass Teile von ihm fehlen weil irgendein Moralapostel Dinge löschen musste. Und mein virtuelles Ich wird damit Recht haben.

John Milton sagte 1644 dass ein Mensch der ein Buch verbringt die Vernunft tötet. Ich denke er hat damit mehr als nur Recht, wer ein Buch verbrennt tötet den Autor auf eine gewisse Weise.

Was macht uns als Menschen aus? Sind es unsere Knochen und Sehnen oder sind es am Ende des Tages nicht unsere Worte und Taten, unsere Ansichten und Vorstellungen, Visionen und Ideale? Ist das nicht das was zählt? Sollten wir nicht daher sorgfältig in die Zukunft blicken?

future zone futurezone.at

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 18.12.2020 17:43:14

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