Neue Wörter: „Cisgender“ jetzt offiziell im Oxford English Dictionary

Sprache ist niemals fix und fertig, sondern ständig im Fluss. Wörter sterben aus, weil niemand sie benutzt, andere Wörter werden erfunden, weil sie gebraucht werden. Und irgendwann werden diese neuen Begriffe dann auch in die Wörterbücher aufgenommen und bekommen so quasi einen offiziellen Status.

Das ist jetzt mit dem englischen Wort „Cisgender“ passiert: Es steht seit kurzem im Oxford English Dictionary. Auch im Deutschen wird das Wort in feministischen Debatten bereits wie selbstverständlich verwendet, aber vielen dürfte es noch unbekannt sein. Was also ist mit „Cisgender“ gemeint?

„Cisgender“ ist das logische Pendent zu „Transgender“. Während „Transgender“ bedeutet, dass die geschlechtliche Identität einer Person anders ist als diejenige, die ihr bei der Geburt zugewiesen wurde, bedeutet „Cisgender“, dass die eigene geschlechtliche Identität mit der übereinstimmt, die bei der Geburt zugewiesen wurde. Kurz gesagt: Die meisten Leute sind „Cisgender“. Sie wurden bei der Geburt als „weiblich“ oder „männlich“ eingeordnet und verstehen sich später auch selbst als Frauen oder Männer.

Nun könnten vielleicht einige einwenden: Wieso braucht man dafür denn ein eigenes Wort? Es ist doch schließlich ganz „normal“, eine Frau oder ein Mann zu sein und auch von den anderen von Geburt an dafür gehalten zu werden! Aber genau das ist, worum es geht: die vermeintliche Normalität des bisher Gewohnten in Frage zu stellen.

Beim Wort „Homosexualität“ war es zum Beispiel ähnlich. Auch hier hat man anfangs nur von „Homos“ als besonderer Gruppe gesprochen, erst später kam das Pendent „Heteros“ dazu. In Bezug auf rassistische Diskriminierung ist das sogar noch augenfälliger: Schwarze Menschen wurden früher mit dem rassistischen „N-Wort“ bezeichnet, aber für Weiße gab es überhaupt kein entsprechendes Äquivalent. Weiße waren einfach „Menschen“.

Deshalb geht es bei alldem nicht einfach um Sprache, sondern auch um Politik, um mögliche Veränderungsprozesse. Solange etwas sprachlich „unmarkiert“ bleibt, also dafür kein Begriff in der Sprache existiert, wird es immer die Norm bleiben. Das unmarkierte Normale muss sich selbst und das eigene Verhalten nicht kritisch reflektieren, weil es ja „nichts Besonderes“ ist, sondern einfach ganz normal „menschlich“. Erst indem wir auch die „Normalität“ explizit bezeichnen – also von Weißen, Heterosexuellen und jetzt eben auch von Cisgender sprechen – haben wir die Möglichkeit, zu verstehen, dass sie nur ein Teil der Wirklichkeit sind. Eine Möglichkeit von vielen, eine Option unter anderen, aber eben nicht das Maß aller Dinge.

Und wieso heißt es nun eigentlich „cis“? Ähnlich wie bei den Vorsilben „Homo“ und „Hetero“ ist das einfach dem Lateinischen entlehnt. „Trans“ ist eine lateinische Vorsilbe, die so viel wie „hinüber, jenseits, auf die andere Seite“ bedeutet. Und „Cis“ ist eben die lateinische Vorsilbe für „diesseits“.

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