JOSEPH HAT ANGST UM SEINE FAMILIE IN NIGERIA. ER IST KATHOLISCHER PRIESTER IN ÖSTERREICH.

Ein gemeinsames Mittagessen mit Joseph brachte viele Themen gleichzeitig an unseren Tisch: Die politische Lage im riesigen, in zwei Teile zerfallenden Nigeria, den Bevölkerungszuwachs und die „Übernahme“ des Landes durch den Islam, Josephs Priesterjahre in der Heimat und sein Neubeginn in Österreich, den Priestermangel und die Einsamkeit der Weltpriester im Pfarrhof.

Joseph vertritt den Pfarrer unserer Kleinstadt vier Wochen lang während dessen Urlaubs. Mein Mann hatte mehrmals versucht, seine Waschmaschine in Gang zu bringen und ihn spontan zum Essen eingeladen.

Ich war neugierig auf den 35-Jährigen, von dem ich wusste, dass er in nur 9 Monaten so gut Deutsch gelernt hatte, dass er eine Predigt in der Kirche halten kann. Vorgestern erschien dann ein höflicher junger Mann, dem das Essen ganz offensichtlich schmeckte.

Joseph ist eines von neun Geschwistern. Seine Eltern betreiben ein Möbelgeschäft im Süden von Nigeria, einem Land mit geschätzten 200 Millionen Einwohnern. (Die letzte Volkszählung fand 2006 statt; sie ergab eine Gesamtbevölkerung von 140 Millionen. Die vorletzte Volkszählung von 1997 ergab eine Einwohnerzahl von 88,9 Millionen. Für 2016 wird die Bevölkerung auf ca. 200 Millionen geschätzt. Nigerias Bevölkerung soll sich bis Mitte des Jahrhunderts noch einmal auf ca. 400 Millionen verdoppeln. Quelle: Wikipedia).

Die Anzahl der Christen beträgt 48%, davon sind 25% Katholiken, der Rest gehört verschiedenen protestantischen Kirchen an. Die Christen leben weitestgehend im Süden, sofern sie im Norden verblieben sind, werden sie sehr erfolgreich von ihren muslimischen Mitbürgern vertrieben oder – schlimmer – von radikalen Gruppierungen getötet. Die Ölvorkommen im Süden nützen den dortigen Bewohnern nicht. „Die Leute aus dem Norden haben alles in der Hand, die im Süden bleiben arm!“ schildert Joseph.

Die Islamisierung des Landes schreitet seit 1999, dem Beginn der Demokratisierung des Landes, fort. Boko Haram („Bücher sind Sünde“) hat eine blutige Spur durch das Land gezogen, die in Kirchen, Schulen und auf der Straße 10.000 Menschenleben gefordert hat.

„Wir hatten einen christlichen Präsidenten“, erzählt Joseph, „Da war es schrecklich mit den Anschlägen. Jetzt ist ein Muslim Präsident, da geben Boko Haram etwas Ruhe!“ Aber, so fährt er fort, es gibt im ganzen Land keinen christlichen Religionsunterricht mehr. Die Kinder müssten in der Volksschule bereits arabisch lernen und Koranverse rezitieren. Das Wort „Angst“ kommt in seiner Erzählung häufig vor, „Wir haben Angst um unsere Leute!“

Nun ist Joseph aber in Österreich und soll demnächst eine Pfarre übernehmen. „Bei uns ist es ganz anders!“, erzählt er. „Ein Priester ist niemals allein! Alle Nachbarn und Leute kommen den ganzen Tag, immer ist jemand da und will sprechen! Und wenn einer kommt, ruft er auch die anderen Nachbarn, dass sie kommen sollen. Es leben auch mindestens vier Priester zusammen in einem Haus.“

Wir erzählen ihm, dass sein Vorgänger in die Heimat zurückgegangen ist und dort geheiratet hat. „Ja, die Einsamkeit ist ein großes Problem!“ sagt er, und ich werde traurig bei der Vorstellung, wie sich das Leben dieses jungen Mannes in den nächsten Jahren gestalten wird. Untertags jede Menge Arbeit mit Menschen, die ihm trotz aller Bemühungen von beiden Seiten fremd bleiben werden und abends allein in einem Pfarrhof mit Einbauküche, Fernheizung und einem Flachbildfernseher.

Alles Gute, Joseph!

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