Einmal mit allem (und scharf!)

Die abgelaufene Börsenwoche hatte für jeden Fan etwas dabei: Vom EZB-Fanatiker bis hin zu jenen, für die makroökonomische Kennzahlen ähnlich aussagekräftig sind wie der Wetterbericht und die deswegen nur den Fokus auf Einzelunternehmen legen. Sie alle kamen diese Woche auf ihre Kosten (und natürlich die Rapidler, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal…). Beginnen wir mit dem „Big Picture“:Am Donnerstag fand die EZB wieder einmal die richtigen Töne: Bei seiner Pressekonferenz machte Präsident Draghi deutlich, dass die Notenbank alles in ihrer Macht stehende tun würde um die Konjunktur der Eurozone weiter zu beleben. Dabei wurde neben einer Verlängerung des Anleihenkaufprogramms auch eine mögliche weitere Senkung des Einlagenzinssatzes diskutiert. Somit sollen die Banken noch stärker „gezwungen“ werden, ihre überschüssigen Geldbestände an Kunden als Kredite zu vergeben, anstatt sie bei der EZB zu bunkern. Dadurch erwartet man sich eine Ankurbelung der Wirtschaft, die derzeit unter etwas schwächeren Vorzeichen aus den Schwellenländern leidet.Eigentlich sind das keine großen Neuigkeiten. Es hat wohl kaum jemand damit gerechnet, dass die EZB sich auf ihren Lorbeeren ausruht, nachdem die Inflation in der Eurozone (deren Anhebung ja das eigentliche Ziel ist) weiter um die Nulllinie tendiert. Trotzdem deutete die Reaktion an den Börsen auf eine gewisse Erleichterung hin: Der Euro gab gegenüber dem US-Dollar um über 1 % nach, was die Exportwerte wie Autos und Chemie stützte. Wenig überraschend zählten auch die Immobilienwerte wiedermal zu den großen Gewinnern, immerhin profitieren sie am direktesten vom aktuellen Niedrigzinsumfeld. Die „Verlierer“ der lockeren Geldpolitik sind wohl weiterhin die Banken, dementsprechend konnte der Sektor in Europa auch „nur“ knapp 1,3 % im Wochenverlauf zulegen.

Der heimische Markt konnte sich in diesem Spannungsfeld gut behaupten: Ein Plus von knapp 4,1 % steht im Wochenverlauf zu Buche. Dabei spielten jedoch Einzelmeldungen eine wesentliche Rolle. Auf der positiven Seite ist klar die Telekom Austria hervorzuheben, die nach Spekulationen um eine weitere Privatisierung über 11 % zulegen konnte. Sollte etwas Wahres dran sein, dürfte das jedoch noch nicht das Ende sein, immerhin müsste ein Käufer laut österreichischem Aktienrecht ein offizielles Übernahmeangebot legen. Der Mindestpreis dafür läge mit rund € 5,96 noch immer merklich über dem aktuellen Kurs. Dass dieses Thema jedoch politisch nicht ganz einfach ist, versteht sich jedoch von selbst. Aber wer weiß, vielleicht wird ja im Hintergrund bereits an einem typisch österreichischen Kuhhandel gearbeitet? Knackpunkt werden neben der für den Wirtschaftsstandort wichtigen Infrastruktur vor allem die zahlreichen Beamten sein, die ja alle fleißig wählen gehen und deswegen versorgt werden müssen.Letztere sind auch ein Knackpunkt beim zweiten Übernahmegerücht der Woche: der Übernahme des Privatkundengeschäfts der Bank Austria durch die Bawag (auch wenn es technisch gesehen keine Beamten sind, die Probleme sind jedoch ähnlich). Wichtiger für den heimischen Markt dürften jedoch die Implikationen des Deals sein: Bereits seit Jahren wird bekrittelt, dass die Bankenlandschaft in Österreich zu dicht ist und es hier deshalb zu einer Ausdünnung kommen muss. Die Umgestaltung des Volksbankensektors war Schritt eins, die Übernahme mit anschließendem Kahlschlag bei einem der ehemals größten Player könnte Schritt zwei gewesen sein. Börsenmäßig spannend könnte es bei einem möglichen dritten Schritt werden, denn auch der Raiffeisensektor muss sparen (die Kosten sollen um circa ein Viertel zurückgehen) und das wird bei der derzeitigen Struktur mit hunderten mehr oder weniger eigenständigen Kleinbanken und einigen lokalen Kaisern in den Bundesländern wohl ein recht schwieriges Unterfangen…Sparen ist auch das Gebot der Stunde beim größten heimischen Energiekonzern: Die OMV veröffentlichte diese Woche ihr Tradingstatement für das Q3/15. Dabei stach vor allem die Abschreibung von € 1 Mrd. (etwas weniger als 1/8 der aktuellen Marktkapitalisierung) heraus. Dies dürfte zwar einige Analysten überrascht haben (die Konsensusschätzungen für die Firma weisen für das Gesamtjahr noch immer einen hohen Jahresgewinn aus, der damit wohl zumindest deutlich gedämpft ausfallen wird), war aber in Wirklichkeit nicht schwer vorherzusehen (es gibt da so einen wöchentlichen Marktbericht, der schon am 12.12.2014 über mögliche Abschreibungen spekuliert hat; sehr lesenswert das Ganze! ;)). Immerhin ging die OMV in ihren Öl-Prognosen zuvor noch von einer deutlichen Erhöhung der Preise aus. Da diese nun gestutzt wurden, musste auch der Wert der Ölfelder nach unten korrigiert werden. Dementsprechend reagierten die Investoren vergleichsweise gelassen: Mit einem Plus von 1,6 % im Wochenverlauf konnte sich die OMV sogar leicht besser entwickeln als der Sektor, trotz eines kleinen Rücksetzers nach Bekanntgabe des Trading Statements.Zum Abschluss werfen wir noch einen kurzen Blick über den Tellerrand und durchforsten die Berichte dieser Woche nach Indizien für die weitere Entwicklung. Diese finden wir unter anderem bei Maschinenbauer Caterpillar, Lieferant für alles was gerne auf Abenteuerspielplätzen für Erwachsene eingesetzt wird (Bagger, Grabgeräte, Motoren,…), und bei der Firma mit dem beinahe unschreibbaren Namen A. P. Møller-Mærsk, ihres Zeichens immerhin der größte Transporteur von Containern weltweit und damit direkt am Puls des Handels. Letzterer hat sich im dritten Quartal und auch im Oktober offenbar deutlich abgeschwächt, weswegen die dänische Firma ihre Prognose für das Gesamtjahr kappen musste. Und auch die Bagger und Minenfahrzeuge von Caterpillar gehen nicht gerade weg wie die warmen Semmeln. Aber zum Glück gibt es ja noch die Notenbanken, die immer Gewehr bei Fuß stehen um die Wirtschaft zu stützen.Etwas positiver dürfte das Bild jedoch im Technologiebereich sein, wo Microsoft, Alphabet (vormals Google) und auch der Handelsriese Amazon mit ihren Zahlen überzeugen konnten. Das Thema „Cloud“, also die dezentrale Speicherung und Verarbeitung von Daten, zog sich dabei wie ein roter Faden durch die Berichte und wird uns wohl auch noch auf längere Sicht begleiten. Womit sich auch der Kreis zu unserer ersten Unternehmensgeschichte schließt, denn irgendwie müssen diese gewaltigen Datenmengen ja auch zu den Rechenzentren und Servern der „Cloud“ kommen. Und in Österreich gibt es eigentlich nur eine Firma, die derzeit den Ausbau der Glasfasernetze vorantreibt.

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fischundfleisch

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Silvia Jelincic

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