Von Un-Wörtern und anderen Kuriositäten

Deutsche haben viele Worte. Äh. Nein. Das klingt schon wieder extrem daneben. Weil – das räume ich mal eben voll inhaltlich ein – die meisten Deutschen so gut wie keine Worte haben. Hurra! In dieser Hinsicht sind wir Weltbürger. Aber Deutsche haben – so rein Wort-technisch betrachtet – auch was, was viele Nicht-Deutsche in geistloses Starren verfallen lässt.

Nein. Ich meine nicht unser Essen. Das finde ich sogar ziemlich gut. Und auch nicht unsere Manier immer und überall zu übertreiben. Das aber immer nur für ganz kurze Zeit. Hm. Ich scheine eine echte Deutsche zu sein. Wenn ich mich verliebte, dann immer nur f… - was wird das denn jetzt? Wo war ich? Ach ja. Echt deutsch. Wir hatten mal recht saubere Straßen, fegten unsere Wälder, verbrannten Samstag-Nachmittags in ländlichen Gefilden die eine oder andere Hexe* und hatten die wohl voll bekloppteste Copy-Cat-City-Szene der Welt.

Ich glaube, die haben wir sogar noch.

Mir hat das eine gefallen, das andere war mir Inspiration und bei meinen Tiefpunkten besuchte ich eine Großstadt oder einen Mode-Blog. Je nach Schwere des Anfalls. Ich darf jetzt NICHT auf das Wort ‚Mode-Blog‘ gucken. Weiche von mir, ich will über was anderes herzie…. Äh. Ein völlig unparteiisches Dingsi schreiben. (Irgendwann fällt mir das total angesagte Wort dafür wieder ein.)

Währenddessen erfreue ich betrübte Gemüter mit der Nachricht, dass wir Deutschen DOCH Humor haben. Na ja. Vielleicht nicht unbedingt im Fernsehen. Oder auf Bühnen. In Filmen. (Da haben wir Herrn Schweiger und das ist schon genug an schwerem Schicksal für ein Volk.)

Nein. Humor ist eigentlich nicht unser Ding. Denken Sie mal an Faschings-Wagen; zu jeder Zeit Gestalt gewordene Autoritäts-Schleimer, von denen Volltrunkene Bonbons auf Volltrunkene warfen. Und das lustig fanden. Das ist doch traurig! In den letzten Jahren sahen wir hauptsächlich WutGuti-Krampf-Wagen. Tolle Überleitung! Wir – das Deutsche Volk – haben nämlich das Un-Wort des Jahres gewählt.

Nein.

Haben wir nicht. Das denken Sie nur und ich habe einen Witz gemacht. Ein Komitee hat es gewählt. Das Un-Wort. Ja, ja. Es gab ein Komitee! Es gibt immer ein Komitee. Vermutlich wird es auch ein Apokalypse-Komitee geben, wo sich dann jeder in eine Reihe stellt (wie in der DDR nach Bananen) und auf seine Untergangs-Nummer wartet. Sich in eine Reihe zu stellen ist übrigens das ur-deutscheste allen Ur-Deutschen. Und stellen Sie sich mal vor! Nicht mal DAS kriegen andere Völker hin. Haben Sie mal eine französische Schlange gesehen? Sie erlitten einen Hirnschlag. Mich wollte tatsächlich ein ganz unhöflicher Franzose mal treten, weil ich ihm mitteilte, er solle sich hinten anstellen. Ein winziges Männchen. Hab ihm mein Croissant über die Rübe gezogen. Parbleu! Ich verrohe.

Da ist nur das Un-Wort dran schuld.

(Dieser Microsoft-Rechtschreib-Verbesserer ist ein Idiot!)

Fragen Sie mal einen Engländer, Franzosen, Eskimo** oder wen auch immer, was in seiner Sprache ‚Un-Wort‘ heißt. Da haben Sie dann das oben erwähnte geistlose Starren. Der letzte Japaner, den ich danach fragte (Japaner könnten NOCH humorloser als Deutsche sein, fällt mir grade ein), dachte denn auch sofort, ich wollte ihn veralbern. „Ein Un-Wort“, belehrte er mich umgehend: „ist ein Nicht-Wort. Ein Nicht-Wort ist nicht da. Weil es nicht ist.“ Und falls Sie jetzt denken, wow, der Mann ist so ein Zen-Philosoph, teile ich Ihnen mit, dass seine Lieblingssendung ‚Frauenwerfen‘ ist. Machen Sie sich mal keine Illusionen. Dabei ist der Name nicht nur Programm, nein, es ist noch viel schlimmer.

Wie dem auch sei.

Wir Deutschen haben ein Un-Wort. Das wir auch noch alle zusammen wählen dürfen. Jedes Jahr. Ja. Im Internet. Per Brief. Fax. Telefon. Ihre Vorschläge sind willkommen. Bei der Un-Wort-AG, die darauf besteht, dass Sie Ihre Wahl kurz aber präzise und mit Quellen-Angabe (EIN ganzes Wort kann ja nicht ihrem Gehirn entsprungen sein) begründen. Denn selbstverständlich ‚kreiert‘ (die Strichelchen sind von der Komitee-Seite, soll wohl ‚lustig‘ sein) das Komitee nicht selber das Un-Wort! Nie im Leben. Ach ja. Das Komitee. Besteht aus vier Professoren (das klingt immer so kompetent!), einem Journalisten (das hat einen guten Grund, doch dazu später) und einem Komiker. Fragen Sie mich nicht. Allenfalls könnte ich auf meine Faschings-Wagen-Darbietung verweisen. Wie dem auch sei, schicken Sie Ihre Vorschläge.

Nicht dass die dann zu irgendwas gut wären.

Ach? Hatten Sie etwa gedacht, dieses Un-Wort würde aus Ihren Vorschlägen ausgewählt? Sind Sie noch ganz bei Sinnen? Das wäre ja – also das wäre ja (ich kann es kaum aufschreiben) eine demokratische Abstimmung! IGITT! Wenn alle ihr Un-Wort des Jahres eingeschickt haben (da würde ich mir lieber mein linkes Bein abbeißen) wird der ganze eingesandte Müll gelöscht und die vier Professoren, der eine Journalist und der Komiker (?) setzten sich zusammen und denken lange nach.

Haha. Sie glauben aber auch alles.

Eine halbe Stunde, bevor sie das demokratisch gewählte Un-Wort des Jahres bekanntgeben, gucken sie in die Un-Wort-Behörden-Mail nach dem dieses Jahr vorgegebenen Wort, entscheiden blitzschnell einstimmig: Ja! Das soll es sein. Und geben ihre Entscheidung an die Medien weiter. Das muss jeder verstehen, denn – denken Sie nur! - dieses Jahr hatten die Deutschen so empörende Vorschläge gemacht wie: Asylantenflut; Flüchtlingsflut; Gesinnungsterror, Empörungs-Industrie oder Willkommens-Kultur.

Wie un-guti.

Bekanntgegeben wurde als Sieger (Trommelwirbel!): Gutmensch. Aha. Ja. Weil, wie einer der Professoren erläuterte, ein Gutmensch erstens ein Gutmensch – also ein guter Mensch – ist. Und zwar einer der immer, überall und in jeder Situation mit unserer Regierung einer Meinung ist. Also mit Frau Merkel. Wir schaffen das – und so. Und zweitens die Herabsetzung eines so schönen Wortes eine ganz fiese Gemeinheit ist. Und das arme Wort 2011 nur zweiter wurde. Und 64 Mal eingereicht wurde! Alles total erstklassige Gründe. Auf dem zweiten Platz haben wir die ‚Verschwulung‘, womit (Frauen sind fies und Herr Pirinçci der Teufel!) die universell nicht aufzuhaltende Verbreitung weicheiernder Männer gemeint ist und auf dem dritten ‚Hausaufgaben‘.

Ja. Ich habe auch keine Ahnung.

Bevor ich es vergesse. Wir Deutschen haben auch ein Wort! Nein, also wirklich. Wäre ich nicht so höflich, nennte ich Sie jetzt alle lächerliche Tröpfe. Nicht DAS Wort. Gottes. Oder so. Ein – wie soll ich das jetzt nennen? Ein Nicht-Un-Wort. Also sozusagen ein Nicht-Wort, das da ist. Als Wort. Das wurde auf die gleiche Art von Nicht-Allen gewählt wie das Un-Wort. Heureka! Ein Geistesblitz! Dafür also ist der Komiker im Komitee zuständig! Dieses Jahr ist das Wort: Flüchtlinge.

Aber sicher doch.

Nehmen Sie es mir nicht übel, Un-Wort-Wort-Komitee. Ich habe überhaupt nichts gegen ebenso infantile wie nutzlose Geldverschwendung durch faule, gelangweilte Akademiker. In England ist das eine schöne Tradition und bringt mich regelmäßig zum Lachen. Nehmen Sie nur die Kühe, die mehr Milch geben wenn sie schöne Namen haben! Das ist doch interessant. Oder dass volle Bierflaschen auf dem Kopf größere Schäden anrichten wie leere. Eine epochale Erkenntnis, der ich jederzeit näher trete. Rein lese-technisch betrachtet. Sie dagegen sind so eine Art Blinddarm der Politischen Korrektheit. Ein Wurmfortsatz im menschlichen Getriebe, der bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls Übelkeit erregend ist. Sie kämen nicht mal in die Nähe des Klo-Papiers des Ig-Nobel-Preises.

Und besäßen Sie auch nur das Echo eines Hauchs von Humor hätten Sie das einzig wahre Un-Wort eine Sekunde nach Gründung ihres Komitees erkannt:

Un-Wort.

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*Ich lüge nie. Und will außerdem just dieses Thema demnächst näher beleuchten. Beleuchten? Hust. Fatale Wortwahl.

**Sie armes Würstchen wollten ganz sicher ‚Inuit‘ schreien. Das lassen Sie mal schön bleiben. Die meisten Eskimo-Völker wissen nicht mal, was ‚Inuit‘ bedeutet, weil sie diese Sprache nicht kennen. Und diese Leute reagieren nicht unbedingt erfreut auf Belehrungen hauptsächlich westlicher WutGutis, sie hätten jetzt politisch-korrekt ‚Inuit‘ zu sein. Sch… drauf ob die wissen was das heißt oder nicht.

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Nachtrag: Sacré bon sang! Jetzt habe ich doch den Nutzen des Journalisten im Komitee vergessen zu erwähnen. Das hätten Sie auch selber erraten können. Der Journalist ist sozusagen das Schläfer-U-Boot der Presse um ein nochmaliges Debakel wie voriges Jahr (des ruchlosen Witzboldes in der Un-Wort-Behörde) in der Zukunft im Keim zu ersticken. Will sagen, für immer und ewig das (sowieso nicht vorhandene) Un-Wort ‚Lügen-Presse‘ den empfindsamen Augen des Volkes zu entreißen. Wenns sei muss, mit den Augen.

FinisNoXx

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