Ein minority report von Bogumil Balkansky

Wir wissen seit mehreren tausend Jahren, dass nur ein ehrlich geführter Diskurs und das bessere Argument die Gesellschaft besser machen. Wir wissen auch, dass Apologismus von Problemen ablenkt, um inhaltliche Kritik zu verhindern. BIBER ignoriert beides, weswegen ich meine, BIBER sei ein gescheitertes Projekt.

Bei BIBER ist Apologismus das oberste Gestaltungsprinzip mit allen Grauslichkeiten, die damit einhergehen. Das will ich in diesem Text anhand zweier Beispiele und einer prinzipellen Kritik demonstrieren.

Wecke nicht das schlafende Kind

Mein erstes Beispiel ist aus jüngster Zeit – und das traurigste von allen, weil hier gleich (mindestens) ein aus Kind Fleisch und Blut dem Apologismus bei BIBER zum Opfer fällt. Die Rede ist vom BIBER-Text der "Wutlehrerin T.I." und dem bitteren Ende ihrer Wut.

Die anonyme Autorin schildert alltägliche Mißstände in ihrer Schule. Einer davon betrifft ein Kind, dass von seinem Vater jeden Tag um 5 Uhr morgens geweckt wird, um zu beten, weswegen das Kind regelmässig in der Shule vor Erschöpfung einschläft. Unmissverständlich gibt die Wutlehrerein im Text dem Kind einen islamischen Vornamen. BIBER will den Text bringen, weil BIBER stets behauptet kritisch und integrationsfördernd sein zu wollen. Soweit so gut. Die überraschende Wende tritt ein, als die "Wutlehrerein T.I." beschließt, den Text zurück zu ziehen, weil sie den Rechten keinen propagandistisches "Futter" bieten möcht. Obwohl die Rechten, den Text bereits aufgegriffen haben...

Die erste Frage, die jeder fühlende Mensch hier stellen muß, lautet: "Und was, Frau Wutlehrerin und Kollegen vom BIBER, ist jetzt mit dem Kind? Damit Strache bloß keine 30 Stimmen mehr bekommt, lassen wir das mißhandelte Kind im Stich und reden nicht weiter darüber? Ist das eine verantwortungsvolle Wahrnehmung des Anspruches, kritisch und integrationsfördernd zu sein?

Keinesfalls kann die Wutlehrerin und das BIBER-Team für sich in Anspruch nehmen, enen einzigen Gedanken an dieses Kind verschwendet zu haben. Die größte Sorge gilt BIBER offensichtlich, den Ruf muslimischer Gebetspraktiken nicht zu beschädigen. Ich bezweifle, dass sich so auf die antifaschistische Schulter klopfen lässt. Mit gutem Gewissen zumal. Und: Wie soll das Ignorieren religiösen Kindesmißbrauches durch gläubige Muslime positiv für die Integration muslimischer Kids in unserem Jahrhundert und in unserer guten Stadt sein?

Inzwischen muss also ein Kind in Wien im 21 Jahrhundert die morgentliche Gebetsfolter weiter ertragen, niemand hilft ihm, niemanden interessieren seine Tränen. Ich frage mich auch, wieviele solche Kinder es allein in Wien gibt. BIBER fragt nichts davon, der Zirkus der Apologisten ist längst weitergezogen. Zum Burkaverbot oder etwas ähnlich "islamophobem" wie z.B. dem "antimuslimischen Rassismus".

Nur muslimischer Exorzismus ist kein Humbug

Vor einigen Jahren bringt BIBER einen Bericht über den muslimischen Exorzisten und Gebrauchtwagenhändler Mohamed Farag aus Liesing. (http://www.dasbiber.at/content/der-exorzist-aus-liesing) Hier wird Herr Farag im Opener als "tapferer Exorzist" beschrieben, als "Heiler" zu dem "Besessene aus ganz Europa pilgern".

Alles in Allem ist diese journalistische Leistung der BIBER Redaktion wie aus dem Lehrbuch des Apologismus entsprungen. Jedweder Konsens über die Misogynie der Geschlechtertrennung, jedwede Kenntnins über die Gefährlichkeit von Exorzismen und alles Wissen über die radikale Einstellung von Exorzisten wird ausgeblendet, wenn der Exorzist Moslem ist und der Exorzismus islamisch. Wie soll das positiv für die Integration muslimischer Kids in unserem Jahrhundert und in unserer guten Stadt sein?

Schon im Opener ignoriert die Autorin also alles, was wir über Exorzismus wissen - zum Beispiel dass er oft Menschenleben kostet und dass es immer religiöse Extremisten sind, die Exorzismen betreiben. Die Autorin ignoriert auch, dass wenn Bessesene aus ganz Europa irgendwohin pilgern, dieser Umstand nichts beweist, ausser dass wir ganz genau hinsehen sollten, wer der "Heiler" ist, was er sagt und wie er "heilt". Im Opener spricht also bereits zu uns das apologistische Prinzip, unangenehme und widersprechende Erkentnisse zu ignorieren und sie – in diesem Fall - als harmlose, gar hilfreiche, Folklore darzustellen.

Ein Zeuge und hinfallende Menschen

In weiterer Folge bringt die Autorin auch das Lieblingsspielzeug aller Apologisten, den so genannten anegdotischen Beweis. Ein Zeuge, Herr K., berichtet über seine "Heilung". Aber er berichtet auch, wie es bei den "Heilungen" des Herrn Farag zugeht: Es herrscht Geschlechtertrennung, Frauen werden per Videowand in einem separaten Raum offenbar ferngeheilt, Menschen geraten in Zuckungen und fallen dabei hin (!).

Nicht nur, dass Beweise aus der Anegdote nichts beweisen – schlimmer noch - die Autorin, die ich als selbstbewußte, feministisch denkende Frau kenne, nimmt in diesem Fall die Geschlechtertrennung als etwas Gottgegebenes hin, dass keiner Kritik bedarf. Sie ist also nur dann Feministin, wenn es nicht um die islamische Misogynie geht. Am schlimmsten ist aber, dass ignoriert wird, dass tranceartiges Hinfallen schwere Verletzungen verursachen kann. Weswegen bei allen Massenveranstaltungen die Anwesenheit von Notfallpersonal (Sanitäter, Rettungswagen, etc.) gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Autorin propagiert also eine illegale Massenveranstaltung mit hohem Verletzungsrisiko - ohne einen einzigen Gedanken an die potenziellen Opfer zu verschwenden. Das grenzt an "journalistische Fahrlässigkeit".

Respekt vor Salafismus?

Im Text heisst es auch, man wolle "aus Respekt vor den Patienten" den Ort der Veranstaltung, die ein Moscheeverein ist, nicht nennen. Nota Bene, dass die Besessenen hier zu Patienten umgedeutet werden, was impliziert, der Exorzist sei einem Arzt ebenbürtig. Abgesehen davon war es schon zur Zeit des Erscheinens dieses Textes bekannt, dass es in Wien salafistische Moscheevereine gibt, deren Mitglieder daran zu erkennen sind, dass sie zu lange Bärte und zu kurze Hosen tragen und Geschlechtertrennung praktizieren. Wie Herr Farag.

Deswegen ist sehr wohl die Frage angebracht, ob es der Autorin wirklich um Respekt vor Patienten geht, oder ob es besser für ihren Text ist, wenn der Leser nicht weiss, dass hinter dem Treiben Salafisten stecken. Eine Nennung des Moschevereines könnte ganz leicht dieses Dilemma klären.

Prinzip Hoffnung?

Ich könnte fast jeden Artikel von BIBER aus diesem Diskurskreis auf die selbe Weise und mit der selben Leichtigkeit entlarven. Doch meine prinzipielle Kritik an Projekten wie BIBER (oder "Wiener Vielfalt";) ist schlicht, dass sie weder kritisch sind, noch ihnen Kritik willkommen ist, obwohl sie das Gegenteil als Markenzeichen und Prinzip vor sich hertragen. Wenn Geld aus Steuern das finanziert, dann ist es verschwendetes Geld. Und zu hoffen, dass man mit solchen Placebo-Projekten etwas zur Integration beitragen kann, ist eine Illusion.

Besonders bei BIBER wird mit islamischen Apologismen zugedeckt, was im humanistischen Diskurs bei jeder anderen Ideologie als unerträglich empfunden wird. Das Kopftuch wird bei BIBER zum Modeaccessoir, nur Stück Stoff und Signal des Selbstbewusstseins junger Musliminen umgedeutet und die Religion wird aus der Haftung entlassen, indem man dem Kopftuch schlicht jedes religiöse Konotat abspricht und es als "Kulturleistung" bezeichnet. Als ob Kultur und Religion von einander schalldicht getrennt sind. Und als ob wir nicht wüssten, dass dass nicht stimmt.

Dem selben Narrativ folgt BIBER bei der Genitalverstümmelung von Knaben, Zwangsehen, Ehrenmorden und Misogynie: Nur wenn es um Muslime geht, hat es auf gar keinen Fall mit ihrer Religion zu tun. Beim Terrorismus, den Menschen begehen die sich, nota bene, selbst als Muslime empfinden und bezeichnen, handelt es sich bei BIBER nie um islamischen Faschismus, sondern -wahlweise und zusammen – immer um eine Verschwörung der CIA, der Zionisten und eines Zahntechnikers aus Österreich. Oder um falsche Muslime, die Lage in Nahost, Israel, USA, etc. - Nur nicht um klerikalen islamischen Faschismus.

Diese Bunkerstellung hilft im gegenwärtigen Islam- und Migrationsdiskurs genau keinen Millimeter. Deswegen sage ich, dass BIBER und ähnliche Projekte, gescheiterte Projekte, Placebo-Projekte sind.

LG BB

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