Windelfreie Säuglinge im Kaffeehaus, ist das notwendig?

Vermutlich war schon jeder in Situationen, in denen man mit offenem Mund nur staunend daneben sitzt. Das ist mir heute widerfahren. Ich bin wortlos und mit starrem Blick in einem Kaffeehaus gesessen und habe das Geschehen am Nachbartisch verfolgt. Ich schicke voraus, dass ich mit meiner Tochter und meinem zweieinhalbjährigen Enkel frühstücken war. Meine Tochter hat ganz bewusst ein Lokal ausgesucht, in dem Mütter mit kleinen Kindern willkommen sind und in dem für die kleinen Racker auch eine wunderbare Spielecke angeboten wird. Der Kinderbereich war bestens besucht, zwei große Tische sprangen mir besonders ins Auge. Der eine war bevölkert mit sogenannten Latte-Macchiato-Mamas. Die man an den Louis Vuitton Handtaschen und stählernen Rolex erkennt. Die Kinder in feinsten Markenwaren gekleidet. Die nicht stillenden Jungmamis waren einem kleinen Prosecco nicht abgeneigt, jene mit den Säuglingen nippten mit perfekt manikürten Händen an einem Gläschen frischen Obstsaft. Die Kinder an diesem Tisch präsentierten sich mit besten Manieren, es war durchgehend eine normale kindgerechte Lautstärke zu vernehmen. Irgendwie sehr sympatisch, so als Tischnachbarschaft.

Während meine Tochter mit dem Nachwuchs die Toilette aufsuchte, beobachtete ich folgende Szene, die mich wirklich fast erstarren ließ.

Am anderen mutmaßlichen Jungmütter-Stammtisch saßen zirka 6 oder vielleicht sieben Mamas mit ein wenig mehr Kindern, alle unter vier Jahren. Eine sehr ähnliche Konstellation wie am Latte-Macchiato-Mama-Stammtisch. Prosecco wurde dort nicht getrunken, dafür wurden die meisten Kinder bei Tisch gestillt, während die Mütter selber frühstückten oder sich unterhielten. So weit so gut, daran gibt es im Grunde ja nichts zu bemängeln, bis zu dem Umstand, dass manche Jungmütter dazu neigen ihre milchgeschwollenen Riesenbrüste zur Gänze auszupacken, was ich für wirklich übertrieben und unnotwendig halte. Solche Szenen sieht man ja öfter. Das ist aber nicht so sehr der eigentliche Grund meiner Starre gewesen. Eine der jungen Muttis, sie dürfte die Stammtisch-Chefin gewesen sein, da sie allen Anwesenden Tipps über Brustwarzenreinigung, Beseitigung von Scheuerstellen durch Tragtücher oder Ausschläge im Genitalbereich gab. Und zwar im Stehen, den Säugling an der offen zur Schau gestellten Milchquelle und in einer Lautstärke, dass auch Nichtbetroffene den Vorträgen lauschen mussten. Dann legte sie den knapp drei Monate alten Säugling auf die nackte Tischplatte, zwischen Müsli und Mandelmilch und entledigte ihn seiner Strumpfhose, unter der er nichts trug, weder Windel noch Unterhoserl. Packte aus einer Stofftasche einen kleinen Plastiktopf aus, stellte diesen zwischen ihre Oberschenkel, setzte den Säugling darauf, stillte das Kind weiter und erklärte lautstark wie praktisch es wäre, wenn man Kinder windelfrei erziehen würde. Ja, ich habe gehört, dass dies funktioniert. Muss es ja, tausende Generationen sind ohne Einwegwindeln aufgewachsen und auch heute noch gibt es genug Gebiete auf dieser Welt, in denen Kinder ohne Plastik um den den kleinen Popo groß werden. Das finde ich unglaublich bewundernswert, ich hätte dafür niemals die Nerven gehabt und glaube auch, dass das in unserem Kulturkreis und bei unseren Temperaturen im Winter eine sehr große Herausforderung ist.

Was ich mich aber wirklich frage, ist es denn tatsächlich notwendig, dass man ein so kleines Wurmerl halb nackt in einem öffentlichen Kaffeehaus, auch wenn es im Kinderbereich erfolgt, auf den nackten Tisch zwischen Essen ablegt, um ihm danach bei Tisch sein Geschäft in eine Plastikschüssel machen zu lassen. Das Kind wurde danach wieder auf den Tisch gelegt und mit einem Baumwolltusch gereinigt. Der Plastiktopf samt Inhalt verblieb bis die illustre Runde das Lokal verließ, unter dem Tisch stehen. Unter dem Tisch, unter dem die anderen Kinder spielten.

Dass Kinder bei Tisch gestillt werden, finde ich richtig. Denn der Tisch ist der Ort an dem wir das Essen einnehmen. Dass aber Kleinstkinder öffentlich in einem Lokal ihre Ausscheidungen ebenfalls bei Tisch verrichten, finde ich wirklich mehr als unpassend.

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