Wer Dienstag das ORF-Radioprogramm verfolgte bekam schnell den Eindruck, dass es nur ein heisses Thema (natürlich neben dem omnipräsenten Eurovisionssongcontest) gibt: Den Protestzug der wütenden Blasmusikrepräsentanten nach Wien um gegen den Beschluss zur Reduktion der neun Militärblasmusikkapellen zu demonstrieren.

Von der Abfahrt der Demonstranten aus Innsbruck bis zum Interview eines Vertreters der Demonstranten am Demonstrationsort in der Wiener Innenstadt - man bekam ORF-Berichterstattung erster Güte geboten, und endlich wußte man für einen kurzen Augenblick wofür man GIS-Zwangsgebühren bezahlt.

Zwei Tage später ein weiteres Highlight der vollinhaltlichen Aufarbeitung eines aktuellen Themas durch den ORF: Gestern 19.45 wurde uns in weitgehend kritikfreier Form die Vorteile einer bargeldlosen Wirtschaft präsentiert. Mit euphorisch leuchtenden Augen berichtete uns die Moderatorin wie toll es nicht sei, dass die Schweden bereits nur mehr annähernd bargeldlos leben. Für kritische Seitenbetrachtungen blieb die wenig Zeit und augenscheinlich hatte auch niemand in der Redaktion so richtig Lust darauf.

Wenn der ORF es nun an Hand dieser beiden Beispiele scheinbar mühelos schafft, seinen Bildungsauftrag bei augenscheinlich politisch genehmigten Themen massiv umzusetzen, warum tut er dies nicht vielleicht auch bei etwas sperrigeren Themen? Warum beleuchtet er zum Beispiel nicht warum ca 1,5 Millionen Österreicher so wenig pro Jahr verdienen, dass sie demnächst in den Genuss der aktuell beschlossenen Negativsteuer kommen? Warum wird nicht heiss darüber diskutiert, wie das österreichische Pensionssystem über die nächsten 10 Jahre hinaus bestehen kann? Auch die Fragen nach dem Verlust der Privatsphäre des Individualbürgers in Zeiten der Einführung des zentralen Kontoregisters wäre ein Thema das einiges an Diskussionsstoff hergeben würde. Es gibt noch viele andere Themen die es wert sind aufgearbeitet zu werden, alleine es fehlen die handelnden Personen um sie umzusetzen.

Die Antwort auf die Frage warum dem so ist, ist simpel - man hat sich vor einiger Zeit im ORF scheinbar für die Lösung der Präsentation der wenigen Köpfe entschieden. Geht es um Diskussionsrunden, Interviews oder aktuelle Meinungen tauchen immer die selben 6-10 Personen(augenscheinlich mit den neun Landeshauptleuten und der Bundesregierung akkordiert) auf. Sei es Prof. Filzmaier oder vielleicht auch Prof. Haber, die Herren Khol, Blecha und Androsch, einige(meist vertreten Hr. Pilz) VertreterInnnen der österreichischen Politiklandschaft - man hat bei diesen Runden oft das Gefühl, dass die Anwesenden gar nicht wissen worüber sie sprechen sollten, sich aber sehr darüber freuen schon wieder gemeinsam im Fernsehen zu sein. Das die Resultate dieser Diskussionen so überraschend wie die Regierungsbildung nach Nationalratswahlen sind darf daher nicht überraschen.

Ich bin als Jugendlicher noch mit Hans Benedict und dem Auslandsreport großgeworden. Er hat mir jede Woche für 50 Minuten die Welt in mein Zimmer gebracht und sie mir anschaulich und doch fordernd erklärt. Hugo Portisch hat sich mit Ö II und Ö I ebenfalls seinen Platz in der Geschichte der geschichtlich/politischen Fernsehdokumentation gesichert. Aber was kam danach? Heute findet Weltpolitik um 22.30 und später statt.  Die Sendeplätze bis 22 Uhr sind chronisch mit irgendwelchen nationalen/internationalen Serienproduktionen verplant(oder auch dem Musikantenstadel) die vor allem eines sind - vergleichbar mit dem Angebot der privaten Senderkonkurrenz. Statt qualitativer Dokumentationen findet man zumeist nur mehr seichte Doku-Soaps - wir dummen Hascherl mögen es ja auch leicht verständlich.

Wer sich zum Kreis der "Heute-Show"-Fans zählt weiß, was politische Satire im Fernsehen vermag - nur leider nicht im österreichischen Staatsfernsehen. Es würde sich wahrscheinlich auch gar kein Moderator finden, der so mutig wäre, den Zorn der österreichischen Politikgranden auf sich zu ziehen. Und so bösartige und doch intelligente Spitzen gegen den Wahnsinn des täglichen Politikbetriebs zu produzieren liegt uns augenscheinlich auch nicht wirklich im Blut. Wir produzieren lieber Durchschnittsware, und diese dafür bis zum Tod der jeweiligen Hauptfigur. Wer es als SchauspielerIn/ModeratorIn in den Reigen der ORF-Programmproduktionen geschafft hat, hat es augenscheinlich wirklich geschafft. Der schauspielernde Mensch bleibt gleich, rund um ihn werden alle möglichen/unmöglichen Drehbuchideen geschaffen: Ob Weinbauer, Bergdoktor oder Komissar - man braucht nicht lange nachzudenken, immer sympathisch und vertraut.

Was am Ende bleibt - auf ein Wunder zu hoffen. Auf ein ORF-Management, welches seine Aufgabe nicht im Erfüllen politischer Wünsche und ideologischer Vorstellungen sieht und einfach ein seriöses, qualitativ hochwertiges Programmschema(wie z.B. bei BBC) entwickelt und gegenüber externen Anfeindungen verteidigt.

Und dann bin ich leider aufgewacht,....

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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