Als EPU/KMU-Unternehmer in Österreich ist man gewohnt, in seiner Geschäftstätigkeit von den zuständigen Behörden sehr scharf und exakt hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen geprüft zu werden. Da werden schon mal die Belege der Portokasse hinsichtlich ihrer Berechtigung abgeklopft, Honorarnoten werden bis zum i-Punkt geprüft, und man hat in der Kommunikation mit den Ämtern dieser Republik doch nicht zu selten das Gefühl unter Pauschalverdacht zu stehen.

Wenn man jetzt meint, diese Anmahnung hoher Sorgfaltspflichten wird flächendeckend auf allen Unternehmen und Körperschaften angewandt, so hat man sich grob getäuscht. Im Folgenden möchte ich dies am Beispiel einer Stadtgemeinde in Niederösterreich belegen:

Dem Ö1-Abendjournal war es vor vier Wochen eine kurze Meldung wert - der Rechnungshof hat in seinem aktuellen Bericht die Finanzgebarung einer niederösterreichischen Stadtgemeinde(der Name ist nicht prioritär - für alle die es nachlesen wollen: http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/_jahre/2015/berichte/teilberichte/niederoesterreich/Niederoesterreich_2015_10/Niederoesterreich_2015_10_1.pdf) harsch kritisiert und dabei das "Zahlungsunfähigkeits"-Wort in den Mund genommen.

Was der Rechnungshof da in seinem Bericht im Detail beschreibt, kann dann wohl als "Blaupause" für die wirtschaftliche Steuerung der österreichischen Stadtgemeinden gesehen werden - denn eines ist klar, die geprüfte Gemeinde ist wohl bei weitem nicht die einzige Gemeinde Österreichs die solche Gebarungen aufweist.

Im Detail die Highlights des Kontrollberichts:

- Die Gemeindeabgaben der Stadtgemeinde wurden in einem Zeitraum von 4 Jahren um 56,7% erhöht - dies ohne nachweisbare Veränderung der Angebotsstruktur

- seit 2005 wurden(zum Teil an den Kontrollgremien der Stadt vorbei) Derivatgeschäfte in einem Volumen von ca. € 123 Mio abgeschlossen - diese Geschäfte führten zu einer Erhöhung des Schuldenstands um € 10.7 Mio.

- Teile des aushaftenden Kreditvolumens wurden in Schweizer Franken aufgenommen - durch die schlechte Kursentwicklung erhöhte sich der Schuldenstand um € 20 Mio

- im Zeitraum 2003-2013 wurden zu willkürlichen Zeitpunkten Haftungsprovisionen in Höhe von € 7,88 Mio aus stadtnahen Unternehmen lukriert - diese hatten keine sachlichen Fundierungen, sondern waren nur der allgemein schlechten Finanzlage der Stadt geschuldet

- entgegen einschlägiger gesetzlicher Rahmenbedingungen nahm die Stadtgemeinde weitere Darlehen auf(unter anderem auch, um die laufenden Geschäfte zu finanzieren) - dies mit Billigung der Landeskontrollorgane

- die geprüfte Gemeinde konnte 44,9% ihrer Kredite nicht mehr bedienen und musste Tilgungsfreistellungen vereinbaren. Im Bereich der stadtnahen Beteiligungen und Unternehmen lag der Satz der nicht bedienbaren Kredite gar bei 67%

- trotz der klaren Schieflage im finanziellen Bereich plante die Stadtgemeinde weitere Investitionen in Infrastruktur im Ausmaß von ca. € 11 Mio

- Die geprüfte Stadtgemeinde hatte nur unzureichende Kontrollberichte, eine Vermögensrechnung fehlte gänzlich.

- Das ohnehin nicht sehr ambitionierte Sparprogramm wurde in weiten Teilen nicht umgesetzt.

Sie haben beim Durchlesen dieser Zeilen eine Gänsehaut bekommen? Gut verständlich.

Fakt ist, dass man sich als Organ einer privatwirtschaftlichen Kapitalgesellschaft mit diesem Leistungsbericht wahrscheinlich vor Gericht wiederfinden würde. Fakt ist auch, dass die Finanzpolitik der letzten 15-20 Jahre die Bevölkerung der geprüften Stadtgemeinde auf Jahrzehnte belasten wird. Für die Verantwortlichen wird die Angelegenheit(mit Ausnahme des Amtsverlusts durch Abwahl) wohl glimpflich ausgehen - wie zumeist in Österreich.

Die interessantesten Fragen, nämlich wer und ob für die Vermittlung der Fremdwährungskredite zuständig war und ob Provisionen geflossen sind bleibt offen.

Wie gesagt, die gegenständliche Gemeinde ist nur einer von zahlreichen Fällen in denen Mangels Kontrolle und augenscheinlich auch Expertise Millionen der Steuerzahler beim Fenster hinaus geschossen werden.

Es wäre an der Zeit,  auch im Bereich der Bürger ein stärkeres Bewusstsein aufzubauen, dass es hier um Steuergeld und öffentliche Bereiche geht die uns alle betreffen. Das vielleicht in 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts übliche Verständnis, dass "die da oben" außerhalb der Rechtsprechung stehen sollte endlich überwunden werden - in unser aller Interesse!

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:17

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