Gründerland Österreich - was wirklich fehlt

Die Politik hat jetzt also die Gründerinitiative für Österreich ausgerufen. Man möchte "das ganze Land anstecken", als Resultat sieht man potentiell eine Vielzahl an Jobs welche durch fleissige Neugründungen geschaffen werden sollen.

Doch welche Probleme tragen jetzt aktuell wirklich dazu bei, dass der Gründungswille der Österreicher eher unterentwickelt ist?

Stellung des Unternehmers in der österreichischen Gesellschaft

Noch immer ist es so, dass der Unternehmer im Kontext der österreichischen Politiklandschaft gerne als Feindbild präsentiert wird. Geht es darum, Einsparungspotentiale zu generieren wird gerne auf "Reiche", "Couponschneider" verwiesen, welche sich im Bereich der Unternehmer tummeln würden. Fakt ist allerdings, dass mittlerweile die Mehrzahl der Mitgliedsbetriebe in der Wirtschaftskammer EPU´s(Ein-Personen-Unternehmen) sind. Diese sind oft nicht einmal wirklich freiwillig in die Selbstständigkeit gegangen, sondern oft über "Schein-Selbständigen-Modelle" wie sie z.B. im Vertrieb oder der Kreativwirtschaft immer mehr anzutreffen sind Unternehmer geworden. Hier treffen die uralten ideologischen Bilder vom bösen Ultrakapitalisten sicher nicht zu - Fakt ist aber auch, dass weder Wirtschaftskammer noch Arbeiterkammer wirklich schlüssige Konzepte zum Umgang mit dieser neuen Gruppe an Kleinstunternehmern gefunden haben.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch das österreichische Schulsystem es über Jahre noch immer nicht geschafft hat, seinen Schülern eine Existenz als Gründer/Unternehmer plausibel zu machen. In einer Zeit, in der die lebenslange Beschäftigung in einem Berufsfeld und Unternehmen seit langem der Vergangenheit zuzuordnen ist, kommen Österreichs Schüler nach wie vor ohne Basisausbildung zum Thema "Unternehmertum" aus ihrer Schulausbildung - kein Wunder, dass der Weg in die Selbstständigkeit für unsere Schulabgänger noch nicht wirklich im Vordergrund steht.

Scheitern ist keine Option

Nach wie vor bedeutet redliches Scheitern im österreichischen Wirtschaftskontext keine Option. Wer mit seinem Unternehmen Schiffbruch erleidet, dem bleibt als Einzelunternehmer in Wirklichkeit zumeist nur der Weg in den Privatkonkurs. Als Resultat bleibt die langjährige Brandmarkung als "Gescheiterter". In der Gesellschaft und vor allem der Politik wird ein Konkurs gerne in den Nahbereich zur Wirtschaftskriminalität gestellt. Auch wenn in den letzten Jahren Versuche unternommen wurden um werterhaltende Möglichkeiten zur Restrukturierung/Entschuldung zu schaffen, ist ein tragfähiges nachhaltiges Modell zum Schutz von Unternehmen in Krisenssituationen gegenüber ihren Gläubigern im österreichischen Markt noch nicht angekommen.

Finanzieren, aber wie?

Aktuell wird Crowdfunding im Gründungskontext als "die Lösung" für das Finanzierungsdilemma der Unternehmer präsentiert. In Wirklichkeit ist diese Prämisse viel zu kurz gegriffen: Denn ja, man kann über Crowdfunding/investment ein Seedfinancing darstellen - doch faktisch geht es hier(nachdem die meisten Modelle nachrangige Darlehen vorsehen) um Fremdkapital, welches auch zurückgezahlt werden will. Und nach initialem  Crowdfunding wird das Angebot an potentiellen Ansprechpartnern für Zweit- oder Drittkapitalrunden in Österreich eher sehr dünn. Eine Möglichkeit, nachgelagerte Finanzierungen speziell im Bereich der innovativen Startup´s darzustellen wäre ein "Penny Stock"-Segment an der Wiener Börse in Kombination mit einer "Mini-AG" Rechtsform für das Listing an dieser Börse. Die Einwände, die von Kreditschützern schon bei der GmbH light gebracht wurden, wonach eine Reduktion des Grundkapitals die Kreditoren der Unternehmen potentiell in Gefahr bringen könnte, ist angesichts der Tatsache das GmbH´s auch aktuell zumeist nur mit dem 50% Mindest-Grundkapital gegründet werden wohl eher zweitrangig.

Wichtig wäre es im Finanzierungs- und Förderkontext eine "One shop for all" Situation zu erreichen - alle möglichen Förderungen(Bundes-, EU- und Landesförderungen) sollten über eine zentrale Gründerinstitution abrufbar und beratbar sein. Dies würde mehr Transparenz und Effektivität in die Fördervergaben bringen und zudem den Gründern das Leben erleichtern.

Keine Lohnnebenkosten für die ersten Mitarbeiter?

Seitens der Politik wird aktuell eine Lohnnebenkostenbefreiung für die ersten von Startup´s aufgenommenen Mitarbeiter propagiert. Problematisch dabei - ohne Lösung der Finanzierungsthematik(siehe oben) wird es Startup´s schwer fallen Mitarbeiter aufzunehmen und nachhaltig halten zu können(man vergleiche dazu das sehr interessante Ö1-Interview mit Dr. Zimmermann) - die Probleme entstehen zumeist nicht in der initialen Gründungsphase, sondern in den Jahren 3-5 der Unternehmenstätigkeit. Dann nämlich wenn zwar vielleicht schon Prototypen existieren, jedoch noch keine aufwandsdeckenden Umsätze erzielt werden können - hier im Bereich der Folgefinanzierungen gibt es aktuell kein Lösungsangebot für junge Unternehmen.

Ein wesentliches Mitarbeiterpotential wird allerdings von den meisten Startup-Unternehmen nicht gesehen - aktuell steigt der Anteil der arbeitslosen Akademiker im Alter 45+ kontinuierlich. In dieser Altersgruppe finden sich viele Potentialträger welche über wertvolle Kontakte und Berufserfahrungen verfügen. Nicht immer muss es in diesem Kontext die fixe Vollbeschäftigung sein - auch projektbezogene Anstellungen sind besser als Arbeitslosigkeit und führen oft zu neuen beruflichen Orientierungen bei den Betroffenen.

"Österreich is a much too small country..."

Dieses ungefähre Zitat eines österreichischen Expolitikers trifft sehr exakt den Kern der Sache - für viele Technologie-Entwicklungen ist der österreichische, oft auch der deutschsprachige Markt einfach auf Grund der Größe und der zum Teil fehlenden Entwicklungsdynamik einfach nicht groß genug für eine  nachhaltig positive Unternehmensentwicklung.

Auch hier würden eine grundsätzlich Meinungsänderung in der österreichischen Gesellschaft zum Thema berufliche Mobilität not tun. Nach wie vor arbeitet man wo man wohnt, eine Verlegung von Wohn- und Arbeitsplatz steht für die Masse der erwerbstätigen Österreicher einfach nicht auf dem Plan. Nur wenn man hier frühzeitig(schon in der Oberstufe) gegensteuert, und auch auf den Universitäten und Fachhochschulen ERASMUS-Auslandsaufenthalte nicht als Hindernis, sondern als positive Chance für den Studienabschluss gesehen werden wird dieses Thema lösbar sein.

Die Wurzeln für den aktuell regelmässig monierten Unwillen zum Gründen von Unternehmen ist im österreichischen Kontext nicht von heute auf morgen zu lösen - viel zu lange hat man in allen Bereichen der Gesellschaft Unternehmertum als Möglichkeit zur Beschäftigung vernachlässigt. Seitens der Politk sind noch viele Themen anzusprechen und im Sinne potentieller Gründer(und damit auch der österreichischen Wirtschaft) zu lösen. Auch die Wirtschaftskammer als verfassungsrechtlich definierte Zwangsorganisation der Unternehmerschaft wird gut beraten sein, sich hier wesentlich aktiver und zielgruppenkonformer einzubringen.

Aber nachhaltig ändern wird sich die Situation nur, wenn auch die österreichische Gesellschaft den Stolz auf ihre Jungunternehmer entdeckt und sie nicht nur mit einer Fülle von Restriktionen und einer dramatischen Abgabenquote zu überfordern.

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Silvia Jelincic

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