Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Ex-Finanzminister. Die Zeit seit ihrem Ausscheiden aus der Regierung war keine leichte für Sie - es wurden umfangreiche Vorwürfe hinsichtlich Ihrer Rolle in diversen undurchsichtigen Geschäften mit denen auch Ihr Ministerium zu tun hatte laut, und zahlreiche Untersuchungen der Staatsanwaltschaft gegen Sie laufen aktuell noch.

Nun müssen Sie also in ein paar Wochen vor einem Untersuchungsausschuss bezügllich der Rolle Ihres Ministeriums im größten Wirtschaftsskandal der zweiten Republik aussagen. Das ganze ist heikel, Sie wollen sich und anderen Beteiligten nicht schaden, was tut man da also in Ihrer Position?

Ganz einfach, Sie rufen in Ihrem Ex-Ministerium an und fragen um Rat und Tat - und siehe: wer fragt, dem wird geholfen. Diskret und im kleinen Kreis erstellt das Ministerium für Sie die Unterlagen damit Sie eine für Sie optimale Aussage tätigen können - und das alles obwohl Sie seit Jahren nicht mehr Minister sind, keinerlei Funktion und Weisungsbefugnis haben und es sicher auch gewisse Befangenheitsthematiken im Raum stehen.

Lieber Leser, Sie meinen das sei überzeichnet? Das gibt es nur in Schwellenländern oder am Balkan? Weit gefehlt, die Angelegenheit hat sich in Österreich abgespielt, und ich weiß nicht was ich schlimmer finden soll: Die Tatsache, dass dieser Vorgang möglich war, und das es augenscheinlich auch niemanden im Finanzministerium gibt, dem die Angelegenheit peinlich wäre. Oder, dass die Angelegenheit publik wird, und niemand nach einem Rücktritt des zuständigen aktuellen Ministers und einer strafrechtlichen Prüfung dieser Vorgänge ruft.

Vielleicht liegt es einfach am schlampigen österreichischen Umgang mit Funktionen und den damit verbundenen Möglichkeiten. Wir haben seit Beginn der zweiten Republik eine Kultur der Vorteils-Maximierung für unsere gewählten Volksvertreter und ihr soziales Umfeld etabliert. War es in den 60-80er Jahren noch der üble Scherz des "mit dem richtigen Parteibuch ist alles möglich", so geht es mittlerweile wirklich scheinbar nur mehr um den ökonomischen Vorteil.

Ohne Scham und Kleinlichkeit wird der Zugriff auf Ressourcen ausgenutzt - bin ich Obmann eines gemeinnützigen Vereins der auch Immobilien besitzt, kann ich mir ja auch gleich ein lebenslanges Wohnrecht einräumen lassen(praktisch, wenn man dann noch in der eigenen Familie einen Anwalt aufweisen kann, der den Vertrag wasserdicht erstellt). Überhaupt hat Familie wohl Priorität - wo es Jobs im öffentlichen oder privatisierten öffentlichen Bereich zu vergeben gibt, da werden die Ansprüche sofort gestellt - und natürlich auch erfüllt. Blickt man in die Verwaltung mancher landesnaher Institutionen so kann man eine Namensliste der Lokal- und Regionalpolitik ableiten.

Gerade die Kleinheit eines Landes wie Österreich begünstigt die Bildung solcher "Eliten" (in der ehemalige UdSSR sprach man von der Nomenklatura) - nehmen Sie sich einen Block und einen Stift, und schreiben Sie Namen auf, welche Ihnen zu folgenden Tätigkeiten einfallen und welche Ihnen aus den Medien bekannt sind:

Wirtschaftsberater/Weiser:

Politikberater:

Rechtsanwalt:

Richter:

Investor:

Lustig, dass man dann immer wieder die selben wenigen Namen fallen, oder?

Wird man ertappt, so hat man wenig zu befürchten. Ein trotziger Parteiaustritt ist wohl in den meisten Fällen das Maximum der Unerquicklichkeiten. Schon einmal von einem Politiker gehört, der nach dem Aufdecken seiner Rolle in einem Skandal von seiner Funktion zurückgetreten ist? Mir fällt kurzfristig auch keiner ein, aber das war schon bei Kreisky so (auch der hatte bei der Volksabstimmung zu Zwentendorf seinen Rücktritt für den Fall der Niederlage angekündigt - danach hatte er wortreich erklärt, dass er das schon selber bestimmen werde). Auch nach der Wien-Wahl 2015 hatte die Spitzenkandidatin der Grünen die selbe Situation zu vergegenwärtigen - auch ihr war der Positions- und Machterhalt wichtiger, als die Glaubwürdigkeit der politischen Richtung die sie vertritt.

Und wenn es denn sein muss, und ein neuer Job für ein Mitglied des Partei-Establishment gesucht werden muss, so ist man auch hier sehr kreativ - man denke nur an jenen Klubobmann, dem ein eigener(bis dahin kostenloser) Job in einem parteinahen Thinktank zurechtgeschnitzt wurde, damit er auch weiterhin die gewohnte Gehaltshöhe die er für ein standesgemässes Leben als notwendig erachtete, erhielt.

Es liegt aber wohl auch einem dem Österreicher gemeinhin eigenen Gen, welches "denen da oben" einfach gewisse Rechte zugesteht. Man murrt zwar hinter vorgehaltener Hand, aber bis zur nächsten Wahl ist dann wieder alles gut. Auch, weil man so wie bei der vorletzten Nationalratswahl alle Klientel mit großzügigen, aber leider nicht wirklich finanzierten Wahlgeschenken ruhigstellt.

Macht braucht Kontrolle, und eine Zivilgesellschaft ist nur so stark wie ihre Kontrollmechanismen und ihre Selbstreinigungskräfte es sind. Die "goldenen Jahrzehnte"  bis Ende des 20. Jahrhunderts wurden von den Vertretern des politischen Establishments schamlos genutzt, um Netzwerke und Systematiken der Machtausnützung zu etablieren. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hat im Zusammenhang mit dem AKH-Skandal von den "sauren Wiesen" gesprochen, welche es trockenzulegen gilt - aus heutiger Sicht sitzen wir mitten in einem Sumpf, der uns als Bauland dargestellt wird.

Wenn wir es als Gesellschaft nicht schaffen, diese Unerquicklichkeiten abzustellen, werden wir langfristig immer mehr von unserem Wohlstand verlieren. Die vielen Steuerzahler werden für die Privilegien der Wenigen immer tiefer in die Tasche greifen müssen - es liegt daher gerade bei der Generation der heute 20-30jährigen Wähler endlich aufzustehen, und ein Ende dieser Zustände einzufordern.

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