Profi-Verbrecher gegen Polizeischüler: Österreichs Exekutive darf ausbaden, was die Politik verbockt hat.

Diese Nachricht war erschreckend: Bei einem Überfall auf eine Supermarkt-Filiale in Wien-Penzing hatte Freitagabend ein Täter eine Angestellte in seine Gewalt gebracht. Als Beamte der nächstgelegenen Polizei-Inspektion am Tatort erschienen, versuchte der Räuber, die Geisel zur Irreführung der Beamten einzusetzen – was augenscheinlich schiefging, denn die drei PolizistInnen schöpften Verdacht und forderten die Angestellte auf, aus dem Raum, in dem sie sich in der Gewalt des Räubers aufhielt, herauszukommen. Was danach passierte, machte die Angelegenheit zur Tragödie. Denn der mit einer Pistole mit Schalldämpfern bewaffnete Räuber stürzte aus dem Raum und begann ohne zu zögern auf die Beamten zu feuern – mit fatalem Ausgang: Ein aus Kärnten stammender Beamter erlitt einen Kopfschuss, ein zweiter wurde mehrfach am Körper getroffen, die dritte Polizistin verletzte sich beim Sturz. Der durch eine Kugel verletzte Täter flüchtete daraufhin in eine Wohnung im ersten Stock des Gebäudes, von wo er in den Innenhof gelangen wollte – beim Sprung auf das im Innenhof liegende Vordach verletzte er sich jedoch so schwer, dass er nicht mehr bewegungsfähig war. Doch sogar jetzt dachte der Mann nicht ans Aufgeben: Als mittlerweile eingetroffene WEGA-Beamte auf ihn zukamen, eröffnete er wiederum das Feuer, woraufhin er erschossen wurde.

Soweit so schlecht – doch wie man soeben aus den Medien erfahren konnte, handelte es sich bei zwei der als erster ankommenden Polizisten um einen, der erst im Mai von der Polizeischule in die Exekutive übernommen wurde. Der zweite war überhaupt nur ein Polizeischüler, der im Streifenwagen mitgefahren war.

Für den neutralen Beobachter stellt sich die Frage, wie das sein kann – wie kann bei einer "stillen Alarmierung" die polizeiliche Intervention so aussehen, dass Dienst-Neulinge beziehungsweise Polizeischüler sich als erster vor Ort einem zu allem entschlossenen Täter gegenübersehen müssen? Gab es vor Ort keine Beamte mit mehr Praxis, mit besserer taktischer Schulung um einen solchen worst-case (der Beamte mit Kopfschuss ist in Lebensgefahr, der zweite Polizist ist schwer verletzt) zu verhindern?

Ist es nicht so, dass die Abläufe am Tatort ein Ergebnis einer Politik sind, in der uns permanent eingeredet worden ist, dass weniger Polizeiinspektionen und eine Reduktion der Beamtenzahl sich positiv auf die Sicherheitslage auswirken würden? Hat man nicht schon in den letzten Jahren auf die scheinbar kaum überbrückbaren Personalnöte mit Notlösungen wie z.B. den Einsatzeinheiten (Einheiten, in denen die neu übernommenen Beamte die ersten Monate Praxis bekommen sollen – waren zuletzt vor allem auch an den Drogen-Hotspots eingesetzt) reagiert?

Auch die jetzt in der Nachbetrachtung aufgetauchte Frage, warum keiner der angeschossenen Beamten eine Schutzweste trug, ist vermutlich auf Stress aufgrund der unbekannten Situation, bzw. vielleicht auch Unterschätzung der Gefahrenlage zurückzuführen.

Wer der erschossene Täter wirklich war, und was sein krimineller Hintergrund war, das wird sich hoffentlich noch zeigen. Fakt ist, dass die österreichische Polizei vermehrt mit extrem gewaltbereiten Tätern zu tun hat. Eine Person, die ohne zu zögern Schüsse auf uniformierte Beamte mit dem Ziel zu töten abgibt (anders kann man es angesichts der Verletzungen der Polizisten nicht interpretieren), und die auch in aussichtloser Situation nicht ans Aufgeben denkt, ist offensichtlich kein Durchschnittskrimineller gewesen.

Für die Zukunft ist zu hoffen, dass Österreichs Exekutive endlich die personellen und materiellen Ressourcen erhält, die sie benötigt, um der geänderten Sicherheitslage Herr zu werden. - Vor diesem Hintergrund sei noch erwähnt, dass der nach dem Amoklauf des Wilderers im Mariazeller Land (mit mehreren Toten, darunter auch ein Cobra-Beamter) erstellte Bericht mit Verbesserungsvorschlägen(fand glaube ich vor 4-5 Jahren statt) bis heute noch nicht 100% umgesetzt wurde.

Den verletzten Beamten und ihren Familien ist das Beste zu wünschen - junge Menschen am Beginn ihrer Laufbahn haben das getan, wofür sie sich in den Polizeidienst gemeldet haben, die Konsequenzen sind dramatisch und sollten uns allen eine Warnung sein.

Fotolia/© timboosch

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