Warum "Der Tod eines Handlungsreisenden" Pflichtlektüre für Abschlussklassen sein sollte

"Der Tod eines Handlungsreisenden" stellt den größten Erfolg des amerikanischen Autors Arthur Miller dar - 1949 erschienen, wurde dieses Drama rund um das Scheitern eines alternden Handlungsreisenden und den damit verbundenen familieninternen Verwerfungen weltweit in Landessprachen übersetzt, auf Bühnen gebracht und mehrfach verfilmt.

Miller schafft es mit seinem Stück schon 1949 die heraufdrängenden Probleme, welche sich unsere Gesellschaft aktuell noch in viel stärkerem Ausmaß gegenüber sieht, auf packende berührende und sehr authentische Art und Weise zu nähern. Sein Titelheld Willy Loman, ein in die Jahre gekommener Handlungsreisender sieht sich in seinen späten Berufsjahren mit der Tatsache konfrontiert, dass seine Lebensmaximen "Mit harter Arbeit kann man erfolgreich werden" und "Beliebtheit ist alles" augenscheinlich Schimären waren. Er, der ein Leben lang so erfolgreich wie sein mit Diamantengeschäften in Afrika(auf durchaus hinterfragenswerte Weise) reich gewordener Bruder werden wollte, hat in diesem Drang auch das Leben seiner Kinder massiv negativ beeinflusst. Dementsprechend leben die beiden Söhne auch ein Leben, das man wohl auch als positiv denkender Mensch als gescheitert oder zumindestens hinterfragenswert bezeichnen muss. Der eine Sohn ist zwar im Beruf durchaus erfolgsversprechend, verführt aber regelmässig die Frauen seiner Vorgesetzten, der andere fristet ein karges Dasein als Wanderarbeiter.

Schon seit Jahren klammert sich die ganze Familie an Träume vom "Erfolgreich werden", "vermögend werden" - immer gekoppelt an nicht umsetzbare Geschäftsideen. Doch Willy Loman wird älter, und die Tätigkeit als Verkäufer fordert ihren Tribut - er fühlt sich immer mehr ausgebrannt, und nicht mehr in der Lage jeden Tag dem Verkaufsdruck standhalten zu können. Sein Versuch, im Unternehmen in den Innendienst zu wechseln scheitert und er wird vom Junior-Chef entlassen. Um seiner Familie weiterhin Beschäftigung und Erfolg vorzuspielen nimmt er ein Darlehen auf, obwohl sein einziger Freund ihm mehrfach einen Job in seinem Unternehmen angeboten hat. Die Auseinandersetzungen mit seinen Söhnen werden immer dramatischer - sie weisen Willy Loman immer klarer darauf hin, dass er(aber auch seine ganze Familie) gescheitert ist. Gescheitert nach den Maßstäben des "American dreams", gescheitert aber auch im Streben nach Popularität.

Das Stück endet mit dem Selbstmord Willy Lomans - er möchte seinem Sohn aus der Lebensversicherungszahlung einen Neustart als Geschäftsmann ermöglichen.

Die Familie bleibt zerrüttet zurück - der eine Sohn sieht den Tod als Herausforderung und möchte erfolgreich werden, der andere Sohn erkennt, dass ein erfülltes Leben wichtiger ist als blosser ökonomischer Erfolg.

Arthur Millers Stück kann gerade heute als Wegweiser/Fingerzeig dienen, wenn es darum geht, Prioritäten im Lebensweg aufzuzeigen. In einer Zeit, in der Angestellte um die 40 bereits als"alte Eisen" betrachtet werden, und sie kaum mehr Chancen auf einen Neubeginn am Arbeitsmarkt finden, muß auch die Planung eines Lebensarbeitsweges Priorität haben. Auch die aktuell hemmungslos gepushte Vision von "Jeder kann Unternehmer werden" ist kritisch zu hinterfragen - wir leben in Zeiten von Basel II, Basel III und noch zu folgenden Restriktionen. Die wenigsten Jungunternehmer feiern die Erfolge, die uns Wirtschaftsmagazine vorweisen wollen - und was heißt schon Erfolg bei einer Abgabenquote von 52%?

Die uns präsentierten Erfolgsmenschen sind in der Masse bei genauerer Betrachtung zumeist egomanische Soziopathen mit einem oft sehr klaren Zug in die Grauzonen der rechtlich möglichen Geschäftstätigkeiten.

Am wichtigsten erscheint aber auch die Berücksichtigung der sozialen Perspektive. Die letzten 20-25 Jahre waren geprägt von einem sukzessiven Verabschieden von Lebenspartnerschaftsmodellen. Unsere Gesellschaft gefiel sich im "Patchworking" - das war zwar vielleicht für die Erwachsenen sehr ok, doch was es mit den beteiligten Kindern macht, haben(und werden wir in den nächsten Jahren noch viel stärker) wir aktuell in Kindergärten, Schulen und im späteren Leben zu verarbeiten.

Es ist auch an der Zeit, die absolute Erfolgshörigkeit im Sinne von reinen Konsumrepräsentationen(größeres Auto, schöneres Haus,.....) in die Schranken zu weisen. Die aktuell in den Schulen befindliche Generation wird diese Trugbilder, die schon unsere Generation in der Masse nicht hat erfüllen konnte, nicht einmal in greifbarer Nähe haben - wollen wir schon heute die Neurosen von morgen züchten?

In einer Zeit der dramatischen Umbrüche in Arbeitsmarkt und Pensionssystemen ist es an der Zeit wieder verstärkt auch auf die Stärken von Kontinuität in sozialen Beziehungen zu setzen. Wir haben in unserer absoluten Technologiehörigkeit Beziehungen vergessen und virtuelle Freunde und Likes favorisiert - was das mit uns macht, dass sehen wir aktuell jeden Tag auf Facebook.

Wir gieren nach Anerkennung, erfreuen uns an öffentlicher Beurteilung, ohne wirklich einen Plan zu haben, wie flüchtig, wie virtuell diese vorgespiegelten Beifallskundgebungen doch sind.

Willy Lomans Begräbnis im Stück ist ein einsames - die von ihm erwartete Fülle an Teilnehmer findet nicht statt.

Das wünschen wir unseren Kindern doch nicht, oder?

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Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 12.02.2016 14:11:41

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