Ein Film, eine Zeitschrift oder eine Fernsehserie – ohne Produktplatzierungen und klassische Werbung wohl kaum zu finanzieren. Doch welche perfiden Methoden werden inzwischen verwendet, um die Kauflust des Konsumenten zu stärken? Und wie viel kostet Schleichwerbung eigentlich? Ich möchte die Zusammenhänge anhand der Beispiele James Bond (24 Kinofilme), Marienhof (4053 Folgen im ARD-Vorabendprogramm von 1992-2011) und YouTube verdeutlichen.

Man unterscheidet bei den Produktplatzierungen grundsätzlich drei Intensitätsstufen[1]

  • reine Sichtbarkeit des Produkts, meist im Hintergrund
  • Zoom auf das Produkt, gerne auch in Verwendung gezeigt (fahrendes Auto, Biertrinken)
  • der Produktname wird aktiv in die Handlung eingebaut, zB. „Hier hast du den Schlüssel für meinen Porsche“, „Ist das eine Rolex?“, „Geschüttelt, nicht gerührt“

Wir sind es gewohnt, auf die Einhaltung der Kennzeichnungspflicht (deutliche Unterscheidbarkeit von redaktionellem Inhalt und Werbung) zu vertrauen. Beispiele „Entgeltliche Anzeige“, „Ausgestattet von …“ oder „Unterstützt durch …“. Kritisch wird es allerdings, wenn der Konsument bewusst darüber im Unklaren gelassen wird, wer die Dialoge, die Hintergrundgestaltung oder die „unabhängigen Produkttests“ eigentlich finanziert/sponsert. Für Schleichwerbung gibt es viele Möglichkeiten: gemeinsam mit einem angesehen Journalisten eine einseitige Studie veröffentlichen, die die eigenen Interessen in den Vordergrund (zB.: wie dringend wir doch die Türkei in der EU brauchen)[2] rückt. Oder einen Preis für den „Ministerpräsidenten des Jahres“[3] verleihen (um ihm vor einem schwierigen Wahlkampf nötigen Rückhalt zu symbolisieren). Oder die vielzitierte Themenführerschaft an sich reißen, durch die Neuinterpretation eines zentralen Wertes: „Sozial ist, was Arbeit schafft“ – dieser Slogan ging vom Institut Neue Soziale Marktwirtschaft aus und wurde später in deutschen Wahlkämpfen verwendet.

Doch zurück zu meiner Ausgangsfrage: wie viel kostet Schleichwerbung? Das zuvor erwähnte INSM setzt sich insbesondere für die Flexibilisierung der Arbeitszeiten ein und hat sich um 58.670 Euro Dialoge in sieben Folgen der ARD-Serie Marienhof gekauft.[4] Zehn Wochen lang war auch das Reisebüro L’tur dabei – es wurden die Vorzüge von Billigreisen hervorgestrichen („Bei Andrea gibt es richtig geile Luxusreisen für total wenig Geld. Hotel mit Vollpension, Flug und allem Drum und Dran.“[5]). Mit von der Partie waren auch der „Zentralverband Sanitär-Heizung-Klima“ (Vorteile der Erdgasheizung) und die „Arbeitsgemeinschaft textiler Bodenbelag“ (Vorteile eines Teppichbodens). Konkrete Zahlen werden hierzu leider unter den Teppich gekehrt.

Die YouTube-Blogger Y-TITTY (3,07 Millionen Abonnenten) und Daaruum (934.000) haben sich über viele Jahre hinweg einen treuen Fankreis erarbeitet. Produkttests, Entertainment, Spaß. Gefährlich wird es aber, wenn man sich, wie MEDIAKRAFT[6] (vermarktet viele YouTube-Stars) auf ihrer Homepage bereitwillig zugibt, gezielt an junge Zuseher (14-34 Jahre) wendet. Möglicherweise, weil diese bereits eigene Wünsche und Begierden entwickeln, die bereitwillig von Eltern und Verwandten finanziert werden? Oder weil Kinder/Jugendliche leichter zu beeinflussen sind? Für Y-TITTY („Das Coolste ist es ja, wenn man Produkte beiläufig testet oder erwähnt, ohne Verkaufsabsichten direkt zu vermitteln!“, sinngemäßes Zitat) bezahlt man an MEDIAKRAFT 80 Euro pro 1000 Klicks und darf dort die positive Berichterstattung über sein Produkt erwarten – etwa über Coca Cola, Samsung oder Heineken. So können für handliche fünfstellige Beträge viele (wirklich viele!) Zuseher erreicht werden, ohne den schalen Nachgeschmack des Umworben-Werdens zu hinterlassen – denn man klickt ja gerne seine Stars an, die man abonniert hat (ein Fan meinte sogar: „Y-TITTY, das ist ein Lebensgefühl!“, sinngemäßes Zitat). Wenn sich der Konzern aber selbst Gedanken um Drehbuch, Kulisse, Darsteller, Kamera, Schnitt und vieles mehr machen müsste – das käme sicherlich teurer. Man kann aber auch andere Blogger buchen – und nach regionalen oder demographischen Merkmalen auswählen. Will ich Warschau, Amsterdam oder München erreichen?[7] Will ich Mädchen, Zocker oder Immigranten erreichen?

James Bond ist ein wahre Fundgrube für Markennamen: „Mit James Bond verbinden viele Aston Martin, Martini oder Omega. Das ist reines Marketing - und ein riesiger Wirtschaftszweig. James Bond wird verkauft - für Markenplatzierungen“[8], brachte es Nina Kaimer auf den Punkt, denn die Filme mit Daniel Craig gleichen einem stundenlangen Werbeclip. Heineken soll 45 Millionen Euro gezahlt haben, um aus 007 einen Biertrinker zu machen, „Ein Quantum Trost“ bekam wegen Schleichwerbung den „Film Whore Award“ verliehen. Die Stoßrichtung ist klar: ein Actionheld soll zur Lebensphilosophie werden. Ein Mann, der selbst seine Produkte aussucht, verbringt zu viel Zeit mit sich selbst. Ein Mann, der sich hingegen von einem Schauspieler sagen lässt, was er anziehen, was er trinken, was er kaufen soll – das ist ein Mann mit Stil, im Auftrag Ihrer Majestät.

Mir ist es unverständlich, warum ein gebührenfinanzierter öffentlicher Fernsehsender mit Bildungsauftrag nicht einfach auf Werbung verzichtet. Gut, in den meisten Serien und Sendungen werden nicht offensiv Parteien oder Produkte beworben, dennoch habe ich den Eindruck, dass gewisse Tätigkeiten (übermäßiger Alkoholkonsum, Entkriminalisierung von Marihuana, Fremdgehen, traditionelle Rollenbilder) und Produktgruppen (Autonutzung, Bierkonsum, viele Elektrogeräte) positiver als unbedingt notwendig dargestellt werden. Das führt letztendlich dazu, dass durch die inflationäre Verwendung Werbung generell entwertet wird (es muss noch mehr Geld in Imagepflege und Vermarktung gesteckt werden, um unter all den Informationsfetzen überhaupt noch aufzufallen). Die Herstellungskosten gewisser Produkte (Bekleidung, Medikamente, Elektrogeräte) sind heute nur mehr ein Bruchteil der Verkaufspreise. Es werden jährlich Milliarden ausgegeben, um den Konsumenten zu beeinflussen. Wäre es nicht vielleicht sinnvoller, ebendiese Milliarden in faire Löhne & Arbeitsbedingungen, Bildung und medizinische Versorgung zu stecken? Wir haben als Käufer die Macht, ganze Konzerne zu zerschlagen („Wir haben dich gemacht. Wir können dich auch vernichten.“[9] – ein 13-jähriger Junge gegenüber Nike).

Heute wissen noch zu wenige Konsumenten über diese üblen Machenschaften Bescheid bzw. sie tolerieren diese. Ein Umdenken ist in jedem Fall wünschenswert, weil man für seine Handlungen/Lebensweise Verantwortung übernehmen sollte. Einen Boykott halte ich für weniger sinnvoll, da dadurch die Probleme vor Ort meist nicht gelöst werden können, da die Konzerne noch zu viel Macht über ihre Mitarbeiter, die Konsumenten und den Staat haben.

Ergänzende Informationen: https://www.youtube.com/watch?v=KQWPpoYy8E8 (Unterscheidung zwischen Produktplatzierungen und Schleichwerbung) und „Gekaufte Journalisten“ von Udo Ulfkotte, der darin weitere schädigende Vorgangsweisen in der Medienbranche vor Augen führt.

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