Kürzlich habe ich aus verschiedenen Gründen das Rücklicht meines Fahrrads am Rucksack moniert.

Einer der Hauptgründe war, dass ich ein spartanisches Ein-Gang-Bike mit dem absoluten Minimum an Fix-Equipment habe und es im Winter leichter ist, in warmen Raum das rucksackmontierte Rücklicht an- und abzuschalten, statt es im kalten Freien immer auf das Fahrrad rauf- und runterzufingern und ein- und auszuschalten.

D. Knoflach

Erst hinterher bin ich draufgekommen, dass es möglicherweise illegal ist, abends oder nachts mit dem Rücklicht am Rucksack zu fahren, weil möglicherweise eine fixe Montierung des Rücklichts am Fahrrad vorgeschrieben sein könnte.

Daher habe ich die entsprechenden Vorschriften noch einmal überprüft und durchgelesen, speziell die Fahrradverordnung.

Dabei fiel mir folgendes auf: in der geltenden Fassung der Fahrradverordnung, also vom 14.1.2020, kommt die Lichtanlage (also der Scheinwerfer nach vorne und das Rücklicht) gar nicht explizit in einzelnen Punkten vor, wird aber im Zusammenhang mit anderen Punkten (den Rückstrahlern) erwähnt, was mir irgendwie rechtssystematisch unlogisch erschien.

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001272

Also durchkämmte ich die früheren Fassungen der Fahrradverordnung, und dabei fiel mir auf, dass vor ca. 15.11.2013 eine andere Form der Fahrradverordnung galt, in der Vorne-Scheinwerfer und Rücklicht sehr wohl explizit in einzelnen Unterpunkten vorkommen.

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001272&FassungVom=2013-11-15

Der wesentliche Unterschied zwischen der alten und der neuen Fassung ist, dass in der alten folgende Passage unter der einleitenden Rubrik "Allgemeines" vorkommt:

"3. mit einem hellleuchtenden, mit dem Fahrrad fest verbundenen Scheinwerfer, der die Fahrbahn nach vorne mit weißem oder hellgelbem, ruhendem Licht mit einer Lichtstärke von mindestens 100 cd beleuchtet;

4. mit einem roten Rücklicht mit einer Lichtstärke von mindestens 1cd;"

Candela (cd) ist übrigens eine Masseinheit zur Bemessung von Lichtstärke.

Somit wäre die Frage geklärt, dass in der alten Fassung der mit dem Fahrrad fest verbundene Scheinwerfer nach vorne vorkommt, aber nicht "ein mit dem Fahrrad fest verbundenes rotes Rücklicht", sondern nur ein rotes Rücklicht mit einer gewissen Mindestleuchtstärke.

Ob mein Vorgehen mit dem Rucksackrücklicht jetzt laut neuer Fassung legal ist oder nicht, erschloss sich mir nicht, aber dafür ergaben sich mehrere neue Fragen:

wieso hat sich die Fahrradverordnung qualitativ verschlechtert ?

Hier kann ich natürlich nur mutmaßen, und so ziemlich der einzige Ansatzpunkt ist das Datum, der 15.11.2013.

Also begann ich zu recherchieren: was war am 15.11.2013 ?

Die Regierungsverhandlungen rund um die Bildung des Kabinetts Faymann 2.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesregierung_Faymann_II

Es war übrigens sowohl im Kabinett Faymann 1 als auch im Kabinett Faymann 2 Doris Bures Ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, also kann die Änderung in der Fahrradverordnung nicht mit einem Ministerwechsel oder Ministerinnenwechsel oder Minister-zu-Ministerin-Wechsel oder Ministerin-zu-Minister-Wechsel oder wie auch immer man das in unserer überbordend politisch korrekt fomulierenden Zeit ausdrücken muss, zusammenhängen.

Na, womit zum Geier hängt es dann zusammen ? Ich musste eine Zeit herumknofeln, aber dann fiel mir eine neue Theorie ein:

es könnte eine neue Variante des allseits unter Spitzenbeamten beliebten Spiels "Ministerverbrennen" sein: um den Unmut über die Wiederbestellung von Bures auszudrücken, könnten Beamte die Verordnung im November 2013 verändert haben.

Doris Bures hatte eigentlich nie eine besondere Affinität zu den Themen Verkehr, Innovation und Technologie.

Ihre vorhergehenden Karrierestationen waren Sozialistische Jugend, Bezirksrätin Wien-Liesing, Bezirksparteivorsitzende Liesing.

Sie soll eine enge Vertraute des früheren Bundeskanzlers Gusenbauer gewesen sein, und sie gab an, durch die Abstimmung rund um das AKW Zwentendorf politisiert worden zu sein.

Die eine durchaus problematische war, weil der damalige Bundeskanzler Kreisky angekündigt bzw. angedeutet hatte, zurückzutreten, falls die Abstimmung negativ ausgehen sollte, was zahlreiche Sozialdemokraten bewog, gegen die eigene Überzeugung für das AKW Zwentendorf zu stimmen oder sich zu enthalten, sowie zahlreiche Konservative bewog, gegen die eigene Überzeugung gegen das AKW Zwentendorf zu stimmen oder sich zu enthalten.

Diese Volksabstimmung war daher eigentlich invalide/ungültig, weil die Sachefrage "AKW oder nicht ?" durch die Personenfrage "Kreisky-Rückzug oder nicht ?" überlagert wurde.

Kreisky ist übrigens entgegen der eigenen Andeutung nicht zurückgetreten, obwohl oder weil die Abstimmung denkbar knapp (mit 50.4% gegen 49.6%) gegen das AKW bzw. gegen Kreisky ausging.

Aber auf eine gewisse Art und Weise war trotzdem Kreisky der "Sieger", weil er durch die Abstimmung Dampf abliess und innerparteiliche Kritik reduzierte, was den SPÖ-Wahlsieg bei der darauf folgenden Nationalratswahl ein halbes Jahr später ermöglichte. Allerdings war es ein Wahlsieg zu einem hohen Preis, nämlich des Glaubwürdigkeitsverlusts, der Beschädigung direktdemokratischer Instrumente (was möglichweise zur miserablen Beteiligung an Volksbegehren in der Folge und an der Null-Erfolgsquote derselben beitrug). Derselbe Kreisky, der versprochen hatte, das Land mit Demokratie durchfluten zu wollen, hatte eben durch den Missbrauch direktdemokratischer Instrumente diese massiv beschädigt und gilt deswegen oder trotzdem als so eine Art SPÖ-Säulenheiliger - die typisch verrückte Art und Weise, wie die Dinge in Österreich eben laufen.

Auf jeden Fall: ein solches Vorgehen des "Ministerverbrennens" ist eigentlich in einer Demokratie höchst unüblich, und eher ein Markenzeichen von Diktaturen oder semi-diktatorischen Systemen.

Normalerweise würden Wissenschafter oder Professoren die Kritik üben und die Medien würden sie ausgiebig und ordentlich transportieren.

Eine derartige Verordnungsveränderung durch Ministerialbeamte ist daher immer ein Zeichen eines demokratisch-abnormalen Verhaltens, und ein Notwehrakt einer Spitzenbürokratie gegen eine undemokratische Polit- und Medienlandschaft.

So gesehen ähnelt die Vorgangsweise dem offensichtlich absichtlichen Abschuss der Boeing 737 kurz nach dem Start in Teheran vor ca. einer Woche durch einen iranischen Flugabwehroffizier, der seine Kritik am unabwählbaren De-Facto-Staatschef Ajatollah Ali Khamenei nicht anders ausdrücken konnte, als so.

Möglicherweise hatte der betreffende Flugabwehroffizier so wie der Anti-Hitler-Putschist Stauffenberg eine schwere Kriegsverletzung erlitten, in einem der Kriege in fernen Ländern wie Syrien, in den Khamenei ihn geschickt hatte, statt ihn die iranische Revolution hüten zu lassen, so wie es eigentlich den iranischen Revolutionsgarden versprochen war.

P.S.: es gibt übrigens eine Software von einem Kollegen, mit der man automatisiert Gesetzestexte vergleichen kann, etc.

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