"De mortiis nihil nisi bene" ("Über die Toten soll man nur Gutes sagen" ). Das scheint wohl das Motto zu sein, das die Kohl´s Parteikollegen aus der EVP (darunter auch EU-Kommissionspräsident Juncker) zu den überhöhten und überdrehten Lobeshymnen bewegte.

Die Wahrheit ist wie so oft eine andere:

1.) Helmut Kohl hatte einfach Glück in vielerlei Hinsicht. Er hatte Glück, dass die Berliner Mauer ausgerechnet in seiner Amtszeit fiel. Und er hatte Glück, dass die SPD so blöd war, sich in der NATO-Nachrüstungsfrage selbst zu demolieren und als Regierungspartei lächerlich zu machen, wodurch ihm (Helmut Kohl) die Macht leistungslos in den Schoss fiel.

2.) Helmut Kohls Leistung bei der deutschen Wiedervereinigung war durchschnittlich, weder besonders gut noch besonders schlecht. Weder gegen die extrem hohen Zinsen der damaligen Zeit noch gegen die extrem hohen Budgetdefizite der damaligen Zeit hatte Helmut Kohl irgendein Gegenmittel (allerdings SPD, Grüne und FDP auch nicht).

3.) Dennoch ist Kohl mit seiner Position immer noch besser gelegen als Lafontaine mit seinem Versuch, die DDR aufrechtzuerhalten.

4.) Ein großer Fehler von Helmut Kohl war das "Aussitzen". Die "Aussitzen"-Methode, die der Statur von Helmut Kohl entsprach, hiess: nichts sagen, nichts reden, nicht argumentieren, nicht diskutieren, sondern die Kanzlermacht einfach dazu verwenden, weiterzumachen, weiterwurschteln und through-muddling. Aber diese "Aussitzen"-Methode ist kein Spezifikum von Helmut Kohl. Auch Wolfgang Schüssel (ÖVP-Kanzler 2000-2006) wurde vielfach als "Schweigekanzler" bezeichnet, auch Angela Merkel hat eine Tendenz dazu, Heinz-Fischer-gleich um den heissen Brei herumzureden. Helmut Schmidt, Kohls Kanzlervorgänger aus der SPD, war da ganz anders: er bezog oft kontroversielle Positionen, und nach seiner Abwahl wurde er Herausgeber der Wochenzeitung "Zeit", weil er die Bedeutung von Medien und Meinungsvielfalt für die Demokratie erkannte.

5.) Einer der großen Fehler von Helmut Kohl war der Glaube, die Einführung des Euro würde Abwertung durch Weichlohnländer verhindern. Abwertungen durch Weichwährungsländer sind auf andere Art wieder aufgetreten, nämlich in Form von Eurokrisen, Verschuldungskrisen, Handelsbilanzungleichgewichten, und Konflikten mit Nicht-Eurozonen-Mitgliedern. Mag die EU auch die Schuld der EZB am Brexit, am Wahlsieg von Trump und an den zerstörten Beziehungen zu den USA vertuschen, mich täuscht sie damit nicht.

Abschliessend: ja, man kann Helmut Kohl als grossen Europäer bezeichnen, aber nur deswegen, weil viele andere, die als grosse Europäer gefeiert wurden, genauso klein waren.

Helmut Kohl, kürzlich verstorbener deutscher Bundeskanzler von 1982-1998, CDU, Bild-Copyright: Legal Tribune oder deutsches Bundesarchiv oder sonstwer nicht recherchierbarer.

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 02.07.2017 07:16:59

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