Es ist eines der spannendsten Experimente der Entscheidungstheorie:

ein (vielleicht durch ohnmächtigen Lokführer) wildgewordener Zug fährt auf Schiene; wenn niemand die Weiche betätigt, dann fährt der Zug auf Gleis 1 und tötet dort 20 Menschen.

Wenn hingegen jemand die Weiche betätigt und umschaltet, dann fährt der Zug auf Gleis 2 und tötet dort fünf Menschen.

Was tun jetzt Menschen, wenn sie alleine an der Weiche stehen und alleine die Entscheidung fällen können, entweder nichts zu tun, was den Tod von 20 Menschen zur Folge hat, oder die Weiche zu betätigen, was den Tod von 5 Menschen zur Folge hat ? (Und wenn keine dritte Möglichkeit existiert)

Hier gibt es zwei Gruppen:

die eine Gruppe betätigt die Weiche nicht und tut gar nichts, was zum Tod von 20 Menschen führt.

Die Argumentation dieser Menschen ist ungefähr so: "Egal, was ich tue, egal, ob ich die Weiche betätige oder nicht, es werden in Folge Menschen sterben. Daher lade ich auf jeden Fall Schuld auf mich. Daher muss ich die ganze Situation ablehnen; und weil ich die ganze Situation ablehnen muss, muss ich nichts tun und die Situation boykottieren. Jede Tätigkeit wäre eine Befürwortung der üblen Situation, die auf jeden Fall den Tod von Menschen zur Folge hat."

Die Argumentation der anderen Gruppe ist folgendermaßen: "Egal, ob ich die Weiche betätige oder nicht, es werden Menschen sterben, aber wenn ich die Weiche betätige, dann sterben nur 5 Menschen, also 15 Menschen weniger, als sterben würden, wenn ich nichts tue. Daher muss ich die Weiche betätigen und 15 Menschenleben retten".

Eine Entsprechung dieser Situation ist z.B. die Frage, ob man einen Entführer töten soll, der die ersten Entführungsopfer gerade getötet hat und der gerade dabei ist, mehrere Menschen zu töten.

Die eine Gruppe argumentiert pazifistisch: "Ich lehne Gewalt prinzipiell ab, und erschiesse den, der auf andere Menschen zielt, nicht."

Die andere Gruppe argumentiert umgekehrt: "Dieser Mann ist gefährlich. Er hat entführt und schon die ersten Entführungsopfer ermordet. Daher muss ich ihn töten, bevor er noch weitere Entführungsopfer tötet".

Der deutsche Soziologe Max Weber nannte diesen Unterschied zwischen diesen Beiden Gruppen den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik.

Man kann darüber spekulieren, ob im Protestantismus die Verantwortungsethik verbreiteter ist als im Katholizismus. Auch eine gewisse Obrigkeitshörigkeit mag im katholischen Radikalpazifismus mitspielen, während protestantische Länder wie USA und Großbritannien immer wieder zur Kriegsführung (z.B. im Irakkrieg 2003) neigten.

Welcher Typ sind Sie ? Der Nichtstuer, der jede Tötung ablehnt ?

Oder der Tuer, der versucht, den Schaden zu minimieren, wenn schon einer unvermeidlich ist ?

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Dieter Knoflach

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Frank und frei

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