Warum ich den Internetauftritt der Stadt Wien sabotierte (oder auch nicht)

Unter Hacktivismus versteht man Aktivismus mit den technischen Mitteln des Hackens, also des illegalen Eindringens in fremde Computersysteme.

Kürzlich gab es DDoS-Attacken auf Homepages der Stadt Wien, bei denen man Wahlkarten für die EU-Wahl bestellen konnte:

https://www.vienna.at/hacker-attacke-auf-stadt-wien-probleme-bei-eu-wahl-wahlkarten/6201273

https://derstandard.at/2000102916637/Cyberangriff-auf-Stadt-Wien-sorgt-fuer-Wahlkampf-Streit

Es gibt einige Indizien, die dafür sprechen, dass ich das war:

1.) Ich kritisierte in meinen Blogs die Entwicklung Österreichs zu einer Demoskopokratie, in der die Meinungsforschungsinstitute die Wahlen und die innerparteilichen Personalentscheidungen der Parteien entscheiden, und nicht die Wähler und Wählerinnen.

Darunter besonders den ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahl 2017 und die EU-Wahl 2019, wegen der Anfälligkeit der Wahlsysteme für taktisches Wählen bzw. für "Täuschung bei einer Wahl", wie es im StGB-Paragraphen 263 heisst.

Beim ersten Wahlgang der Bundespräsidentschaftswahlen ergab sich die Anfälligkeit für Wahlmanipulationen dadurch, dass erstens kein Reihungswahlrecht a la Schulze oder Borda verwendet wurde, zweitens erstmals in der Geschichte mehr als zwei Kandidierende Chancen auf Einzug in die Stichwahl hatten, und drittens wahrscheinlich absichtlich manipulative Meinungsumfragen publiziert wurden, die Van der Bellen weit überbewertet hatten und die (fälschlicherweise, wie sich hinterher herausstellte) den Eindruck erweckt hatte, nur Van der Bellen könne Hofer besiegen, nicht aber Griss).

Weil die (falschen) Umfragen nur Van der Bellen Chancen einräumten, Hofer zu besiegen, nicht aber Griss, entscheiden sich zahlreiche Wählende, denen Griss am liebsten gewesen wäre, dazu Van der Bellen zu wählen, und eben deswegen dürfte Van der Bellen in die Stichwahl gekommen sein, aber nicht Griss.

Bei der EU-Wahl könnte die Wahlmanipulation dadurch entstehen, dass das Meinungsforschungsinstitut SORA, das schon bei der BP-Wahl unter den Instituten gewesen war mit den höchsten Fehlern, also der höchsten Überbewertung von Van der Bellen, beruhend auf der Aussage von Wahlzeugen Hochrechnung machen soll. Wahlzeugen dürfen nur von Parteien entsendet werden; sie haben also wegen ihres Naheverhältnisses zu Parteien ein Interesse daran, die Wahlen zu manipulieren oder könnten ein solches haben.

Zudem ist SORA ein SPÖ-nahes Institut, das insbesondere in Wien über hervorragende Medienkontakte verfügt.

In Österreich wird 17 Uhr Wahlschluss sein, und kurz danach wird SORA seine angeblichen Hochrechnungen, in die auch manipulative Überlegungen (entweder der Wahlzeugen oder des Instituts selbst) Eingang finden.

Aber in Italien schliessen die Wahllokale erst um 23 Uhr, sodass italienische / südtiroler Wähler wählen können im Wissen darum, wie die Anderen gewählt haben, bzw. sie können glauben, so wählen zu können. Wenn zum Beispiel die Meinungsumfragen aus Österreich suggerieren, dass Timmermans (S&D) nur knapp hinter Weber (EVP) liegt, dann könnten zahlreiche italienische Wählende, die ohne Umfragen lieber liberal, rechtspopulistisch oder grün wählen würden, wegen der Umfragen S&D wählen, im Glauben, Timmermans hätte Chancen, als Kandidat der stimmenstärksten Partei EU-Kommissionspräsident zu werden.

Das hat natürlich auch einen Bezug zu Wahlkarten: bei vielen früheren Wahlen wurden Wahlkarten akzeptiert, die wahrscheinlich nach dem Wahlschluss ausgestellt und abgesandt wurden. Dadurch konnten zahlreiche Wählende taktisch wählen, d.h. wenn z.B. die vorläufigen Ergebnisse ohne Wahlkarten suggerierten, dass es auch Sicht der Grünen egal ist, wie die Wahlkartenwähler wählen, weil keine Grün-Mandate mehr wandern können, hingegen die ÖVP und SPÖ noch ein Mandat dazugewinnen könnte zulasten der FPÖ durch die Wahlkarten, dann könnten zahlreiche Grün-Wahlkartenwähler, um die FPÖ zu schwächen, ÖVP oder SPÖ wählen, obwohl ihnen eigentlich ideologisch gesehen grün lieber gewesen wäre. (Derartige Beispiel kann es antürlich auch bei allen anderen Wahlen geben. Bei Wahlkarten hat traditionell die ÖVP einen höheren Anteil als unter der Wahllokalwählerbevölkerung. Die Zulassung von Wahlkarten, die erst nach dem Wahlschluss ausgefüllt wurden, wurde damit gerechtfertigt, dass es eine legitime Maßnahme sei, um den angeblich "traditionelle schwere Mobilisierbarkeit bürgerlicher Wählerinnen und Wähler zu kompensieren".

Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Aufhebung einer BP-Wahlwiederholung die Veröffentlichung von Teilergebnissen vor dem Schliessen aller Wahllokale für verfassungswdirig erklärt und zwar eben wegen des taktischen Wählens.

Bzgl. des nun angedachten Modells der Publikation von Hochrechnung von Wahlzeugenaussagen vor dem Wahlschluss in Italien gibt es zwar noch keine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, aber die Ähnlichkeit zu ähnlichen Fällen, in denen der VfGH aufhob, ist offensichtlich.

2. Indiz dafür, dass ich hinter den DDOS-Attacken auch die Stadt Wien stecken könnte:

Ich bin Mitglied eines Hackerspaces und habe früher einmal Computerwissenschaft studiert.

3. Die DDOS-Attacke fand am 9.5. statt, also unmittlebar von meinem Geburtstag, dem 10.5.; also dem Tag an dem auch der frühere Vizekanzler Mitterlehner zurückgetreten war, nachdem (fehlbare oder vielleicht absichtlich irreführende !) Meinungsumfragen behauptet hatten, er würde als ÖVP-Spitzenkandidat ein viel schlechteres Wahlergebnis erreichen als Sebastian Kurz.

4. Ich bin Gründer der realpolitischen Sozialdemokraten, deren Wahlbündnisangebote bei der letzten Wien-Wahl abgelehnt wurden, und die durch das Wahlsystem (Verstärkereffekte für Großparteien, 5%-Hürden) schlechte Chancen auf parlamentarische Vertretung hat.

(Die 5%-Hürde für die EU-Wahl wurde vom deutschen Bundesverfassungsgericht nach der Bundestagswahl 2013 als verfassungswidrig aufgehoben, nachdem 16% der Stimmen unwirksam wurden durch die Hürde: damals erzielten FDP und AfD jeweils 4.9% und einige andere Parteien scheiterten auch an der Hürde. Man kann das BVerfG-Urteil ach so sehen, dass auf zumindest einer Ebene keine oder nur eine kleinere Prozenthürde existieren sollte, was für Österreich Handlungsbedarf bedeuten würde, Handlungsbedarf in Sachen autonomer Nachvollzug)

5. Ich betrachte es als äußerst problematisch, dass Österreich mit seinen Wahlmanipulationen und -wiederholungen den Wahlmanipulationen und -wiederholungen in Problemstaaten wie der Türkei (Wahlen wiederholen, bis Erdogan oder AKP gewinnt) eine Scheinlegitimation verleiht.

6. Ich versuchte am Tag nach dem Wechsel der damaligen Innenministerin Mikl-Leitner nach Niederösterreich, polizeiliche Anzeige zu erstatten wegen "Täuschung bei einer Wahl", §263 StGB, aber die Polizei (damals unter Innenminister Sobotka, der auch beim Abschiessen von Mitterlehner eine Rolle gespielt haben soll) weigerte sich, die Anzeige entgegenzunehmen.

7. Die Wahrheit könnte Folgendes sein: Ich war grantig, dass die Komplexität der Wahlsysteme nicht kommunizierbar ist mit heute dominierenden Medien wie Fernsehen mit seinen 10-Sekunden-Sagern und mit Twitter, bei dem Botschaften auf die Länge von 200 Zeichen limitert sind, sodass ich mich zu einer hacktivistischen Attacke entschloss. Ich möchte betonen, dass es nie mein Interesse war, Daten zu stehlen, sondern dass der Sinn meines Hacktivismus lediglich war, auf eine Sicherheitslücke im Wahlsystemen aufmerksam zu machen, nämlich die allzuleichte Manipulierbarkeit von Wahlen, der man auch einen Riegel vorschieben könnte entweder durch Gesetze, die Publikation von Meinungsumfragen zwei Monate vor der Wahl verbieten, oder durch Reihungswahlrechtssysteme. Im erweiterten Sinne kann man das durchaus als vereinbar mit der Hackerethik betrachten, obwohl es bei der Hackerethik eigentlich um Aufmerksammachen auf Sicherheitslücken in Computersystemen, nicht in Wahlsystemen geht.

8. Ich war eine Zeitlang obdachlos und dürfte deswegen mein Wahlrecht bei der EU-Wahl verlieren.

Man kann es so sehen, dass ich Wahlen beeinflussen wollte, in dem Sinne, dass ich wollte, dass verfassungswidrige Wahlen nicht stattfinden, noch dazu solche Wahlen, die verfassungswidrig sind und Scheindemokratien ermöglichen und legitimieren, in denen Wahlwiederholungen stattfinden, bis das erwünschte Ergebnis stattfindet, wie der Erdoganokratie.

Und man kann es auch so sehen, dass ich eine Art leicht pro-russischer Troll bin, in dem Sinne, als meine Position zur Krimfrage pro-russischer ist als der der meisten (österreichischen) Parteien mit Ausnahme der FPÖ, allerdings bin ich auch Putin-kritischer als die FPÖ. Ich wurde nicht von Putin bezahlt und habe auch keinen Kooperationsvertrag mit Putins Partei "Haus Russland". Man kann meinen etwaigen Hacktivismus auch sehen als Protest dagegen, wie leicht viele Computerprobleme bzw. Attacken Russen in die Schuhe geschoben werden, obwohl der wirkliche Urheber oft schwer herauszufinden ist.

Diese Störaktion soll auch ein Beweis sein, dass Wählen nicht die einzige Möglichkeit ist, an einem demokratischen Prozess teilzunehmen, sondern dass auch Demos, Leserbriefe, Störaktionen und Hacktivisismus positive und partizipative eilnahme am öffentlichen Leben sein können, im Unterschied zu dem, was so manche Blogger und Artikelschreiber behaupten.

https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2008370-Werbung-fuer-die-Wahl-Staatsbuergerliche-Verantwortung.html

Im Unterschied zu dem, was der Autor behauptet, halte ich hohe Wahlbeteiligung, wenn sie aufgrund gehässiger und verhetzender Wahlkampfthemen entsteht, nicht immer für ein positives Zeichen von bürgerlicher Verantwortung, sondern auch oft für problematisch, weil sie eine Nähe zum Bürgerkrieg hat. Die hohe Wahlbeteiligung und die starke Gegeneinanderpolarisierung der beiden Lager im Österreich der ersten Republik war ein Vorbote des Bürgerkriegs und der Parlamentsausschaltung bzw. Parlamentsselbstausschaltung.

Wahlpflicht, die vielfach als Beispiel der illiberalten Demokratie gesehen wird, halte ich für insofern positiv, als

sie es unnötig macht, verhetzende und polarisierende Slogans zu verwenden, nur um die Wahlbeteiligung erhöhen und die eigenen Wähler zu mobilisieren. Das Pendant zur parteilichen Bestrebung, die eigenen Wähler zu mobilisieren, ist natürlich die Demobilisierung der Wähler anderer Parteien, insbesondere der Wähler des "gegnerischen Lagers".

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/erdoganokratie-waehlen-lassen-bis-erdogan-gewinnt-56084

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/unser-extremismusfoerderndes-und-manipulationsanfaelliges-praesidentenwahlsystem-18790

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/wird-eu-wahl-verfassungswidrig-sein-56128

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/ueber-die-unertraegliche-twitter-doppelmoral-bei-chebli-und-meinungsumfragen-56040

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/wie-meinungsumfragen-meinung-manipulieren-55906

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/eurofakenews-aufwaertstrend-der-verlierer-55613

Pixabay License / Geralt https://pixabay.com/de/illustrations/mann-gesicht-kapuze-hacker-1187192/

Der echte Hacker trägt natürlich immer Kapuze, zumindest auf Fotos. Ein Beweis, dass es nicht ich Kapuzenloser war, der die Homepage der Stadt Wien zu den Wahlkarten hackte ?

Siehe auch:

https://oe1.orf.at/player/20190510/552943

P.S.: Hacktivismus könnte ein Kollateralschaden von Cyberwar-Bekämpfung werden. Zahlreiche Parteien stilisieren den EU-Wahlkampf zu einem Forum, um Cyberwar und Cyberattacken als große Bedrohungen darzustellen. Aber in Wirklichkeit ist der Urheber von Cyberattacken (zumindest von gutgemachten) schwer zu eruieren; und das ist vielleicht der Grund, warum wegen einer Cyber-Attacke noch nie ein Bündnisfall ausgerufen wurde.

Neue Technologien lösen neue Ängste aus, mit denen man Politik machen kann. Ähnlich gravierende Bedrohungen durch ältere Technologien werden oft unterschätzt.

P.S.: man muss dazu sagen, dass der Begriff des Hackens zweideutig ist: einerseits Umgang mit technischen Hilfsmitteln (wie dem Computer), andererseits strafrechtlich relevante bzw. mißbräuchliche Verwendung derselben.

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