Wie extremistische Internetblogger Medien und Wissenschaft bzgl. Atomkriegsdrohungen verfälschen

Neuerdings sind wieder zahlreiche verfälschende Internetblogs aufgetaucht, die den Artikel des Universitätsprofessors für internationale Politik an der Universität Konstanz, Gerald Schneider, in der Neuen Zürcher Zeitung lächerlich machen und verfälschen.

Ein Charakteristikum dieser Internet-Verfälschungen ist erst einmal, dass der Originalartikel nicht verlinkt und nicht in seiner Gesamtheit zitiert wird, sondern dass nur die Überschrift erwähnt wird, und einige kurze Stellen aus dem Artikel aus dem Zusammenhang gerissen, bzw. verfälscht werden.

Damit sich jeder Leser und jede Leserin selbst ein Bild machen kann, liefere ich den Link zum Artikel, den viele extremistische, verfälschende Internetblogger vertuschen:

https://www.nzz.ch/meinung/auf-nukleardrohungen-mit-defaitismus-reagieren-wider-den-vulgaer-realismus-in-der-ukraine-debatte-ld.1705753

Erstens einmal spricht Schneider sich keineswegs gegen alle Formen des Realismus aus, wie verfälschende Internetblogger behaupten, sondern nur gegen den Realismus a la John Mearsheimer, der in der Tat einige Argumentationsschwächen und Fehler hat, die aber bei der Rezeption/"Wiedergabe" durch Internet-Extremisten vertuscht werden.

Zweitens einmal hat Schneider keineswegs behauptet, dass er eine Zerstörung der Welt durch Atomkrieg wolle, so wie das diese Leute behaupten, sondern er meinte lediglich, dass ein automatisches Nachgeben gegenüber jeder Atomwaffeneinsatzdrohung Putins leicht zur Aufgabe aller Werte und Länder führen könnte.

Drittens einmal ist es keineswegs so, dass das atomare "Gleichgewicht des Schreckens" ein vollständiges gewesen wäre, wie Internetblog-Verfälscher das behaupten.

USA und Sowjetunion, NATO und Warschauer Pakt hielten zwar mit Hilfe der atomaren Drohung den Frieden in einigen Zonen, in anderen Zonen allerdings intervenierten sie militärisch, oft auch gegeneinander in Form von Stellvertreterkriegen. In zahlreichen Krisen der letzten 80 Jahre bestand die Gefahr eines Atomkrieges, z.B. in der Kuba-Krise von 1956 oder im Afghanistan-Krieg der 1980er Jahre.

D.h. die Atommächte führen oft konventionelle Kriege gegeneinander.

Und auch bisher haben Atomwaffeneinsatzdrohungen Russlands bzw. der Sowjetunion keineswegs zu Politikänderungen geführt, bzw. dazu, dass der Westen in essenziellen Punkten nachgab, seine Politik änderte, Waffenlieferungen einstellte, Staaten und Regierungen fallen liess, weil die Sowjetunion das wollte.

Und diese zahlreichen Fälle des Ignorierens der Atomwaffendrohung aus Moskau führte bisher in keinem Fall zu einem Atomkrieg - wenn Putin seine Atomkriegsdrohung wahrmachen würde, dann würde er damit auch mit einer russischen/sowjetischen Tradition, die eigenen Atomkriegsdrohungen NICHT ernst zu nehmen, brechen.

Das sind nur einige der Kritikpunkte an diesen Leuten, die derzeit Schneider und die NZZ verfälschen.

"Natürlich" wissen diese Verfälscher Bescheid, dass sie verfälschen und blocken daher in Voraussicht diejenigen Leute, die sie kritisieren könnten, bzw. das in der Vergangenheit taten. Und das wiederum offenbart den diktatorischen Charakter dieser Leute, der mit Foren-Eigenwerbungs-Slogans a la "Meinungsfreiheit" gar nicht vereinbar ist, es sei denn, man versteht unter Meinungsfreiheit nur die "Freiheit", genau oder fast genau die "Meinung" zu äußern, die der Internetblog-Verfälscher behaupten zu müssen meint.

Da es diesen Leuten offensichtlich gar nicht um das Thema des NZZ-Artikels, nämlich die Thesen des "offensiven Realisten" Mearsheimer, geht, erspare ich mir (es sei denn, es besteht Interesse) hier eine Debatte rund um die Fehler von Mearsheimer, weil die Internetverfälscher ja gar nicht an der Person und den Thesen von Mearsheimer interessiert sind, sondern daran, die etablierten Medien und die etablierte Wissenschaft wider alle Fakten mieszumachen.

Auf jeden Fall sieht man an diesem Fall, dass mehrheitlich extremistische Internetforen eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie sind, weil sie auch darauf hinauslaufen können, sich einem Diktator zu unterwerfen, der mit dem Einsatz von Atomwaffen droht.

Letztlich ist auch fraglich, ob Putin seine Atomkriegsdrohung überhaupt wahrmachen könnte, selbst, wenn er wollte, denn man kann annnehmen, dass zahlreiche russische Militärs einen befohlenen Atomwaffeneinsatz verweigern würden, bzw. die Einsatzsysteme bereits blockiert haben.

Auch das ist nichts Neues: z.B. in einigen Fällen in den letzten 70 Jahren haben russische Atombomben-U-Boot-Kommandanten nicht gemäß dem Atombombeneinsatzbefehl oder der Atombombeneinsatzregel agiert, gemäß der sie laut Befehl oder Regelbuch agieren hätten sollen.

Es wäre nicht das erste mal, dass russische Offiziere und Militärs Atomwaffeneinsatzbefehle oder -regeln einer fehlerhaften politischen Führung ignoriert hätten.

Verschiedene Großmächte haben konventionelle Niederlagen hingenommen, ohne sie durch Atomwaffeneinsatz zu verhindern, z.B. die USA im Vietnamkrieg, Russland/Sowjetunion im Afghanistankrieg der 1980er Jahre, z.B. GB und Frankreich in den Indochinakriegen. Und dasselbe sollte man auch von Putin annehmen können, dass er eine konventionelle Niederlage in der Ukraine ohne Atomwaffeneinsatz hinnehmen müsste, so wie zahlreiche Großmchte das machten. Die übertriebene Angst "Wir müssen die Ukraine oder die Waffenlieferungen an die Ukraine aufgeben, um zu verhindern, dass Putin sich zum Atomkrieg provoziert fühlt" ähnelt sehr der gleichartigen Überlegung im Georgienkrieg 2008, im Syrienkrieg 2015, etc.

Die von den Internetextremisten nahegelegte Behauptung, wir müssten wegen Putins Atomkriegs-Drohung alles tun, was er verlangt, ist auch daher falsch, was diese Internetvertuscher "natürlich" vertuschen.

Hier die ersten drei Absätze des Artikels als teilweises Zitat, falls in einigen Fällen eine Paywall bestehen sollte:

"....

Totgeglaubte leben länger. Dieses Sprichwort gilt leider derzeit für den sogenannten Realismus, eine bis in die 1990er Jahre einflussreiche politikwissenschaftliche Theorie, welche die internationale Politik als reines Machtspiel zwischen militärischen Allianzen wahrnimmt und einer waffenstarrenden Polarität zwischen zwei grossen Machtblöcken die grösstmöglichen Friedenschancen für das internationale System zuspricht. Schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat der amerikanische Politologe John J. Mearsheimer diese Kernhypothese in die Behauptung umgemünzt, die Nato habe Russland mit ihrer Ostexpansion in die Enge getrieben, so dass letztlich dem Westen die Schuld an einem möglichen Waffengang zukomme.

Der 24. Februar 2022 hat zwar die Vorhersage Mearsheimers widerlegt, dass Putin den «Pufferstaat» Ukraine nicht überfallen werde, weil dies die Existenz Russlands gefährde. Diese Fehlprognose hat den amerikanischen Politologen und seine europäischen Adepten aber nicht zum Verstummen gebracht. Im Gegenteil, in Medienhäusern, Talkshows, Zeitungsspalten und den sozialen Netzwerken verbreiten sie nun die Nothypothese, dass ein an den Rand gedrängtes Russland notfalls auch Atomwaffen einsetzen werde, um die Kriegsziele doch noch durchsetzen zu können. Aus diesem Grund und ungeachtet des Völkermordes der russischen Truppen in der Ukraine seien deshalb Verhandlungen mit dem Kreml und Konzessionen angezeigt, um die Welt vor dem zu bewahren, was in den 1980er Jahren eine kollektive Angst war – der «nukleare Holocaust».

Natürlich besteht seit Hiroshima und Nagasaki das Risiko, dass sich die Menschheit durch einen atomaren Waffengang selbst auslöscht. Die Drohungen der Kreml-Kamarilla, allenfalls auch nukleare Waffen «zur Selbstverteidigung» einzusetzen, haben diese Gefahr ohne Zweifel erhöht. Aber gleichzeitig wissen wir seit der Entwicklung der Theorie der nuklearen Abschreckung in den 1960er Jahren auch, dass Nuklearwaffen militärisch nutzlos sind, weil ihr Einsatz auch für den Aggressor ein unkalkulierbares Risiko der Selbstzerstörung schüfe.

....."

(Aus juristischen Gründen kann es insbesondere für mich als Klarnamensverwender problematisch sein, den ganzen Artikel zu zitieren, weshalb ich hier die weiteren zwei Absätze weglasse, bzw. weglassen muss; auch das eine seltsame Asymmetrie: mit Nickname kann man im Internet leicht lügen, hingegen mit Klarnamen durch Zitierung des gesamten Artikels diese Internetlügen zu widerlegen, ist illegal als Urheberrechtsverletzung und kann auch rechtlich wegen Klarnamens leicht verfolgt werden; man sollte vielleicht für den Zweck des Widerlegens von Internetlügen eine Ausnahme vom Gesamtartikelzitierverbot gesetzlich verankern; und diese Asymmetrie widerlegt auch die Behauptung der Extremisten, sie seien durch die Gesetzgebung so benachteiligt; dieser Fall ist ein Beispiel, dass die Widerlegung der Extremisten gesetzlich benachteiligt ist)

pixabay Lic./geralt https://pixabay.com/photos/atomic-bomb-mushroom-cloud-explosion-1011738/

Atomkrieg: so furchterregend, dass wir alle Werte und Länder aufgeben sollten ?

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