Aus dem Anlass eines Plakats, über das ich stolperte, und weil ich Opfer eines Überfalls mit Antifa-Parolen wurde, kam ich ins Sinnieren über den Antifaschismus, seine Irrwege, seine Mißbrauchsanfälligkeiten etc.

Der Antifaschismus beruht prinzipiell auf einem sehr dichotomen, zweiwertigen Denken: es gibt zwei Lager, ein "gutes" antifaschistisches, und ein "böses" faschistisches. So gesehen ähnelt der oft sekulare Antifaschismus dem religiösen Gott-Satan-Schema.

Eine politische Mitte kann und soll es aus antifaschistischer Sicht nicht geben; daher war vielfach ein, bzw. das erste Ziel des angeblich "antifaschistischen" Kampfes, die politische Mitte dadurch, dass man sie in Angst versetzte, auf die eigene, die "gute", die antifaschistische Seite zu bringen.

Dasselbe "Spiel" funktioniert aber in die umgekehrte Richtung genauso: auch die extreme Rechte kann wegen der Fehler, der Bedrohlichkeit, der Grausamkeiten des sogenannten Antifaschismus oft die politische Mitte zu einem Bündnis mit der extremen Rechten bewegen: das "Ermächtigungsgesetz" nach dem Reichstagsbrand 1933, bei dem vermutlich bulgarische Kommunisten den deutschen Reichstag in Brand gesetzt hatten, ist ein Beispiel dafür, dass der Antifaschismus oft das schafft, was er zu bekämpfen vorgibt, nämlich eine rechte Diktatur statt der angestrebten linken Diktatur.

Ein anderes Beispiel sind die Präsidentenwahlen von 1925: Ernst Thälmann von der KPD (Kommunistischen Partei Deutschland, damals stramm stalinistisch) hatte im ersten Wahlgang ca. 7% erreicht und sich geweigert, im zweiten Wahlgang den Zentristen Marx (Wilhelm Marx, nicht Karl Marx) zu unterstützen, was in Wirklichkeit die Wahl von Hindenburg bewirkte, der dann Hitler mit der Regierungsbildung beauftragte.

CC / z.g. Nightmove https://de.wikipedia.org/wiki/Reichspr%C3%A4sidentenwahl_1925#/media/File:Reichspraesidentenwahl_1925_Wahlgang_2_farbangepasst.jpg

Wenn Thälmann/KPD Wilhelm Marx (z.B. durch Wahlempfehlung) unterstützt und nicht selbst kandidiert hätten, wäre Marx Präsident geworden und nicht Hindenburg, der später Hitler zum Kanzler machte. Vielleicht war das Kalkül dahinter, dass als Gegenreaktion darauf dann die KPD Zulauf bekommen würde, was aber nicht passierte. Aber der Nationalsozialismus hatte für Stalin den langfristig positiven Aspekt, dass der Nationalsozialismus bewirkte, dass die Sowjetunion sich nach 1945 mit Satellitenstaaten bis nach Deutschland (DDR) erweitern konnte. So gesehen waren der Tod Thälmanns und zahlreicher Kommunisten, der Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg für Stalin ein gerechtfertigter Preis, kommunistische Regime bis nach Mitteleuropa auszuweiten, was auch der Karl-Marx-These entsprach, dass eine Weltrevolution mit dem gering entwickelten Russland alleine ohne Deutschland (eines der führenden Industrieländer) unmöglich sei.

Die Widersprüchlichkeit der Geschichte kulminiert in der Frage, wer hier wessen "nützlicher Idiot" (z.B. in Lenin´schen Sinn) war: war der Kommunist Thälmann der Idiot, der Hitler die Herrschaft ermöglichte, oder war Hitler der Idiot, weil er Stalin die Errichtung des Ostblocks ermöglichte ?

Generell waren die Kommunisten mit ihrer vorgeblich antifaschistischen Rhetorik in Wirklichkeit die Verbündeten der Nazis, wenn es darum ging, die Weimarer Republik zu zerstören, und nachdem NSDAP und KPD zusammen mehr als 50% der Stimmen, bzw. Mandate erreicht hatten, wurde Regierungsbildung und demokratische Politik allgemein eine schwierige Sache.

Lange Zeit war für die KPD (also eine angeblich antifaschistische Partei) die SPD (die von der KPD als "Sozialfaschistisch" bezeichnet wurde), der größere Feind als die NSDAP.

Dieselbe Spaltung zwischen Links und Linksextrem führte auch zur Niederlage der sogenannten "Republikaner" im spanischen Bürgerkrieg. Die Wahlen in Spanien, die dann letztlich zum Brügerkrieg führten, fanden unter einer erstens polarisierten Stimmung (angeheizt durch die russische Oktoberrevolution von 1917) statt, und zweitens unter einer problematischen Bevorzugung von Wahllistenverbindungen bei Benachteiligung dritter Gruppen, die weder zur orthodoxen und traditionellen Linken noch zur orthodixen und traditionellen Rechten passten. Keines der beiden dominierenden Lager hatte auf Wählerebene eine absolute Mehrheit, aber weil die dritten Parteien als "Zünglein an der Waage" fehlten, die sowohl eine sehr linke als auch eine sehr rechte Politik ablehnten, war Konsenspolitik unmöglich und der Konflikt eskalierte ins Militärische, frei nach Clausewitz´ Aussage "Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln".

D.K.

Interessant an diesem Bild finde ich die Verknüpfung von Antifa und kommunistischem, bzw. sozialistischen fünfzackigen Roten Stern, der für die Arbeiterbewegung in den fünf Kontinenten steht. Gerade Italien hatte lange Zeit die stärkste kommunistische Partei Europas (wenn man einmal von der phasenweise stark austromarxistisch beeinflussten SPÖ absieht): die KPI.

Allerdings hatte die KPI auch sehr prominente Dissidenten, wie zum Beispiel Ignazio Silone, der wegen der stalinistischen Schauprozesse vom Kommunisten zum Antikommunisten wurde und dem der Spruch zugeschrieben wird: "Der neue Faschismus wird nicht sagen: ´Ich bin der Faschismus´, sondern der neue Faschismus wird sagen: ´Ich bin der Antifaschismus´ ".

Der Name "Faschismus" leitete sich von den italienischen "Fascio di combattimento" ab, den "Kampfbündeln" in Italien, in denen Kriegsteilnehmer (aus dem ersten Weltkrieg) eine Versammlungsmöglichkeit fanden. Und Mussolini war der erste klassische "Faschist", der Staatschef, bzw. Regierungschef wurde.

Die Einstellung von Silone hatte damals eine stark antistalinistische Note, und thematisierte die Parallelen zwischen rechtsextremer Diktatur und linksextremer Diktatur, die oft auch zu Bündnissen führte wie zum Beispiel dem Hitler-Stalin-Pakt zur Aufteilung Polens und des Baltikums und zur Einleitung der zweiten Weltkrieg, für die Stalin bzw. Sowjetunion nur deswegen keine Schuld zugesprochen bekamen, weil sie am Ende unter den Siegermächten waren.

CC / z.g. Gebhard, Keilson https://de.wikipedia.org/wiki/Antifa#/media/File:Antifa_Her_zu_uns.svg

Anifa-Plakat von 1932, konsequenterweise gehalten in Rot: um von den Fehlern und Grausamkeiten des Kommunismus abzulenken, wird oft das möglichst bedrohliche faschistische Feindbild beschworen.

Ein Gegenkonzept zum Antifaschismus ist der Antitotalitarismus, der sowohl linke als auch rechte Diktaturen ablehnt, während der Antifaschismus nur rechte Diktaturen ablehnt.

In Österreich spricht man (insbesondere die Linke) gerne von einem angeblichen "antifaschistischen Grundkonsens". Ob man von einem Grundkonsens überhaupt sprechen könne, wenn z.B. die FPÖ dagegen verstosse, bleibt offen.

CC / Bundesarchiv https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Th%C3%A4lmann#/media/File:Bundesarchiv_Bild_102-12940,_Ernst_Th%C3%A4lmann_(scrap).jpg

KPD-Vorsitzender Ernst Thälmann (1886-1944): Hitlermacher oder Antifaschist ?

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