Kern lehnt "TTIP" und auch "Ceta" als TTIP-Hintertür ab

Während TTIP – das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA – jüngst von Gabriel und Hollande totgesagt wurde, stellte Kern auch das bereits fertig ausgehandelte Abkommen mit Kanada (Ceta) in Frage und forderte eine Nachbesserungen am Vertrag.Das wird der nächste Konflikt innerhalb der EU mit Österreich sein. In meinen Augen ist Kern beizupflichten.

Die Aussagen Kerns sind von Brisanz, weil TTIP und Ceta anders gelagert sind. Während die Verhandlungen über TTIP andauern, soll das unterschriftsreife Ceta demnächst in den Ratifizierungsprozess kommen. Neben den EU-Gremien müssen dabei auch die nationalen Parlamente in den EU-Ländern zustimmen. Diese Konzession hatte die EU-Kommission nicht zuletzt aufgrund des Drucks von Österreich machen müssen, Juncker wollte es bei der Ratifizierung vorbeischwindeln.

Kern stellt sich mit seiner Kritik auch gegen Berlin und Paris. So hatten Gabriel und Hollande zwar den Abbruch der TTIP-Verhandlungen gefordert, sie stehen jedoch positiv zum Ceta Handelsabkommen mit Kanada. Das könnte auch als taktischer Trick angesehen werden, um TTIP indireckt über Ceta wenigsten durchzuboxen, dann faktrurieren US-Firmen halt über ihre kanadischen Töchter. Das Ceta ist insofern milder, als das Recht der Staaten auf Regulierungen zum Schutz der Umwelt, der Gesundheit und der Konsumenten garantiert wird. Konzerne können deswegen keine Klage vor Schiedsgerichten einbringen.

Kern sagte, dass TTIP und Ceta den gleichen "Webfehler" hätten. Sie brächten eine massive Machtverschiebung zugunsten global agierender Konzerne und zulasten der demokratischen Mitbestimmung. Kern nahm damit die Argumentationslinie von Globalisierung- und Freihandelsgegnern auf, die in Österreich viel Anklang findet, zuletzt bei der "Krone" zusammen mit der "Handelskette Spar" und "Greenpeace", die eine Kampagne gegen TTIP führen. Nur die Industriellenvereinigung kämpft für den Freihandel.

Freihandels - GLOSSAR:

o TTIP (Transatlantic Trade & Investment Partnership) ist ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, worüber seit Mitte 2013 höchst geheim verhandelt wird. Diese Geheimnistuerei schafft berechtigt! großes Misstrauen bei den Bürgern.

o „Living Agreement“:

TTIP soll ein sog. „living agreement“ werden, eine „lebende Vereinbarung“ im Sinne einer permanenten regulatorischen Kooperation. Die Ausgestaltung der transatlantischen Handelspartnerschaft soll also nicht einmalig starr in einem Vertrag fixiert werden, sondern ständig fortentwickelt werden (kommt dem US-case law System entgegen, wo auch der Richter bei jedem Einzelfall Recht schafft). Dazu würden sich beide Vertragspartner verpflichten, ihre Gesetzgebungsvorhaben zunächst mit dem Vertragspartner zu besprechen, was in meinen Augen eine de facto Einschränkung der staatlichen Souveränität bedeutet.

o CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) ist ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen EU und Canada – ebenfalls Geheimgespräche. Der Vertragsentwurf umfasst neben Zoll-und Handelshemmnisabbau auch die umstrittenen Investitionsschutz- Klauseln . Der Investor will damit nicht zu sehr staatlicher Willkür ausgesetzt sein.

o TISA (Trade in Services Agreement) ist ein Abkommen über den Handel für ausländische Dienstleister, Freiberufler, etc…mit EU, USA und ca. 20 weiteren Staaten. Verhandelt wird unter anderem über eine Öffnung des Arbeitsmarktes für ausländische Dienstleister. TiSA könnte dafür sorgen, dass Privatisierungen von öffentlichen Diensten, z.B. der Wasserversorgung nicht mehr rückgängig gemacht werden können“ – das widerspricht in meinen Augen massiv demokratischen Prinzipien, wonach Vereinbarungen auch wieder abänderbar oder kündigbar sein sollten.

o ISDS ( Investor-state dispute settlement) – ein Kürzel, das auch herumgeistert bezeichnet die geplanten, privaten Schiedsgerichtsverfahren zur Durchsetzung von Investitionsschutzinteressen, wo ausländische Unternehmen – nicht jedoch inländische - Staaten auf Schadenersatz klagen können.

o TTP (Trans Pacific Partnership) ist ein Freihandelsabkommen zwischen verschiedenen Pazifik-Anrainerstaaten und USA mit verbraucherschutzfeindlichen Passagen.

o TRIPS (Agreement on Trade Related International Property Rights) – dabei geht es um den internationalen Schutz von geistigem Eigentum (= Immaterialgüterrecht, wie Patentrecht, Urheberrecht, Markenrecht, etc..)

o WTO (World Trade Organisation – Nachfolger des GATT) ist keine bilaterale, sondern multilaterale Freihandelsorganisation mit dzt. 162 Mitgliedern. Das multilaterale hat jedoch auch dazu geführt, dass durch das Auftreten neuer Player (China, Indien, Brasilien, etc..) neue Imbalancen entstanden, die zu einem Blockieren der WTO bei den Abstimmungen führten. Die WTO funktioniert derzeit nicht optimal, sie wäre aber der Königsweg im Freihandel.

Die WTO ist neben IWF (International Monetary Fund) und Weltbank eine der zentralen internationalen Organisationen, die globale Handels-und Wirtschaftspolitik mit Freihandelszielen (Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen) betreibt mit Streitbeilegungsmechanismen (DSB – Dispute Settlement Body). Das Welthandelsrecht der WTO ist nach EUGH- Rechtsprechung für EU-Firmen in der EU selbst nicht unmittelbar anwendbar, Rechtsverletzungen können nur Nicht-EU Staaten über das WTO-Streitschlichtungsverfahren geltend machen.

Ein alter Leserbrief aus 2015 von mir im Kampf gegen das Primat der Konzerne vor Politik und Demokratie:

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dohle

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Petra vom Frankenwald

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