Trumps "Sieger-Rhetorik" - Analyse und Ausflug in die Welt der Rhetorik

Nicht nur Politiker, wie Kreisky sondern auch Donald Trumps Rhetorik punktete mit einer "einfachen, jedoch sehr wirksamen, emotionalen Sprache". Kreisky hatte jedoch das Format eine gebildeten Staatsmannes, Trump hat jenes eines ungebildeten Demagogen. Er sprach eine emotionsgeladene, einfache Sprache und scheint von vielen Amis auch wegen seines Reichtums bewundert worden zu sein ("calvinistische Prädestinationslehre" = ein theologisches Konzept, dem zufolge Gott von Anfang an das Schicksal der Menschen vorherbestimmt, wobei äußeres Zeichen der Auserwählheit der sichtbare Reichtum ist, das Gegenteil die Armut als Schande empfunden).

Ein einziger Satz kann genügen, um eine große Rede im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Wie ein Anker müssen wir ihn nur hören, dann läuft in unserem Kopf ein ganzer Film dazu ab:

Obama: "Yes we can". Obama war einer der besten Redner, die es aktuell gibt und verstand es, alle Register zu ziehen - charismatisch, charmant, schelmisch, pathetisch. Am Anfang das "Greifen nach dem Wohlwollen des Auditoriums"(Captatio benevolentiae): "Ich muss gestehen, das deutsche Volk hat in meinem Herzen einen ganz besonderen Platz"/ Hannover 2016).......und am Ende eine klassische "Conclusio" (Schlussfolgerung): "Denn ein vereintes Europa, früher der Traum einiger weniger, ist jetzt die Hoffnung der vielen und eine Notwendigkeit für uns alle" (rhetorische Klimax = Steigerung). Er sucht Blickkontakt und setzt effektvolle Pausen. Er setzt seine Langen Arme, den ganzen Körper ein und kann nochalant und danach sofort wieder staatsmännisch wirken.

Trump: "I make America great again"

Steve Jobs (Apple): "Stay hungry, stay foolish" (bleibt hungrig und verrückt und folgt eurem Herzen).Er konnte seinem Krebstod nicht entrinnen, aber er hat das großartigste Spielzeug, das ich je in meinem Leben besaß, das "iPhone 4S", geschaffen (und nicht mehr erlebt).

Luther King: "I had a dream" (1963, Washington - 250.000 Menschen), um ein Ende der Rassentrennung und Diskriminierung durchzusetzen. Die Rede war gut vorbereitet, zündete jedoch zunächst nicht, er las den Text ab, das Publikum langweilte sich und es war heiß. Gospellegende Mahalia Jackson erkannte dies in seiner Nähe stehen und rief ihm leise zu: "Martin, tell'em about the dream".... plötzlich sprang der zündende Funke mit "I had a dream" und der Prediger in ihm kam wieder hervor... .. once more rief das Volk und insgesamt fiel dann noch 9 mal der Satz vom großen Traum....."Let freedom ring" (lasst die Glocken der Freiheit, die von allen Bergen und Hügeln her leuten werden, läuten....)....und in den letzten 5 Minuten entfaltete er ein rhetorisches Meisterstück, er nahm die Emotionen des Volkes auf und gab sie wieder zurück:

Alle Menschen sind gleich erschaffen.......Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven mit den Söhnen früherer Sklavenhalter miteinander an einem am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können.......Ich habe einen Traum, dass eines Tages selbst der Staat Mississippi, ein Staat, der in der Hitze der Ungerechtigkeit und in der Hitze der Unterdrückung verschmachtet, in eine Oase der Freiheit und Gerechtigkeit verwandelt wird.......Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilt. Ich habe heute einen Traum!“.

I had a dream:

Louis Armstrong & Mahalia Jackson - "Just A Closer Walk With Thee" - 7/10/1970..... ein schwarzer Trauerzug wird in Mew Orleans fröhlich besungen. Ich habe diesen Klassiker des Blues einmal in New Orleans in der "Preservation Hall" gehört - einzigartig!

Die "antike Rhetoriklehre" wirkt bis heute fort. Die Natur des Menschen hat sich offenbar in Jahrtausenden kaum geändert. "Civis Romanus sum" - Ich bin ein römischer Bürger... beschwört den Bürgerstolz und eint ihn mit seinem Publikum.

Kennedy 1963: "Ich bin ein Berliner" (Vorbild Cicero = "civis romanus sum". Diesen Satz sprach Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus 1963 in Berlin aus zu Zeit der Berliner Luftbrücke und des Kalten Krieges, man konnte Berlin nicht mit dem Auto erreichen.Dieser Satz hat die Dächer zum Wackeln gebracht, so gebrüllt hat das Publikum.

Für Anwälte und Politiker in der Antike war Rhetoriklehre und Ausbildung ein Karriere-Fundament ("ars bene dicendi": die Kunst gut zu reden):

o inventio (gedankliche Themendurchdringung)

o dispositio (Gliederung der Argumente)

o elocutio (Formulierung der Sätze)

o memoria (das Einüben der Rede)

o pronuntiatio (eigentliche Vortrag)

Der klassische Redeaufbau beginnt mit:

1)Einstieg (exordium)

2)Erzählung (narratio)

3)Beweisführung (argumentatio)

4)Schluss (Conclusio)

Deutschen und Österreichern fehlt die über 200 jährige Tradition einer Demokratie (USA, GB) und freien Rede. Sie waren und sind es heute noch "obrigkeitshörige Untertanen", sie brauchen einen Führer, einen Leithammel. Die Freie Rede ist Motor einer Demokratie. Die Nazis hatten die Rhetorik zu Propagandazwecken für das Böse missbraucht, jedoch ansonsten war in Monarchie und danach in der NS-Zeit das Ansehen der Rhetorik (freien Rede) schwer beschädigt.

Hitler: "Wollt ihr den totalen Krieg" . Das Volk jubelte und bekam ihn (n.Korrektur: Goebbels statt Hitler).

Noch heute wird Rhetorik in Deutschland und bei uns als Synonym für Manipulation, Überredung , Entfesselung und Verführung der Massen angesehen, obwohl sie auch für das Positive eingesetzt werden kann.

Platon warnte vor der Schmeichelei der Rhetorik und warnte vor der Gefahr der Demagogie. Bismarck hielt Rhetorik als für beleidigend für einen Staatsmann, Kant hielt Rhetorik für eine "hinterlistige Kunst". Auch Goethe meinte: "Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst (=Rethorik) sich selber vor".

Churchill: "Blood, tear and sweat" - Rede: "Ich habe Euch nichts anderes anzubieten, als Blut, Tränen und Schweiß" (1940 - gegen die deutsche Hitler-Aggression).

o Schlechte Rhetorik ist PPP-Rhetorik mit Einsatz von endlosen Stichworten auf Powerpointfolien.

Wer mit Powerpoint arbeitet, soll lieber sein Notebook einpacken und zu Hause bleiben. PPP-Präsentationen sind eine Beleidigung für das Publikum und der Zuhörer schaltet in wenigen Minuten ab. Die größte Unart, wenn einem ein PPP-Handout dann als Lernskriptum zugemutet wird.

Beispiele für rhetorische Stilmittel:

o "Feld, Wald und Wiesen“; „Sonne, Mond und Sterne“ (= Akkumulation)

o „Eher geht die Welt unter, als dass …“

"Eher geht ein Kamel durch das Nedelör, als ein Reicher in den Himmel" (=Vergleich mit dem Unmöglichen)

o Friedrich Schiller: "„Seine Augen suchten einen Menschen – und ein Grauen erweckendes Scheusal kroch aus einem Winkel ihm entgegen, der mehr dem Lager eines wilden Tieres als dem Wohnort eines menschlichen Geschöpfes glich. Ein blasses totenähnliches Gerippe, alle Farben des Lebens aus einem Angesicht verschwunden, in welches Gram und Verzweiflung tiefe Furchen gerissen hatten, Bart und Nägel durch eine so lange Vernachlässigung bis zum Scheußlichen gewachsen, vom langen Gebrauche die Kleidung halb vermodert und aus gänzlichem Mangel der Reinigung die Luft um ihn verpestet – so fand er diesen […]“ (= konkretisierende Häufungen)

o "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss" (= banale Floskel, Phrasendrescherei)

o Goethe/Faust I : "Der Mann ist tot und lässt dich grüßen" (= Anachronismus)

o „Gott sei mein Zeuge!“ (= Anrufung einer höheren Macht)....Hofer-Wahlplakat: "So wahr mir Gott helfe"

o „Sie arbeiten zehn, zwölf, ja vierzehn Stunden täglich am Erfolg.“ (= Klimax, Steigerung)

o „Entbehren sollst du, sollst entbehren.“ (Goethe; Wiederholungen - beliebt bei Politikern)

o Aus einem "Euro" wurde ein "Teuro" (= Montagen)

o „weißer Schimmel“; "nasses Wasser"; "finstere Nacht; „runde Kugel“; „alter Greis“ (= Pleonasmus)

o statt "ich" den Pluralis Majestatis "wir" sind der Meinung oder bei den Populisten: "Wir, das Volk"

o Wilhelm Busch: „Wenn einer, der mit Mühe kaum / Gekrochen ist auf einen Baum, / Schon meint, dass er ein Vogel wär, / So irrt sich der.“ (= Pointe, unerwartete Zuspitzung)

o „stark wie ein Löwe“; „größer als ein Elefant“ (= Gleichnisse, Vergleiche)

o „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“ (= Zynismus)

o Schreiben für Profis (Schneider-Journalistenpapst)

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/professionelles-schreiben-deutsch-fuer-junge-profis-journalistenpapst-wolf-schneider-sz-und-uni-16085

ANALYSE zur TRUMP-Rhetorik:

Seine einfache Sprache war sehr wirksam und verfehlte damit nicht sein Ziel.

o Das Besondere an Trumps Sprache war die Einfachheit. Trump ist auf einem Niveau "basic level cognition" genannt, das immer Wörter, die sinnlich wahrnehmbar sind, die man förmlich anfassen, schmecken, sehen, hören kann. Die "Mauer nach Mexiko" ist so etwas. Diese einfache Sprache ist sehr wirksam, das ist empirisch belegt.

Ich darf nie abstrakte, immer nur sinnlich wahnehmbare Worte verwenden: "Statt Obst" lieber "Äpfel oder Birnen", statt "Gebäck" lieber "Brot und Semmeln", etc...

Hillary Clinton hat es völlig versäumt, diese einfache Sprache zu gebrauchen?

Trump will "Obamacare" abschaffen, so hätte Clinton sagen müssen: "Hör zu, Donald, wenn eins meiner Kinder fiebernd im Bett liegt, ruf ich den Arzt und das gilt auch für meine Mitbürger!" . stattdessen hat sie mit Statistiken argumentiert. Trump hingegen hat ideologische Geschichten erzählt, die direkt in die Köpfe hineingingen. Die Wahl wurde also über Sprache und Wortwahl entschieden, aber nicht über Inhalte.

Was will Trump wirklich? Wahlkampfversprechen werden häufig nicht umgesetzt, das gilt auch für Trump. Er muss sich aus der Wahlkampfsprache lösen, den Übergang in die Amtssprache finden. Denn die Populismusstory funktioniert nur, solange man nicht im Weissen Haus sitzt.

"Krumme Hillary, sperrt sie ein!" hat er in der Wahlnacht noch zurückgenommen, er wolle Clinton nicht weiter verfolgen, sie müsse genesen. Er erteilt grossmütig sein Pardon. Gleichzeitig bleibt er bei seiner Sage, Clinton sei eine Kriminelle.

Ich bin kein Trump-Freund, jedoch in der Clinton-Stiftung stecken soviel kriminelles Potential und Korruptionsversuchgelder auch seitens Waffenlobby, arabischer Staaten (Saudis, etc..), dass es zum Himmel stinkt. Charakterlich stufe ich beide auf gleichem, miesem Niveau ein, nur das Clinton gebildet und außenpolitisch erfahren ist im GGs. zu Trump.

Ausstieg aus Freihandel, Natorückzug, Klimaschutz und Obamacare, Einführung von Folter, alles nicht so gemeint? Es wird nicht all das stattfinden, was Trump vollmundig angekündigt hat, aber es wird die politische Richtung einschlagen, weil er weiss, dass das in Amerika derzeit mehrheitsfähig ist. Er wird auch nicht sofort eine volle Mauer bauen. Aber etwas in der Richtung, etwas hier und dort,teilweise nur ein Zaun. Und wenn er nichts unternimmt, wird er eine gute Story finden, wie bei Clinton.

Die wiederkehrende Story!!! ("US-Basisnarrativ"):

Es gibt "Gewinner und Verlierer". Trumps Hauptaussage: Win, win, win. Dazu stilisiert er sich als Gewinner und wer Trump wählt, zählt zu den Gewinnern. "Wer reich ist, ist gut. Wer arm ist, ist schlecht". Verlierern haftet das Image des Bösen an, die Gewinner und Reichen sind die Guten, weil sie erfolgreich und von Gott prädestiniert waren. So primitiv ist die US-Ethik gestrikt.

Trump-Tweet: "Frohes Thanksgiving auch für die Hassenden und die Verlierer!" (er setzt Hassende und Verlierer auf die gleiche Ebene). Das könnte man als geschmacklos bezeichnen.

Amerika ist sozialdarwinistisch geprägt:

Man ist entweder reich oder arm. Die armen Menschen blicken zu Trump auf, denn er ist ein Gewinner.

Wenn sich eine Hillary Clinton nicht mit ähnlich starken Botschaften aufstellt, ist das auch ihr Versäumnis.

Trump hat die klassischen Medien umgangen und auf die Hilfe der sozialen Netzwerke mit Erfolg gesetzt!

Während klassische Medien vermitteln und selektieren, kann Trump per Twitter seine Aussagen ungefiltert verbreiten. Das macht es so schwierig, dagegen anzukommen. Dabei waren 70% bis 80% seiner Äusserungen im Wahlkampf gelogen.

Im Wahlkampf sprach er von den krummen Medien . Das funktionierte aber nicht richtig. Jetzt spricht er auffällig oft von der versagenden New York Times . Er greift die Medien also nicht direkt inhaltlich an. Die Story lautet vielmehr: Die Medien versagen als Geschäftsmodell.

Womit man wieder bei der Trump-Story der "Gewinner und Verlierer" ist. Wer reich ist, ist gut. Wer arm ist, ist schlecht. Die Armen werden mit dem Argument angegriffen , sie hätten es in der Wirtschaftswelt nicht geschafft.

Trump wird nicht alles umsetzen, hat aber mit sienen Aussagen eine politische Richtung vorgegeben, und seine wiederkehrende Geschichte aus dem Weissen Haus wird lauten:

Wer reich ist, ist gut. Wer arm ist, ist schlecht. Gegner und Arme werden dafür angegriffen , dass sie es in der Wirtschaftswelt nicht geschafft hätten und als Abschaum der US-Zivilisation betrachtet.

Was kann Europa aus der Wahl Trumps lernen?

Die Kandidaten sollen ihre eigenen Werte und Weltbilder in einfacher und durchaus emotionsgeladener Sprache dem Volk vermitteln. Das kann man als Rechtspopulist, als Linkspopulist und genauso als Nicht-Populist.

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