"Vor der Morgenröte" (Stefan ZWEIG - Verfilmung)

......komme gerade von der Verfilmung mit Josef Hader (Rezension).

Stefan Zweig und seine “Welt von Gestern” , ein von mir sehr geschätzter Autor und Weltbürger, sein Vorbild Montaigne. Den “Fouche” z.B. habe ich verschlungen und Zweig weinte der “Welt von Gestern”, das alte, wohlgeordnete humanistische Europa der Monarchie nach.

Eine Welt, die aber schon längst in Unordnung war. Mit dem Faschismus kam noch viel Schlimmeres nach und Zweig musste vor Hitlers Rassenwahn nach Brasilien in der Nähe von Rio flüchten (Petropolis). Er kam mit der neuen Welt auch dort nicht mehr zu Recht. Die Zerstörung seiner „geistigen Heimat Europa“ hatte ihn für sein Empfinden entwurzelt, seine Kräfte seien „durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft".

Zweig sagt im Film:

"Ich glaube an ein freies Europa. Ich glaube, dass Grenzen und Pässe eines Tages der Vergangenheit angehören werden. Aber ich glaube auch, dass wir das nicht mehr erleben werden"

Angesichts der gegenwärtigen Probleme (BREXIT, Renationilsierungstendenzen, Erstarken des Rechtspopulismus und Hasspostings, Flüchtlingsproblem, etc..) ein brüchig werdender Glaube. Wir erleben jetzt, dass seine Utopie, die ja wahr geworden ist, sich wieder langsam zu verabschieden beginnt. Es ist unmöglich, dabei nicht an die Flüchtenden der Gegenwart zu denken und wie Europa ihnen heute begegnet. Insofern ist "Vor der Morgenröte" ein Film, der sich ganz im Sinne Stefan Zweigs über die historische Rückschau in die Gegenwart einmischt.

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/haben-wir-stefan-zweig-vergessen-20756

In der Zeit zwischen 1936 (Judenexodus Deutschland) und 1942 (Selbstmord) werden 4 Stefan Zweig-Episoden erzählt. Hervorragend von Hader gespielt und die Regie ein Kunstwerk - sehenswert, jedoch ein Minderheitenprogramm für jene, denen der politische und kulturelle Hintergrund ausreichend bekannt sind. Zuviele teilbiografische Dialoge, fast nichts aus Zweigs Gedankenwelt seiner Werken.

o Es beginnt mit einem Empfang der High Society in Rio, eine Tafel mit üppig tropischen Blumenschmuck. Brasiliens Außenminister hält eine Lobrede auf Zweig (teilweise Untertitel). Zweig antwortete tief bewegt, Brasilien könne ein Vorbild sein für die Welt. Während in Europa der Faschismus herrsche, lebten hier Menschen verschiedener Rassen und Hautfarben friedlich zusammen.

Durchgehend quält ihn der Gedanke an seine verfolgten, jüdischen Freunde auf der Flucht vor dem Nazi-Deutschland trotz Verdrängungsversuchen.

o PEN-Schriftstellerkongress in Buenos Aires /Argentinien, die Weltpresse und 70 int. Schriftsteller waren zugegen. Dort wurde er von Journalisten dazu gedrängt , sich offen gegen Nazi-Deutschland zu äußern, was er in Gedanken an seine Freunde verweigerte.

o Im Januar 1941 sind er und Lotte in der tropischen Hitze Bahias unterwegs, wo die beiden einen absurden Empfang bei einem schwitzenden Provinzbürgermeister durchstehen müssen mit einem köstlichen Wienerwalzer der örtl. Kapelle.

o Von dort fliegt das Paar in das winterkalte New York, wo Zweig seiner ersten Frau Friderike begegnet, die ihm von den Gräueln ihrer Flucht aus Europa berichtet und ihn mit Visa-Bittgesuchen bedrängte, wo Zweig seine Beziehungen ausspielen sollte.

o November 1941 begleitet der Film ihn an seinem Geburtstag an Zweigs neuen Wohnort Petrópolis in Brasilien 2 Std. von Rio entfernt. Hier trifft er den ebenfalls exilierten Journalisten Ernst Feder und berichtet diesem von Plänen zu seiner "Schachnovelle". Stefan Zweig war von Depressionen geplagt, jedoch ein sehr höflicher Mann. Ein genaueres Bild von Zweig und seiner Zeit wird im Film gezeichnet.

o Negative Kritik:

Kein Bezug wird auf Stefan Zweigs Werke und deren Gedankenwelt genommen, das hat mir etwas gefehlt. Nur einmal wird die Schachnovelle aber ohne Reflexion am Rande erwähnt.

In einer Szene etwa stehen Stefan Zweig und Ernst Feder (= Berliner Flüchtling) auf dem Balkon von dessen Wohnaus und blicken in die tropische Vegetation. "Wir haben nichts zu beklagen", sagt Zweig dumpf. "Nein, wir nicht", antwortet Feder. "Wie sollen wir das nur aushalten?" fragt Zweig. Er erhält und erwartet keine Antwort. Schweigend und hilflos stehen die beiden Männer am Rand eines Dschungels, Tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt, wohl wissend, dass dort gerade ihren Verwandten und Freunden der Tod droht und welche Zerstörung ihrer Kultur widerfährt. Die Regisseurin Maria Schrader lässt die Szene lange laufen; so lange, bis das Schweigen den nicht ausgesprochenen Schmerz mit Händen greifbar macht.

o Der Film endet etwas zu abrupt mit dem plötzlichen Selbstmord von Stefan und Lotte Zweig, seine zweite Frau in Petropolis bei Rio/Brasilien.

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