Die letzten Jahre und Monate waren nicht ganz einfach für mich. Mehrere Aufenthalte in Krankenhäusern, diverse Wehwechen, nun ja, das braucht keiner.

Dieser Tage erinnerte ich mich plötzlich an die Ansage meines besten Freundes vor etwa 25 Jahren bezüglich meines Entschlusses klassischer Sänger zu werden: "Was du willst Sänger werden? Und wie stellst du dir den Umgang mit den ganzen ach so guten und wichtigen Leuten, mit Regie Idioten, usw. vor? Wie lange wird es dauern, bis du einem eine Ohrfeige gibst?"....

Um es vorweg zu nehmen, ich habe mein cholerisches Temperament stets im Zaum gehalten und mich im Gegensatz zu manchem unwürdigem Gegenüber immer korrekt verhalten, obwohl ich micht einmal Lust gehabt hätte, einem von etlichen selbstgerechten Armleuchtern nur einmal, in seinem unwichtigen Dasein, mit der Realität des Lebens zu konfrontieren.

Bis ich in die Welt der (teilweise angeblichen) Künstler und diversen rund "herum schwirrenden Insekten" eintauchte, kannte ich nur jene der Rocker und Zuhälter, der Schläger, Spieler, Alkohol- und Drogensüchtigen...... und dachte, naiv wie ich war, dass eben diese Welt der Kunst eine voll von Ehre und sonstiger edler Eigenschaften sein müsse.

Es dauerte nicht lange, bis ich erkannte, wieviele intrigante Idioten sich dort tummelten und ich gebe zu, dass es mich oft in den Fäusten gejuckt hat, wenn wieder einmal ein unfähiger großköpfiger Spaghetti Sultan mir irgendwelche Dinge über das Leben und die Kunst erzählen wollte und sich dabei auch noch im Ton vergriff.

In meiner Zeit in den übelsten Kreisen hatte ich immer Respekt der anderen und das lag wohl daran, dass ich, sagen wir, ziemlich wehrhaft bin, bzw. jedem stets einen gewissen Grundrespekt entgegen brachte, anstatt mich mit Oberlehrer Ton wichtig zu machen. Umso mehr kostete es mich viel Kraft, Menschen und ihre Frechheiten zu überhören, die ich mit einer Hand auf die Matte geschickt hätte, um mit der anderen die Zeitung umzublättern. Komischerweise haben immer jene das Mundwerk am weitesten aufgerissen, die in Wahrheit am wenigsten konnten. Eigenschaften die einem ja auch im Internet immer wieder unterkommen. Ich liebe die Wichtigmacher, die Dozierer und jene die irgendwelche Zitate von wichtigen Menschen zum besten geben, weil sie selbst nichts zu sagen haben. Vom Umgang in gegenseitigem Respekt und gewissen ethischen Regeln wissen diese selbstgerechten Schnittlauchköpfe nichts!

Tja nun, was wollte ich sagen? Ach ja, in zwei Monaten also werde ich 50 und da erinnert man sich an so manches und hinterfragt sein ganzes bisheriges Tun.

Das Singen habe ich immer geliebt, abgesehen eben von dem ganzen Drumherum. Die Musik hat mich trotz all der vielen Mühen immer belohnt und auch wenn viele meiner damaligen Freunde nicht verstanden haben, warum ich diesen Weg gewählt habe, so ist es doch mein Weg und im Nachhinein betrachtet habe ich sehr viel über mich erfahren und eben auch über die Musik.

Meine Frau habe ich dabei kennengelernt und auch einige wenige Freunde. Achtung hat es mir auch eingebracht und ein wenig fröhnt es natürlich meiner Eitelkeit, dass ich Sänger die an der Met, an der Scala, Staatsoper usw. gesungen haben und singen zu ebendiesen Freunden zählen darf.

Als Kind aus dem Gemeindebau und als jemand, der so ziemlich alle möglichen bescheidenen Tätigkeiten vom Fliesbandarbeiter, Werbeverteiler bis hin zum Taxilenker gemacht hat, als jemand ohne Chance, der sich alles hart und noch härter erkämpfen musste, zählt es doppelt, wenn man geehrt wird bzw. menschlich und fachlich geachtet. Das ist eine nicht geringe Genugtuung für manche erlebte Scheiße.

Nun hat mir also die Gesundheit in der letzten Zeit übel mitgespielt und da ist auch das Singen, welches mit Hochleistungssport vergleichbar ist, nicht mehr so einfach.

Mit 30 habe ich das auch alles leicht weggesteckt, aber heut geht das auch trotz eisernen Willen nicht mehr so leicht. Als ich anfing hab ich auch noch 6 Tage die Woche Sport betrieben.

In letzter Zeit ertappe ich mich dabei mich, in einer Art sentimentalen Verklärung, die guten alten Zeiten herauf zu beschwören, wohl wissend, dass sie in Wahrheit gar nicht so gut waren. Meine Frau macht sich Sorgen, weil ich mich zurückziehe und darüber nachdenke, wie es weiter gehen wird und was ich/wir noch so vorhaben. Sie will mich wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt schicken und überschüttet mich (und das ehrt sie) mit haufenweise Liebe, aber ich träume erstmal nach vielen Jahren davon mein Spießbürger Motorrad mit den Koffern und ABS zum Teufel zu schmeissen und mit einem echten 70er Jahre Chopper in den Sonnenuntergang zu fahren. Fraglich ob mein schlimmer Rücken das aushält und die kaputte Hüfte, Schulter und das Knie und der zweimal zertrümmerte Knöchel.....(Oh Gott, ich bin ja ein richtiges Hypochonder..... Irgendwann kriegt man eben die Rechnung für alles.)

Tja, da ich ja nun aber auch weis, wie sich der Sonnenuntergang anfühlt verfalle ich stattdessen eben in eine Art dumpfes Brüten und die Suche nach Antworten. Ich, der Fels in der Brandung, hahahahaha... das erwartet wohl keiner, sogar meine Mutter kann nicht damit umgehen.

Ich denke mir aber, ich war so oft Fels für irgendwen und ich habe ein Recht mal nur für mich selbst da zu sein. Ja, ich hinterfrage mein Leben, dabei gäbe es doch so vieles was ich noch an kreativen Dingen machen möchte....

Letzten Sonntag hatte ich in dieser speziellen dumpfen Stimmung eine Probe für ein Konzert im Juni in einer kleinen Kirche mitten im Wald und siehe da, plötzlich und gänzlich unerwartet war ich so blendend bei Stimme, dass ich es selbst kaum fassen konnte. Man kann jemanden, der nicht prof. singt schwer begreiflich machen, was das für ein Gefühl ist. Liebe, guter Sex, Chopperfahren... oder was auch immer als individuelles Superlativ dienen mag, kaum etwas wird diesem Gefühl gerecht. Es ist wie fliegen oder schöner, eine Art Allmachtsgefühl.......

Trotzdem...

Hier also stelle ich mir die Frage: Wie wird es weiter gehen? Werde ich noch Bücher schreiben? Junge Leute unterrichten? Könnte ich leben, nur um zu reisen und fotografieren, ohne zu singen? Was kommt noch?

Die Generation 50+ .... klingt Scheiße. Ich war doch eben noch jung! Was wird werden?

So viele Ideen und Begabungen.....

Wohin gehe ich?

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