Die gefühlte Wahrheit als Wurzel des islamophoben Rechtspopulismus

Und wieder zeigt eine repräsentative Umfrage (*) eindeutig, dass ein Großteil der Bevölkerung in der westlichen Welt schlicht extrem realitätsfremd ist, wenn es um die Beurteilung der Wirklichkeit geht, vor allem in Bezug auf Muslime.

So schätzt in Deutschland der Durchschnittsbürger die Zahl der Muslime um mehr als das vierfache höher ein, als sie tatsächlich ist. Bei AfD-Wählern ist diese falsche Wahrnehmung sicherlich noch stärker ausgeprägt. Und in den USA überschätzen die Bürger die Zahl der Muslime sogar um das siebzehnfache!

Soviel Realitätsfremdheit ist kaum vorstellbar, und führt in Konsequenz zu Demagogen wie Trump an der Spitze des Staates. Auch hier gilt, dass bei Trump-Wählern die Realitätsverweigerung wahrscheinlich noch viel stärker ausgeprägt ist, die falsche Schätzung bei ihnen also noch viel höher liegen dürfte.

Diese eindeutig falsche Wahrnehmung überall in der westlichen Welt trägt natürlich stark zum Erfolg rechtspopulistischer Parteien wie der AfD, der FPÖ, der BNP oder des FN bei. Tatsächlich sind falsche Wahrnehmungen und die bewusste Verzerrung der Wirklichkeit das Haupt-Geschäftsmodell solcher Parteien. Fakten und nackte Zahlen sind da nur hinderlich.

Das Gefühl der Menschen, wieviele Muslime in ihrem Land leben, ist also eindeutig falsch. Sie täuschen sich. Aber genau auf solchen falschen Wahrnehmungen und Selbst-Täuschungen gedeiht dann eine irrationale Angst vor dem vermeintlich Fremden.

Das heißt selbstverständlich nicht, dass die Menschen die diese Zahl so krass überschätzen pauschal dumm sind. Realitätsfremd, ignorant und denkfaul sind die meisten sicherlich, zumindest auf dieses Thema bezogen.

Aber selbst der klügste Mensch täuscht sich gelegentlich. Viele die am lautesten über Muslime reden (bzw. keifern) sind dann aber leider vollkommen beratungsresistent (ein anderes Wort für stur bzw. dickköpfig), und möchten ihre Fehler selbst dann nicht einsehen, wenn man sie darauf hinweist.

Das liegt natürlich, gerade in Bezug auf die Wahrnehmung von Muslimen, auch an der allgemeinen Berichterstattung, sowohl in den sogenannten Mainstream-Medien, wie auch den Filterblasen und Echokammern der sozialen Netzwerke. In den rechten Filterblasen und Echokammern gibt es fast kein anderes Thema. Und auch die Mainstream-Presse bläst das Thema bei fast jeder sich bietenden Gelegenheit auf, mittlerweile auch um dem unsinnigen (meist rechten) Vorwurf der "Lügenpresse" aus dem Weg zu gehen.

Muslime hier, Muslime dort. Nur nicht in der wirklichen Welt, zumindest nicht annähernd in dem Umfang wie es die Menschen (fälschlicherweise) glauben.

Was kann man also tun, um diese falsche Wahrnehmung, die an der Wurzel der Vorurteile und des Misstrauens vieler liegt, wieder der Realität anzupassen? Stichwörter "Umvolkung", "Bevölkerungsaustausch", und was sich unsere rechtsradikalen, rassistischen, kulturchauvinistischen Vordenker sonst so an menschenfeindlichem Vokabular ausgedacht haben.

Wie kann man den Rechtspopulisten, die genau mit solchen falschen Wahrnehmungen die Menschen an der Nase herumführen, das Handwerk legen?

Die regelmäßige Umfrage von Ipsos ist übrigens auch sonst sehr interessant, denn sie fragt auch bei anderen Themen ab inwieweit Wahrnehmung und Wirklichkeit auseinander liegen.

* http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gefuehlte-wahrheit-deutsche-schaetzen-anteil-der-muslime-viel-zu-hoch-a-1125901.html

* https://www.ipsos-mori.com/researchpublications/researcharchive/3817/Perceptions-are-not-reality-what-the-world-gets-wrong.aspx

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