Tu das! Mach das! Du musst! Du sollst... Das Problem mit Autorität

Ich habe ein Problem.

Nämlich mit Autorität.

Ich habe ein Problem damit, wenn jemand mir sagt: „Tu das!“, „Mach das!“, Du sollst!“, „Du musst!“ – da schalte ich relativ rasch auf Widerstand. Oder auf "Durchzug", wie man so schön sagt.

Ich konnte es schon als Kind nicht ausstehen, wenn man mir sagte, was ich zu tun hätte - vor allem bei Dingen nicht, die ich sowieso wusste....

Vor allem diejenigen, die das aus einer übergeordneten Position tun und im Verein mit: „Ich bestimme, weil ich das KANN“ – und nicht etwa, weil es irgendwie vernünftig ist, agieren, sind mir ein ziemlicher Graus.

Wenn dann noch der Fakt dazukommt, dass ich die jeweilige Anordnung für sinnlos, unpraktikabel oder gar DUMM halte, dann ist ganz schnell der sprichwörtliche Ofen aus bei mir.

Und dann fange ich an zu hinterfragen, zu diskutieren. Weil ich nämlich an die Diskursfähigkeit in allen Menschen glaube. Ich glaube daran, dass selbst der dümmste Vorgesetzte durch stichhaltige Argumente dazu zu bringen ist, eine unsinnige Anordnung zu revidieren. Manchmal hatte ich damit auch recht, manchmal jedoch auch nicht – das kam jeweils auf die Persönlichkeit des jeweiligen Gegenübers an.

Und leider macht man im Laufe seines Lebens vielfach die Erfahrung, dass eine erkleckliche Anzahl der Leute, die bestimmende Funktionen besetzen, diesen nicht gerecht werden. Dabei geht es nicht einmal so sehr um Inkompetenz, sondern meistens um Unwissen, oft genug aber um Schwäche.

Persönliche Schwäche nämlich.

Verantwortungsträger, die keinerlei „natürliche Autorität“ besitzen, neigen häufig dazu, diese mit Anordnungen zu kaschieren, die rein aus dem Bewusstsein heraus, dass „sie es eben können Kraft ihrer Position“, getroffen werden.

Der Untergebene hat sich daran zu halten. Weil ICH Chef bin – Punkt.

Leider werden viele Vorgaben auch am berüchtigten „grünen Tisch“ getätigt, was die mit der Praxis beschäftigten Leute dann noch mehr verstimmt – weil sie nämlich praxisfern sind.

Und das erzeugt – im besten Fall! – Widerspruch, Anlass zu Diskussionen.

Im meines Erachtens nach weitaus häufigeren Fall jedoch führt es dazu, dass jedem alles heutzutage sowieso wurscht ist. Und jeder seinen Dienst irgendwie runterradelt, ohne sich für seine Tätigkeit besonders zu interessieren, bzw. auch nur ein rudimentäres Engagement dafür zu zeigen. Was natürlich ein gedeihliches Miteinander, bzw. einen Erfolg sehr schwierig macht. Mitdenken wird den Leuten geradezu abgewöhnt.

Weil man eben oft genug durch unsinnige Anordnungen „von oben“ in der sinnvollen Ausübung seiner Tätigkeit mehr behindert wird, als dass sie irgendwie nützen.

Dabei wären vermutlich manche dieser Vorgaben gar nicht so sinnlos – würden diejenigen, die sie erteilen, sich nur die im Vergleich relativ geringe Mühe machen, ihre Intentionen ihren Mitarbeitern auch kundzutun. Denn oft wissen diese ja auch gar nicht, woher jetzt diverse Dinge kommen… sie kennen die Hintergründe mancher vordergründig unsinnig erscheinender Anweisungen gar nicht.

So wurschtelt man sich halt durch – tut seinen Unmut höchstens im Kollegenkreis kund – denn Widerspruch wird ja auch nicht gern gesehen - und alles geht weiter seinen gewohnten, schlechten Gang.

Und alle wundern sich, wieso eigentlich nichts so richtig funktioniert.

Aber zurück zur Autorität.

Der Terminus stammt bekanntlich vom Wort „hören“ – lateinisch „audire“ - ab. Und bedeutet eigentlich nichts anderes, als dass man auf jemanden Kraft seines Wortes, seiner Überzeugungskraft, HÖRT. Und im besten Fall danach handelt.

Diese natürliche Überzeugungskraft aufgrund ihrer Persönlichkeit besitzen aber anscheinend nicht allzu viele Leute – womit sie sich auf ihre „Macht“ zurückziehen, die sie aufgrund irgendeines Amtes besitzen.

Das ist soweit schon richtig und auch notwendig, denn würde niemand mehr auf seinen Chef/Vorgesetzten hören, dann hätten wir bald das schönste Chaos.

Aber es wäre trotzdem kein Fehler, würden sich Leute in Führungspositionen ihre Autorität nicht nur durch ihre Funktion, sondern auch durch ihre Persönlichkeit erarbeiten. Denn es ist inzwischen zur Unsitte verkommen, auf Untergeordnete grundsätzlich nicht zu hören, weil sie ja keine diesbezüglichen „Kompetenzen“ besitzen, bei etwaigen eigenen Ideen ist dann relativ rasch die Rede von „Kompetenzüberschreitung“.

Einem Vorgesetzten, der sich durch sein Handeln einen gewissen Respekt erarbeitet hat, folgt man halt lieber als einem, den nur sein Posten zur Macht und deren Ausübung befördert hat. Und der Umstand, dass oberste Führungsschichten manchmal auch schwache Personen in mittlere Führungspositionen hieven, um sich langfristig keine starke Konkurrenz anzuzüchten, ist halt auch leider ein Fakt, der nicht von der Hand zu weisen ist. Diese Leute haben es dann besonders nötig, stets mit der Macht ihrer Position wie mit dem berühmten Zaunpfahl zu wacheln und dieselbe durch überschießende Anweisungen zu sichern. Was ich im übrigen für einen gewaltigen Trugschluss halte.

Selbiges passiert übrigens auch in der Kindererziehung.

Ich war schon immer eine Anhängerin der „natürlichen Erziehung“ – also einer, die sich in der gleichen Weise eben NICHT auf „Du machst das jetzt, weil ICH, dein allmächtiger Elternteil, es dir sage!“, zurückzieht, sondern in erklärender Weise seine Wünsche dem Kind kundtut. Und vor allem auch nur solche Regeln aufstellt, die nötig sind. Damit erspart man sich sehr viel Ärger und schont die Nerven. Die eigenen und auch die seines Kindes.

Kinder verstehen mehr, als man glaubt. Und sie sind auch nicht dumm – man muss ihnen die Dinge, die man will oder eben nicht, nur altersgerecht darlegen.

Sobald meine Tochter alt genug dazu war, habe ich ihr alles erklärt, was ich von ihr wollte, fast immer mit dem gleichlautenden einleitenden Satz: „Ich sag dir jetzt etwas….!“

Was dann eines schönen Tages dazu geführt hat, dass sich meine rund 3jährige Tochter vor mir aufgebaut und mir mit tragender Stimme erklärt hat: „Du, Mama, ich sag dir jetzt was…..!“

Was sie mir damals genau erklärt hat, habe ich längst vergessen, die Situation selbst jedoch wird wohl für immer in meinem Gedächtnis haften bleiben…

Auch für Eltern gilt: Sie müssen sich bei ihren Kindern durch ihre Handlungsweise ihre Autorität erarbeiten – und sich nicht darauf verlassen, dass Kinder diese von selbst entdecken und anerkennen. Etwas, was man nicht erkennt, kann man auch nicht respektieren. Wobei man es bei Kindern noch relativ einfach hat – die lieben ihre Eltern normalerweise bedingungslos und erkennen sie auch an – schlimm wird es erst dann, wenn diese dieses Vertrauen nicht befördern, bzw. durch dumme und rigide Erziehung zerstören. Erst dann werden Kinder „schlimm“. Oder zu dem, was man zu „schlimm“ erklärt – wobei es sich in den meisten Fällen vermutlich eher um eine Art der „Selbstverteidigung“ handelt.

Wobei ich nicht der sowieso falsch verstandenen „antiautoritären“ Erziehung anhänge – denn diese wurde nur allzu oft in eine Art „Laissez faire“ umgewandelt, was Kindern keinerlei Halt bietet. Aber auch hier zählt der „goldene Mittelweg“ zwischen einem zu rigiden Agieren und einem völligen Alleinlassen eines Kindes im Aufwachsen. Beide Extreme sind ungesund.

Ich selbst bin jetzt in der glücklichen Lage, mich nicht mehr mit kuriosen Anordnungen herumplagen zu müssen – ich habe mein Berufsleben bereits hinter mir gelassen.

Ich kenne diesen Umstand weiterhin aber natürlich aus diversen Erzählungen in meinem Umfeld, die mich mit Grausen an eigene Erfahrungen zurückdenken lassen. Augenscheinlich wird es diesbezüglich immer schlimmer.

Und ich wundere mich immer häufiger, wieso eigentlich unsere Gesellschaft noch immer funktioniert, wenn man sich anschaut, was in manchen Betrieben so abgeht… Und dass ein erklecklicher Anteil der Arbeitnehmer bereits längst „die innere Kündigung“ angetreten hat, sich mit seiner Arbeit nicht mehr identifiziert.

Einer der wohl angenehmsten Aspekte des Älterwerdens ist der, dass man sich niemandem mehr unterordnen muss, bzw. nicht mehr darauf angewiesen ist, zu allem Unsinnigen Ja! und Amen! zu sagen. Sagen zu müssen, um sich nicht selbst irgendwie zu schaden.

Deshalb kann ich es auch im Privaten nicht (mehr) leiden, wenn man meint, mir irgendwelche Vorschriften machen zu müssen - das habe ich jahrzehntelang "genossen" und bin nun froh, es hinter mir gelassen zu haben. Das macht mich womöglich weniger "teamfähig", dafür bin ich frei.

Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

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lie.bell

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