Obwohl der astronomische Winter bereits begonnen hat, stellte ich mir gestern die Titelfrage, als ich in einer Tageszeitung ein Foto einer blühenden Forsythie fand. Scheinbar ist die Botanik momentan sehr verwirrt. Warum würde die "Osterblume" sonst Anfang Dezember blühen? Aber erst einmal abwarten und Tee trinken - vielleicht gibt es dann zu Ostern eine Portion Spätwinter. Die Natur und auch wir müssen uns ohnehin damit abfinden - ob wir wollen oder nicht. Wie war das jetzt mit naturnah?

Dieser Begriff ist nicht allgemein definierbar. Meiner Meinung nach kann man nur sagen, dass eine Pflanze eben möglichst viele naturnahe Kriterien erfüllt. In diesem Fall darf man sie dann als "naturnah" abstempeln. Jedoch ist das immer etwas Spezielles und genau deshalb gibt es dazu keine offizielle Begriffsdefinition.

Hier möchte ich das Thema am Beispiel Rosen erläutern. Ich habe schon viele Bücher gelesen und mir zu den meisten Sortengruppen ein Bild gemacht. Früher war ich so naiv, dass ich vermutlich jede Wildrose blind als naturnah bezeichnet hätte. Es kam sogar so weit, dass ich mir "Rosen und Dornen" einreden ließ. Mit 11 oder so habe ich allerdings eindeutig verstanden, warum das ein poetischer Blödsinn ist. Seither dreht es mir immer den Magen um, wenn jemand von Rosen und Dornen spricht. Bzw. wenn ich das in einem Rosenbuch lese. Trifft letzteres zu, so frage ich mich, warum dieser Kardinalfehler übersehen wurde. Ist ja ca. so, wie wenn man durch 0 dividieren würde.

Das, was die meisten Leute als Rosen zu Hause gepflanzt haben, ist kaum bis gar nicht naturnah. Die Edelrosen glänzen zwar mehrmals pro Saison mit einer üppigen Blütenpracht, doch was ist im Herbst? Hagebutten erscheinen - wenn überhaupt - nur dann, falls der Besitzer beim Entfernen der Blütenreste etwas schlampig war.

Wenn man im Gegenzug die Hundsrose betrachtet, so hat man klarerweise nur eine mehrwöchige Blühphase im Mai - Juni. Dann ist erst einmal Pause, ehe die Hagebutten heranreifen. In der kalten Jahreszeit bleiben letztere im Fall Hundsrose meist noch attraktiv. Wenn ich so in unserer Gegend schaue, dann nimmt man den Hetschal-Schmuck nach wie vor deutlich wahr. Anfang Dezember sind meiner Erfahrung nach noch rund 2/3 der Hagebutten von Hundsrosen schön. Eine gute Basis für den Winter.

Vögel sind dadurch mit Nahrung versorgt und die Rose wird auf ganz natürliche Art und Weise vermehrt. Wenn sie jetzt auch noch viele Stacheln hat, ist sie damit eine sichere Behausung für die Vogelwelt. Somit steht einem naturnahen Winter-Vogelquartier nichts mehr im Wege.

Man könnte jetzt meinen, dass ein üppiger Blütenflor und viele Hagebutten sofort als "naturnah" aufgefasst werden dürfen. Doch dem ist nicht so - das Abenteuer Natur wäre ja sonst irgendwie langweilig. Ungefüllte Rosenblüten müssen nicht automatisch zu Hagebutten führen. Bzw. gibt es Sorten mit gefüllten Blüten, die sehr viel Fruchtschmuck tragen und diesen sogar bis in den Winter behalten.

Die Bibernellrose Glory of Edzell ist meistens die allererste Blüherin im frisch angebrochenen Frühjahr. Ein ausgewachsener Strauch gleicht in warmen Jahren bereits im April einem riesigen Blütenmeer. Doch entwickeln sich daraus ebenso viele Hagebutten? Nein, leider nicht. Aber auf Grund ihrer üppigen Blüte erfüllt sie zumindest ein "Naturnah-Kriterium". Ein anderes Beispiel ist folgende Rose. Wer würde glauben, dass diese Blüte nicht fruchtbar ist?

Natürlich gibt es auch Sorten, die zur Blütezeit weniger auffällig sind, aber dann dafür mit ihren Hagebutten umso mehr punkten. Ein schönes Fruchtkleid muss aber nicht automatisch bis in den Winter attraktiv bleiben. Die Rosa Glauca ist hagebuttentechnisch grundsätzlich nicht zu verachten - doch ab Oktober übernehmen andere Sorten die Hagebuttenblickfang-Aufgabe.

Letztendlich erfüllen so gut wie alle Wildrosen bzw. die meisten ihrer Gartenformen zumindest ein naturnahes Kriterium. Dem einen sind die Blüten wichtiger, der andere setzt auf einen ordentlichen Fruchtschmuck. Rosen, die wirklich perfekt naturnah sind, kommen sehr selten vor. Dennoch habe ich einige auf meiner Favoritenliste.

Zum Schluss möchte ich noch kurz sagen, was meine naturnahe Traumrose ist: Reiche und optisch ansprechende Blüte, einigermaßen lange Blühphase, kräftiger und buschiger Wuchs, viele Stacheln und eine möglichst große Menge an Hagebutten, die bis ins neue Jahr hinein attraktiv bleibt.

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